Darum gehts
- GfS-Umfragen zu Abstimmungen können ungenau sein
- Vorlagen-Kombination beeinflusste Abstimmungsverhalten bei Eigenmietwert und E-ID
- E-ID wurde mit nur 50,4 Prozent Ja-Stimmen knapp angenommen
Zu jedem Abstimmungskampf gehören spätestens seit den 1970er-Jahren die Trendumfragen. Besonders etabliert für politische Meinungsforschung hat sich die Gesellschaft für Sozialforschung Bern (GfS). Vor jeder nationalen Abstimmung führt das Institut im Auftrag der SRG drei Trendumfragen durch. Wie am Abstimmungssonntag zu sehen war, können diese aber alles andere als zutreffend sein.
Blicken wir zurück auf die beiden Vorlagen Eigenmietwert und E-ID. Genauer gesagt auf die GfS-Umfragen vor der Abstimmung. In der ersten Welle im August sah es nach einem jeweils deutlichen Ja (58 Prozent) zum Eigenmietwert sowie zur E-ID (60 Prozent) aus.
Bis zur dritten Umfrage sank die Zustimmung zur Eigenmietwert-Vorlage deutlich. Wenn überhaupt wurde vor dem Stichtag nur noch ein knappes Ja erwartet. Bei der E-ID hielten sich die Umfragewerte hingegen konstant zwischen 55 und 60 Prozent Zustimmung.
Ein überraschender Abstimmungskrimi
Doch am Sonntag kam es ganz anders: Der Systemwechsel der Liegenschaftsbesteuerung wurde deutlich angenommen. Und die E-ID stand völlig überraschend auf der Kippe. Für ein Ja an der Urne reichte es nur hauchdünn mit 50,4 Prozent Ja-Anteil. Nils Fiechter (29), Präsident der Jungen SVP, liebäugelte daraufhin im Gespräch mit Blick damit, solche Trendumfragen abzuschaffen.
Der Abstimmungssonntag hat gezeigt: Meinungstrends sind eben keine sicheren Prognosen und alles andere als in Stein gemeisselt. Bis die Wahlbüros schliessen, bleibt offen, welche Personen tatsächlich den Stimmbrief abschicken, wer am Sonntagmorgen noch zur Urne geht – und wer nicht. Oder wer besser mobilisieren kann. Das ist grundsätzlich nichts Neues.
Auch hier lagen die Umfragen falsch
Bereits bei früheren Abstimmungen gab es zwischen den Trends und den Resultaten deutliche Unterschiede. So beispielsweise 2024 bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Die erste Umfrage sah positiv aus für die Befürworter. Bei der Abstimmung dann die Riesenschlappe: 67 Prozent Nein-Stimmen der Bevölkerung.
Wenn auch anders, sorgte die Abstimmung zur Einwanderungsinitiative 2014 genauso für eine Überraschung. Sah es nach der ersten Umfrage nach einem deutlichen Nein aus, kam es schliesslich zu einem hauchdünnen Ja. Natürlich gibt es dazu auch Gegenbeispiele. Eines davon ist die Abstimmung zur Umweltverantwortungs-Initiative diesen Februar. Das GfS ging bei den letzten Umfragen von 70 Prozent Nein-Stimmen aus. Beinahe eine Punktlandung.
Vorlagen-Kombination verantwortlich
Egal ob Überraschung oder nicht, nach jeder Abstimmung folgt vom GfS eine Analyse, wie es zu diesem Ergebnis kommen konnte. Bei dieser Abstimmung habe eine Besonderheit mitgespielt. «Die Vorlage zu den Liegenschaftssteuern mobilisierte vor allem im rechts-konservativen Lager in ländlichen Regionen.» Genau diese Bevölkerungsgruppe steht der Digitalisierung eher skeptisch gegenüber. Die Kombination der Vorlagen auf dem Wahlzettel hatte so das Potenzial, gleichzeitig viele Digitalskeptiker an die Urne zu bringen.
Politologe Lukas Golder kommentierte bei SRF zur E-ID-Vorlage: «Die Gefühle von 2021 – dass der Staat vielleicht ein bisschen zu weit geht und zu viel Einfluss nimmt – sind immer noch weit verbreitet, gerade auf dem Land.»
Wie gross ist der Einfluss dieser Umfragen wirklich?
Bedeutend sind die Umfragen auch, weil sie einen gewissen Einfluss haben können. Dafür verantwortlich sind nicht zuletzt die zahlreichen Medienberichte, welche die drei repräsentativen Trendumfragen aufgreifen. Liest man als Befürworter etwa von einer deutlichen Zustimmung, fühlt man sich eventuell nicht mehr so in der Pflicht, zur Urne zu gehen.
Zudem sind die Ergebnisse solcher Umfragen auch für die jeweiligen Pro- und Kontra-Kampagnen von Bedeutung bei der Abwägung, ob man bisher auf Kurs ist oder noch einen Gang hochschalten müsste.
Und bei diesen Umfragen gibt es eben einige Faktoren, die das Ergebnis verzerren können. Gerade bei der E-ID könnte mitgewirkt haben, dass sich staatskritische Menschen entweder gar nicht oder nicht der tatsächlichen Haltung entsprechend äussern, was das Bild verfälschen kann.