Kündigungen, Krankschreibungen, Klage-Drohungen
Waadtländer Regierungsrätin Dittli laufen die Leute davon

Regierungsrätin Valérie Dittli steht in der Waadt seit geraumer Zeit in der Kritik. Eine Recherche zeigt jetzt: An der Spitze ihres Departements herrscht ein Klima der Angst. Die engsten Mitarbeitenden gehen scharenweise.
Publiziert: 10.07.2025 um 21:12 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2025 um 21:13 Uhr
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Allein auf weiter Flur: Mitte-Regierungsrätin Valérie Dittli ist nicht nur im Staatsrat isoliert, auch in ihrem Departement wird es zunehmend einsamer um die gebürtige Zugerin.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Valérie Dittli verliert Mitarbeiter und kämpft mit Personalproblemen im Departement
  • Klima der Angst und Kontrollsucht prägen Dittlis Führungsstil
  • Zahlreiche Mitarbeitende sind krankgeschrieben oder haben gekündigt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Alessia Barbezat und Camille Krafft

Sie hat schon ihr Finanzdepartement verloren. Doch jetzt laufen der Waadtländer Regierungsrätin Valérie Dittli (32) auch noch die Leute davon. Dies zeigen Recherchen von Blick.

Zuletzt wurde Ende Juni der Abgang von Dittlis Generalsekretärin bekannt. Es ist ein weiterer Aderlass im Umfeld der Staatsrätin, der 2022 eine kleine Sensation gelang. Als gebürtige Zugerin – und obwohl die Mitte-Partei in der Waadt schwach ist – schaffte sie die Wahl in die Kantonsregierung. Mit nur 29 Jahren wurde sie Finanzdirektorin. Bald folgten politische Affären, die den grössten Kanton der Romandie erschütterten. Zuletzt nahmen ihr die Ratskollegen den Finanzbereich weg.

Keine Ruhe im Departement

Doch personell rumort es nach wie vor an der Spitze von Dittlis Departement. Seit ihrem Amtsantritt ist der ursprüngliche Stab auf ein Minimum geschrumpft. Der erste Generalsekretär verliess das Schiff bereits im Februar 2023, nur sechs Monate nach dem Amtsantritt der Regierungsrätin.

Seine Nachfolgerin wurde jene Frau, die jetzt – nach bereits längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz – das Handtuch warf. Nach Informationen von Blick sollen in letzter Zeit zwei weitere enge Mitarbeiterinnen Dittlis krankgeschrieben gewesen sein.

Dittlis Generalsekretariat im Juli 2024. Seitdem wird die Stabsstelle der Waadtländer Staatsrätin von Abgängen, Kündigungen und Krankschreibungen durchgeschüttelt.
Foto: Instagram Valérie Dittli

Die Liste der Abgänge ist damit nicht zu Ende. Im Jahr 2025 verliess der Kommunikationsbeauftragte das Departement nach 24 Dienstjahren und mehreren krankheitsbedingten Abwesenheiten. Dazu ein weiterer Mitarbeiter des Generalsekretariats.

Und auch die persönliche Mitarbeiterin von Valérie Dittli brach Anfang des Jahres ihre Zelte ab. Auch sie war im letzten Jahr lange Zeit abwesend gewesen.

Beunruhigte Parlamentarier

Ganz ungewöhnlich ist die Fluktuation in einem Generalsekretariat nicht, wenn ein neuer Regierungsrat sein Amt antritt. Aussergewöhnlich ist im Departement Dittli aber die Zunahme der Fälle von Krankschreibung. «Die Situation ist sehr beunruhigend», sagt etwa die Präsidentin der Waadtländer Geschäftsprüfungskommission, die Grossrätin Oriane Sarrasin (43).

Als unabhängiger Experte hatte der frühere Neuenburger Staatsrat Jean Studer (67) im März die Resultate einer Untersuchung von Dittlis Amtsgebaren vorgelegt. Bereits er hatte darauf hingewiesen, dass die Gesundheit einiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl im Generalsekretariat als auch in der Generaldirektion für Steuern stark beeinträchtigt sei. Sechs Mitarbeitende waren damals krankgeschrieben.

