Anruflisten, Standort und Co
Zürcher Steueramt verlangt intime Details von Bürgern

Das Zürcher Steueramt fordert die Preisgebung intimster Daten. Betroffen sind Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie im Kanton keine Steuern bezahlen, der Lebensmittelpunkt aber in Zürich ist.
Publiziert: 14:55 Uhr
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Das Zürcher Steueramt verlangt in manchen Fällen sehr detaillierte Informationen: Kreditkartenabrechnungen, Telefonlisten und sogar Handy-Standortdaten über Jahre hinweg.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Zürcher Steueramt sammelt umfangreiche persönliche Daten von Bürgern
  • Datenschützerin äussert Bedenken zur Verhältnismässigkeit der Datensammlung
  • Berater raten Unternehmen aktiv von einer Ansiedlung in Zürich ab
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Anna Clara KohlerRedaktorin Politik

Das Zürcher Steueramt sammelt umfangreiche persönliche Daten von Bürgern. Besteht der Verdacht, dass die Angaben der Selbstdeklaration nicht stimmen, verlangt die Behörde noch viel detailliertere Informationen: Kreditkartenabrechnungen, Telefonlisten und sogar Handy-Standortdaten über Jahre hinweg.

Verdächtigt werden vor allem Personen, die in Zürich keine Steuern zahlen, aber im Kanton arbeiten oder privat viel Zeit dort verbringen, wie die «NZZ» berichtete. Sie müssen Unterlagen einreichen, die den Lebensmittelpunkt klarstellen. Nicht das Amt muss die Schuld nachweisen, sondern die Person selbst ihre Unschuld.

Standortdaten des Mobiltelefons

Ein Unternehmer musste beispielsweise sämtliche Kredit-, Debit- und Bankkartenabrechnungen über mehrere Jahre einschicken. Auch die Standortdaten seines Mobiltelefons und ein «vollständiges Kalendarium» über all seine Aufenthalts- und Arbeitsorte der letzten Jahre.

Die kantonale Datenschutzbeauftragte Dominika Blonski beurteilt das Verhalten gegenüber der Zeitung kritisch. Sie betont: «Die Informationsbeschaffung der Steuerbehörde muss immer dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen.» Blonski hinterfragt die Notwendigkeit bestimmter Daten für die Feststellung des Steuerdomizils.

Recht, zu schwärzen

Die Datenschützerin sagt, dass Betroffene das Recht haben, irrelevante Informationen zu schwärzen. Eine Erhebung von Personendaten auf Vorrat sei nicht zulässig.

Die Finanzdirektion hingegen verteidigt das Vorgehen und erklärt, die Praxis sei gerichtlich anerkannt. Die umfassenden Angaben seien nötig, um den tatsächlichen Wohnsitz zu ermitteln.

«Hartnäckiger als vor 20 Jahren»

Treuhänder, Wirtschaftsanwälte und Consulting-Unternehmen äussern Kritik an der Steuerbehörde. Sie raten Unternehmen aktiv von einer Ansiedlung in Zürich ab – nicht nur wegen der hohen Steuern, sondern auch wegen des Verhaltens des Steueramts.

Die Strategie scheint Teil eines härteren Vorgehens zu sein. Marina Züger, Chefin des kantonalen Steueramts, erklärte in einem Interview mit dem «Schweizerischen Treuhänderverband», man schaue in bestimmten Bereichen «genauer hin und agiere hartnäckiger als noch vor zwanzig Jahren.»

Wirtschaftsverbände und Steuerexperten klagen

Der Kanton Zürich hat in den letzten Jahren an steuerlicher Attraktivität verloren. SVP-Finanzdirektor Ernst Stocker ist der oberste politische Verantwortliche für das kantonale Steueramt. Statt die Steuern zu senken, verstärkt die Behörde nun offenbar die Kontrollen.

Wirtschaftsverbände und Steuerexperten haben laut «NZZ» wiederholt Klagen über die Praktiken der Behörde beim Kanton eingereicht. Bei einem Treffen wurde über den Punkt «Optimierung Kundenorientierung des kantonalen Steueramts» diskutiert.


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