Darum gehts
- Valérie Dittli: Affäre weitet sich aus
- Generalstaatsanwalt ermittelt wegen Amtsmissbrauchs
- Alle männlichen Parlamentarier zur Vernehmung geladen
Die Affäre um die Waadtländer Regierungsrätin Valérie Dittli (32) dreht immer grössere Kreise. Die letzte bizarre Wendung: Sämtliche 100 männlichen Mitglieder des Waadtländer Kantonsparlaments müssen zur Vernehmung beim Generalstaatsanwalt erscheinen. Einen solchen Schritt hat es in der Geschichte des Kantons noch nie gegeben.
Ein Grund wurde dafür keiner genannt. Auslöser könnte allerdings sein, dass interne Informationen wiederholt an die Presse gelangt sind. Wie die «NZZ» berichtet, war insbesondere die Genfer Zeitung «Le Temps» in den vergangenen Monaten immer bestens informiert über die internen Machtkämpfe rund um die gebürtige Zugerin.
Erneutes Leak
So berichtete «Le Temps» kürzlich erneut vorab über ein Rechtsgutachten des Juristen François Paychère. Er fand im Auftrag der Kantonsregierung heraus, dass Dittlis Vorgänger Pascal Broulis (60) jahrelang Reiche zu milde besteuerte. Broulis sitzt heute für die FDP im Ständerat. Im Artikel hiess es weiter, die Zeitung wisse dank eines – nicht namentlich genannten – Parlamentariers Bescheid.
Offenbar sollen nun alle Männer im Parlament Rede und Antwort stehen, um das Leak ausfindig zu machen. Ursprünglich sollten die Anhörungen am 7. Oktober starten – genau dann, wenn das Kantonsparlament tagt. Inzwischen sei der Termin verschoben worden.
Verdacht auf Amtsmissbrauch
Am Montagabend hatte Dittli zudem in einem Communiqué verkündet, dass der Generalstaatsanwalt Dittlis Immunität aufheben wolle. Keine 24 Stunden später geschah genau das: Das Büro des Kantonsparlaments bewilligte die Aufhebung. Damit kann Staatsanwalt Eric Kaltenrieder offiziell gegen die Regierungsrätin ermitteln.
Der Verdacht: Amtsmissbrauch. Konkret geht es darum, dass Dittli ihre Behördenchefin angewiesen haben soll, Steuerbescheide von vermögenden Steuerzahlern aufzuheben. Ein Eingriff, den ein Untersuchungsbericht des Neuenburger SP-Politikers Jean Studer als «komplett inakzeptable Einmischung» bezeichnete. Amtsmissbrauch kann in der Schweiz mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.
Dittli spricht im Communiqué davon, dass sie stets im Interesse des Kantons gehandelt und unter Wahrung der Gleichbehandlung der Steuerzahler nach konstruktiven Lösungen gesucht habe. Sie begrüsst die Ermittlungen als Chance, ihre Rechte geltend zu machen.