Darum gehts
- SRF verärgert Kulturschaffende mit Fehlern und Programmkürzungen
- SRG-Initiative zur Senkung der Rundfunkgebühren wird im Nationalrat debattiert
- Bundesrat plant Senkung der Empfangsgebühren von 335 auf 300 Franken
Hitzige Debatte über Halbierungs-Initiative – so lief Tag 1
Der Nationalrat zog am Montag in die Redeschlacht: Rund 80 Rednerinnen und Redner wollen sich im Zusammenhang mit der Halbierungs-Initiative der SVP in der grossen Kammer profilieren. Gereicht hat es am ersten Tag der Sommersession nicht einmal für die Hälfte.
Entschieden wurde im Rat daher noch nichts. Die zuständige Kommission des Nationalrats gab der Vorlage, die die Haushaltsabgabe für Radio und Fernsehen von heute 335 Franken auf 200 Franken senken will, zuvor aber bereits eine deutliche Abfuhr. «Die Folge der Initiative wäre ein amputierter Service Public», warnte Mitte-Medienpolitiker Martin Candinas (44) in der Debatte.
Kommission verpasste Gegenvorschlag
Einem Gegenvorschlag auf Gesetzesebene trauerten an diesem Nachmittag neben Candinas zahlreiche weitere Parlamentarierinnen und Parlamentarier der bürgerlichen Fraktionen nach. Die Kommission schaffte es in zwei Anläufen nicht, ihre Schwesterkommission des Ständerats davon zu überzeugen.
Links und die Mitte warnten zudem vor massivem Stellenabbau sowie Qualitätseinbussen für die Schweizer Medienlandschaft. Die verschiedenen Sprachregionen würden so nicht mehr zufriedenstellend abgedeckt, argumentierten sie.
Ebenfalls fürchteten sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier vor einer Schwächung der Demokratie. «Wer die SRG halbiert, untergräbt die mediale Selbstbestimmung der Schweiz», so SP-Mann Jon Pult (40).
SVP reagierte belustigt
Die SVP sah dies anders. «Ist es etwa nötig, dass ein Schweizer Tatort finanziert wird – besonders, wenn er ja immer schlechte Kritiken erhält?», fragte der Zürcher Mauro Tuena (53). Auch Fraktionssprecher Gregor Rutz (52) reagierte belustigt über die Warnungen. «Wir haben uns schon überlegt, während dieser Debatte ein Kerzchen anzuzünden», sagte er. Die Initiative der SVP stehe der Meinungsvielfalt nicht entgegen, sondern fördere sie sogar.
Rutz und seine Fraktion kritisierten zudem die fehlende Redebereitschaft im Parlament. Es brauche zuerst eine Grundsatzdiskussion, fanden sie. SVP-Nationalrat Benjamin Fischer (33) stellte dafür einen Antrag auf Rückweisung des Geschäfts. «Dann haben wir ein Jahr Zeit, um das Thema sauber auszudiskutieren», so Rutz dazu.
Am 11. und 12. Juni soll es mit der Monsterdebatte weitergehen. Unabhängig vom Resultat werkelt die SRG bereits an einer eigenen Schlankheitskur: Bis 2029 will sie rund 270 Millionen Franken einsparen. Das entspricht rund 17 Prozent des heutigen Finanzrahmens.
Feierabend im Parlamentssaal!
Pünktlich um 19 Uhr beendet Nationalratspräsidentin Riniker die Debatte – die Nationalrätinnen und Nationalräte haben für heute Feierabend. Fortgesetzt wird die Redeschlacht um die SRG-Gebühren am 11. Juni.
«Mehr Grundauftrag, weniger Nemo»
«Herr Bundesrat Rösti, besten Dank für Ihre Bemühung in die richtige Richtung», sagt SVP-Nationalrat Roman Hug (GR) zu Beginn seines Votums. Den Initiativgegnern wirft er dagegen «Angstmacherei» vor.
«Wer etwa behauptet, dass der sprachliche Zusammenhalt gefährdet sei, hat den Initiativtext nicht gelesen.» Denn dieser Grundauftrag solle laut diesem nicht angetastet werden, sagt Hug. Der Abbau gehe daher nicht zulasten der Regionen. «Wir brauchen in diesem Land wieder mehr Grundauftrag und weniger Nemo», fasst Hug seine Rede zusammen.
«Ohne Gegenvorschlag muss man zustimmen»
Der Berner FDP-Parlamentarier Christian Wasserfallen stellt sich gegen die Mehrheit seiner Fraktion: «Ohne Gegenvorschlag bleibt einem nichts anderes übrig als der Initiative zuzustimmen – und zwar aus Überzeugung.»
Die SRG sei nicht so «unberührbar», wie es seine Vorrednerinnen und -redner signalisiert hätten. Zudem könnten aus Wasserfallens Sicht auch private Medien als Service Public gelten – besonders im Lokalen. «Lassen Sie doch den Konsumentinnen und Konsumenten mehr Wahl», sagt Wasserfallen.
