Aufatmen für Nationalrat Simon Michel (48): Die Immunitätskommission des Nationalrats will nicht ermöglichen, dass der FDP-Parlamentarier strafrechtlich belangt werden kann. Das schrieben die Parlamentsdienste am Montagnachmittag in einer Mitteilung.
Anfang November beantragte die Solothurner Staatsanwaltschaft, Michels Immunität aufzuheben. Auf Blick-Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft damals mit, dass gegen Michel eine Strafanzeige wegen Ehrverletzungsdelikten eingereicht worden war. Auf weitere Auskünfte verzichtete sie.
Nicht wegen Angriff auf alt Bundesrat
Klar ist nun auch der Grund für die Anzeige: Michel habe in Kommentaren zu seinen Posts und LinkedIn-Beiträgen – insbesondere zu den Bilateralen III – den Anzeigeerstatter wiederholt als von einer international renommierten Kapitalanlagegesellschaft bezahlter «Troll» bezeichnet.
Die Anzeige hat also nichts mit den Aussagen zu tun, die Michel gegenüber alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann gemacht hatte. Nachdem sich Schneider-Ammann in einem Gastbeitrag in der NZZ gegen die neuen EU-Verträge geäussert hatte, unterstellte Michel dem alt Bundesrat, er könne dies gar nicht mehr selbst geschrieben haben. Später entschuldigte er sich dafür.
Michel selbst zeigte sich beim Bekanntwerden des Antrags wenig besorgt. «Die Kommission wird den Fall wie üblich prüfen und anschliessend über das weitere Vorgehen entscheiden. Das ist ein normaler Prozess», schrieb der FDP-Nationalrat auf dem Kurznachrichtendienst X.
Ton auf den sozialen Medien sei rauer
Auch die zuständige Kommission ist nun der Ansicht, dass die Michel vorgeworfene Handlung nicht besonders schwerwiegend sei, wie sie mitteilt. Und hält fest: Der Ton der Diskussionen in den sozialen Medien sei halt im Allgemeinen rauer als in anderen Kontexten.
Dennoch hat der FDP-Nationalrat laut Mitteilung in der Anhörung eingeräumt, sich unglücklich und unangebracht geäussert zu haben. Er bedauere, nicht die erforderlichen Überprüfungen vorgenommen zu haben, um eindeutig zu klären, ob es sich um ein bezahltes Profil handle.
Weiter ist laut der Kommission das öffentliche Interesse an der ungehinderten Ausübung des parlamentarischen Mandats, insbesondere der Schutz der Meinungsfreiheit der Ratsmitglieder, in Michels Fall höher zu gewichten als das Interesse an der Verfolgung einer allfälligen strafbaren Handlung.
Damit ermittelt werden kann, muss die Immunität fallen
Als Nächstes ist die Rechtskommission des Ständerats am Zug: Auch sie muss das Gesuch der Staatsanwaltschaft Solothurn prüfen. National- und Ständeräte geniessen Immunität für Äusserungen im Rat, aber auch für strafbare Handlungen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit und Stellung stehen.
Will eine Staatsanwaltschaft gegen ein Ratsmitglied ermitteln, muss sie beim Parlament zuerst ein Gesuch um Aufhebung der Immunität stellen, über das dann die Immunitätskommissionen der Räte entscheiden.