Darum gehts
- SRF spielt Konstantin Weckers Lieder nicht mehr im regulären Radioprogramm
- Umgang mit umstrittenen Künstlern variiert zwischen Ländern und Medien
- Wecker war vor einem Monat noch Gast bei SRF-Talkformat
Sollte man die Kunst vom Künstler trennen? Diese Frage ist mindestens so alt wie die Popkultur selbst – stellt sich aber mit jedem Skandal wieder von neuem. Aktuelles Beispiel: Der Münchner Barde Konstantin Wecker (78), der nach einer gross angelegten Recherche der «Süddeutschen Zeitung» («SZ») eingeräumt hat, im Alter von 63 eine Beziehung zu einer 15-jährigen Schülerin gehabt zu haben. Beispiele von gefallenen Pop-Ikonen gibt es en masse – Michael Jackson (1958–2009), Noir Désir, P. Diddy (56) oder die Lostprophets lassen grüssen.
Auch bei Film und Fernsehen (Roman Polanski, Harvey Weinstein, Kevin Spacey) mangelt es nicht an Negativ-Schlagzeilen. Den Umgang mit den gestürzten Engeln der Unterhaltungsbranche handhaben Radiostationen, Kinos und TV-Sender unterschiedlich. Nachdem 2019 die Doku «Leaving Neverland» zum angeblichen Kindesmissbrauch durch Michael Jackson erschienen war, boykottierten Sender in Australien und Kanada beispielsweise die Musik des «King of Pop».
Was passiert, wenn ein Wecker-Song gewünscht wird?
In der Schweiz geht man mit öffentlicher Ächtung vorsichtiger um – oder zumindest dezenter. Das gilt auch für den aktuellen Fall rund um Konstantin Wecker. Auf Blick-Anfrage heisst es hierzu vonseiten SRF: «Die Lieder von Konstantin Wecker werden seit Jahren nicht mehr im Musikprogramm von Radio SRF 1 eingesetzt.» Aber: «In Wunschkonzert-Sendungen kann es vorkommen, dass ein Song von Konstantin Wecker gewünscht wird.» In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass Wecker noch am 16. Oktober – vor etwas mehr als einem Monat also – prominenter Gast beim Talk-Format «Gredig direkt» war. Damals hatte man wohl aber noch keine Ahnung von der laufenden Recherche der «SZ».
Im TV präsent – auf den SRF-Radiosendern aber nicht mehr; das sei am Leutschenbach gang und gäbe, heisst es. Und: «Radio SRF spielt Songs diverser Künstler nicht mehr im regulären Programm, da diese Songs nicht mehr ins Programm passen oder keine Relevanz mehr für unser Publikum haben. So verhält es sich auch bei Liedern von Konstantin Wecker.» Keine Relevanz für das Publikum?
«Verfolgen entsprechende Diskussionen»
In dieser Hinsicht stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien SRF Kulturschaffenden eine Bühne bieten will, die gerade in der Kritik stehen. Auch hier verweist der Sender wieder auf seine Zuhörer: «Grundsätzlich ist die Wirkung eines Songs auf das Publikum bei solchen Entscheiden zentral: Wir nehmen alle Hörerfeedbacks sehr ernst und verfolgen entsprechende Diskussionen. Daneben beurteilt die SRF-Fachredaktion Musik-Songs und die darin enthaltenen Botschaften.»
Und weiter: «Die teilweise problematischen Handlungen von Künstlern sind natürlich ebenfalls immer wieder Bestandteil von Diskussionen an Redaktionssitzungen.» Da die Musikredaktorinnen und -redaktoren tagtäglich das Musikprogramm anpassten, könne es sein, dass aus Rücksicht auf Hörermeinungen «weniger oder keine Songs dieser Künstler im Programm gespielt werden.» Die Entscheidungen würden «wie immer situativ getroffen».