«Rösti hat eine Chance herbeigredet»
Hat Medienminister Albert Rösti die SVP-Initiative genutzt, um bei der SRG strategisch abzubauen? SP-Politiker David Roth (LU) wirft Röstis Departement die vorsätzliche Instrumentalisierung einer «eigentlich chancenloser Initiative» vor.
Auch gegen die privaten Verlage schiesst Roth: Die Privaten hätten zuerst das Geld aus der SRG gepresst und sie schlussendlich mit einer Vereinbarung erpresst, die einem Leistungsabbau gleichkommt. Über diesen Fakt würde deshalb auch kaum ein Medium kritisch berichten, moniert Roth.
«Gebühren unfair für Junge»
SVP-Nationalrat Thomas Matter (ZH) argumentiert mit der Jugend: Besonders für sie sei die Abgabe unfair. «Sie müssen für ein Medienangebot zahlen, das sie fast nicht nutzen», sagt Matter. Bei einer Begrenzung auf 200 Franken müsse sich die SRG mehr auf ihren «Kernauftrag» fokussieren. «Mehr Markt und weniger Staat», erhofft sich Matter davon.
SVP-Rutz: «Haben uns schon überlegt, ein Kerzchen anzuzünden»
Gefahr für die Demokratie und den Zusammenhalt? SVP-Mann Gregor Rutz (ZH) reagiert belustigt über die Warnungen seiner Parlamentskollegen. «Wir haben uns in der Fraktion schon überlegt, während dieser Debatte ein Kerzchen anzuzünden», sagt er.
Die Schweiz sei freier als andere Nationen und habe eine Meinungsvielfalt, die sich auch in der Medienlandschaft widerspiegeln soll. Die Initiative der SVP würde dem nicht entgegenstehen, sondern das sogar fördern. «Wollen Sie mehr Freiraum für Private schaffen oder glauben Sie tatsächlich, dass unabhängige Information nur über staatliche Medien führt?», fragt Rutz. Heute gebe es gar keinen Wettbewerb mehr, sondern «ein Wettrennen um staatliche Subventionen».
Rutz kritisiert zudem die fehlende Redebereitschaft im Parlament – besonders im Ständerat. Es sei durchaus eine Grundsatzdiskussion nötig, der man sich verschlossen habe. Der SVP-Nationalrat macht sich daher für den Antrag seines Parteikollegen Benjamin Fischer stark, der das Geschäft vorläufig rückweisen möchte. «Dann haben wir ein Jahr Zeit, um das Thema sauber auszudiskutieren», so Rutz.
«Diese Lücke wird niemand füllen»
Stellenabbau, Schwächung der Demokratie, wegfallendes Angebot – auch Mitte-Frau Marie-France Roth Pasquier (FR) benutzt ähnliche Argumente, wie ihre Vorrednerinnen und -redner. Klar ist: Auch die Mitte-Fraktion geht mit der Mehrheit und lehnt sowohl Initiative als auch die Anträge Fischer und Pult ab.
«Wird die SRG in diesem Umfang abgebaut, wird diese Lücke niemand füllen», ergänzt Parteikollege Philipp Kutter (ZH). Genauso bedauert er die «verpasste Chance» eines Gegenvorschlags aus dem Parlament. «Ein Vorschlag auf Gesetzesstufe hätte im Abstimmungskampf mehr Gewicht gehabt, als eine Änderung auf Verordnungsebene», sagt Kutter.
«Die Initiative hilft den Privaten nicht»
Die Grünen-Fraktion lehnt die Initiative wenig überraschend auch ab, gibt die Baselbieterin Florence Brenzikofer kund. Die Forderung sei eine Bedrohung für die Demokratie und den nationalen Zusammenhalt. Besonders die Randregionen würden drastisch darunter leiden. «Wir sagen Nein zur Schwächung des Service Public!»
«Einige glauben tatsächlich, dass eine Kürzung bei der SRG den Privaten helfen würde», fügt Parteikollege Michael Töngi (LU) an. «Es ist naiv!» Denn in den letzten Jahrzehnten sei die Haushaltsabgabe nur gesunken – und gleichzeitig auch die Abozahlen der privaten Medien. Die Initiative würde also nichts lösen.
Sparkurs laut GLP «schmerzhafter, aber notwendiger Schritt»
Auch die Grünliberale Barbara Schaffner (ZH) sieht die Unternehmensabgabe als «Anachronismus». «Es ist quasi eine Doppelbesteuerung», sagt Schaffner. Daher sei es umso bedauerlicher, dass der Ständerat den indirekten Gegenvorschlag abgelehnt hat, der eine stufenweise Abschaffung der Unternehmensabgabe vorgesehen hätte. Damit wäre zumindest eine Initiativforderung umgesetzt worden. «Nun haben sich die Initianten bei einer Ablehnung selber an der Nase zu nehmen», sagt Schaffner.
Der jetzt eingeschlagene, harte Sparkurs der SRG sei ein «schmerzhafter, aber notwendiger Schritt», fährt Schaffner fort. Die Initiative sei dagegen ein verantwortungsloser Kahlschlag und würde von den Grünliberalen klar abgelehnt – genauso wie jegliche zusätzliche Minderheitsanträge in der Debatte.