Klima der Angst

Drei Monate und drei Abgänge später scheint die Situation immer noch angespannt zu sein. Blick hat für diese Recherche mit rund 20 Personen gesprochen, die beruflich oder politisch mit der Staatsrätin zu tun haben oder hatten. Demnach herrscht im Departement ein Klima der Angst, ausgelöst auch durch die vergangenen und laufenden Untersuchungen sowie die mediale Aufmerksamkeit. Dies alleine setzte Mitarbeitende unter Druck.

Einfluss hatte offenbar aber auch das Gebaren von Valérie Dittli. Mehrere Personen, die mit der Regierungsrätin zu tun hatten, berichten von ihrer Neigung, mit einer Klage zu drohen, wenn ihre Autorität in Frage gestellt werde.

Spannungen an der Parteiversammlung

Dittlis Kontrollsucht war offenbar auch in ihrer Partei zu spüren. An der letzten Generalversammlung der Waadtländer Mitte-Partei traten starke Spannungen zutage. Laut der Tageszeitung «Le Temps» habe die Regierungsrätin «geschrien, dem Kassier befohlen zu schweigen und dem Präsidialausschuss vorgeworfen, sie nicht gut unterstützt zu haben». Dieses Verhalten bestätigten mehrere Personen, die an jenem Abend im Saal anwesend waren.

Andere wiederum bedauern, dass ein engagierter Stil so viele empörte Reaktionen hervorrufe. «Ich persönlich habe mich während der Generalversammlung zu keinem Zeitpunkt angegriffen gefühlt», sagt die Waadtländer Mitte-Vizepräsidentin Jacqueline Bottlang-Pittet.

Allein gegen alle

In den Gesprächen zeichnete sich das Bild einer Staatsrätin ab, die sich in eine Verteidigungshaltung begeben hat – Folge ihrer politischen Isolation. «Im Staatsrat ist sie allein gegen alle. Und im Grossen Rat hat sie keine Fraktion», fasst Bottlang-Pittet zusammen. «Sie kann sich nie sicher sein, dass sie Unterstützung erhält.» 

Die Vize-Parteipräsidentin weist auch darauf hin, dass die Haltung einiger Personen gegenüber der deutschsprachigen Regierungsrätin problematisch sei: «Wenn eine Person jung und unerfahren ist, kann sie keine natürliche Autorität haben. Manche Äusserungen, die ihr gegenüber gemacht werden, muss sich ein 55-jähriger Mann nicht gefallen lassen.» 

Mangelnde Führungserfahrung

Woran scheiterte Dittli, die bei den Wahlen durchmarschierte – und als Deutschschweizerin für die Mitte überraschend einen Sitz holte? Eine Erklärung: Sie hatte kein Netzwerk und setzte bei ihrer persönlichen Mitarbeiterin etwa auf eine Studienfreundin. «Die beiden kannten weder die Codes noch die richtigen Telefonnummern», sagt ein Waadtländer Politik-Insider. 

Daneben verweisen mehrere Waadtländer Parlamentarier auf die mangelnde politische Erfahrung der Zuger Juristin, die sich in Lausanne zuvor erfolglos als Gemeinde- und Stadträtin zur Wahl gestellt hatte. Als Dittli mit 29 Jahren Finanzministerin der Waadt wurde, hatte sie auch keine Erfahrung im Management vorzuweisen. 

Auf die Fragen von Blick zu den Abgängen und Abwesenheiten lässt Dittli über ihren Mediendienst ausrichten, dass es jeweils um Einzelfälle gehe, die sie «aus Respekt vor dem Privatleben» der Betroffenen nicht kommentieren könne. Sie räumt jedoch ein, dass die Neuorganisation der Departemente und die Anforderungen des Generalsekretariats zu Schwierigkeiten geführt hätten. Laut ihr wurden Massnahmen ergriffen, beispielsweise in Form von Unterstützung durch Fachpersonen.

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