«Meine Firma hat weder Augen noch Ohren»
«Die Demokratie benötigt Menschen, die den Fakten verpflichtet sind. Diese Verantwortung übernehmen die Medien», sagt Andri Silberschmidt (ZH) für die FDP-Fraktion. «Die Privaten bieten nur dort ein Angebot an, wo es refinanzierbar ist.» Die gebührenfinanzierten Medien würden dieses Angebot komplementieren, wo ein Angebot nicht gewinnbringend sei.
Auch er bedauert, dass die Medienpolitiker des Ständerats nicht auf den Gegenvorschlag der Schwesterkommission eingestiegen sind. Besonders stossend ist für Silberschmidt, dass die Unternehmen auch mit den Gegenmassnahmen des Bundesrats weiterhin Abgaben zahlen müssten. «Meine Firma hat weder Augen noch Ohren», sagt der Unternehmer. Seine Parteifraktion lehnt die Initiative alternativlos ab.
Gerade bei Kulturschaffenden sorgt SRF derzeit für Ärger. Sie sind aufgebracht über die Absetzung der Sendung «G&G – Gesichter und Geschichten», die ihnen bisher eine der wenigen TV-Plattformen bietet. Konsterniert zeigen sich auch die geschassten Moderatoren Jennifer Bosshard (31) und Michel Birri (38), die ihren Frust in einem Podcast verarbeiten.
Das Schweizer Fernsehen macht sich im Moment nicht viele Freunde – gerade in linken Kreisen, die bisher treu zu ihm standen. Und das ausgerechnet jetzt, wo der Nationalrat die Debatte über die von SVP-Kreisen lancierte SRG-Initiative startet.
Sparbemühungen machen auch Unterstützer hässig
Unverständnis hat auch die Absetzung von «Zivadiliring» ausgelöst, immerhin jahrelang einer der erfolgreichsten Podcasts im Land. Nach ausverkauften Clubtouren und einem bevorstehenden Mega-Auftritt im Zürcher Hallenstadion ist nun Schluss mit dem Frauen-Talk. Aber auch bei Sportfreunden sorgte SRF erst gerade für Ernüchterung. Bei der Übertragung des Hockey-WM-Finals mit Schweizer Beteiligung am Sonntagabend sei es nicht aus den Startlöchern gekommen, kritisierte Blick.
Dabei sollte die SRG gerade jetzt um Unterstützer bemüht sein. Für sie geht es ums Ganze, wenn das Parlament die Halbierungs-Initiative debattiert. Diese will die Gebühren für Radio und Fernsehen von heute 335 auf 200 Franken senken. Für die SRG-Spitze um Generaldirektorin Susanne Wille (51) ein Horrorszenario!
Zwar lehnt die zuständige Kommission die Initiative mit klarem Mehr ab. Nachdem zwei Vorschläge für einen indirekten Gegenvorschlag in der zuständigen Ständeratskommission abgelehnt worden sind, will nun auch die Mehrheit der Nationalratskommission keinen Gegenvorschlag mehr.
Federn lassen aber muss die SRG sowieso. Denn der Bundesrat um Medienminister Albert Rösti (57) plant, die Empfangsgebühren von heute 335 auf noch 300 Franken pro Jahr zu senken. Unternehmen will er von der Abgabepflicht gleich ganz befreien. Gerade aus der eigenen Partei argwöhnen viele, dass der SVP-Bundesrat der Halbierungs-Initiative damit den Wind aus den Segeln nehmen will.
Bisheriges Engagement könnte fehlen
Um den SRG-Kritikern ihren guten Willen unter Beweis zu stellen, kündigt die Konzernspitze seit Monaten ein Sparpaket nach dem anderen an – und stösst damit wiederum bisherige Unterstützer vor den Kopf. So kam es etwa Ende Februar in Basel zur Protestaktion gegen die Abschaffung des «Wissenschaftsmagazins» und Kürzungen beim Kulturjournalismus auf Radio SRF 2. Und mit der Umstellung von UKW auf DAB+ verlor SRF gerade viele ältere Radiohörer.
Die Sparbemühungen aber kommen nicht einmal bei SRF-Kritikern gut an. Nachdem die SRG angekündigt hatte, sogar «Tagesschau»-Ausgaben zu streichen und das Angebot der Regionaljournale zu reduzieren, zeigte sich auch SVP-Nationalrat Gregor Rutz (52) skeptisch: «Ich verstehe nicht, weshalb beim Kernauftrag abgebaut wird.» SRF macht mit seinen Sparplänen alle hässig.
Nach der Ankündigung, der Sendung «G&G» Ende Juni den Stecker zu ziehen, verwiesen empörte Kulturschaffende darauf, dass ihre Branche 2018 gegen die No-Billag-Vorlage eine wirksame Kampagne aufgezogen habe. Ein vergleichbares Engagement dürfe man gegen die Halbierungs-Initiative nicht erwarten. Zu gross sei die Enttäuschung über die SRG. In noch mehr Fettnäpfchen sollte diese nun nicht mehr treten.