Der Durchschnitt bestimmt unser Leben. Von Kleidungsstücken über Medikamente bis hin zum Norm-Exkrement basiert alles auf diesem theoretischen Wert. Es gibt das Durchschnittseinkommen, das Durchschnittsalter, der Durchschnittsbenzinverbrauch und den Durchschnittsmenschen. Kaum eine Grösse wurde noch nie gemittelt.
Einer für alle
Das Gute daran: Der Durchschnitt und andere Mittelwerte machen unübersichtliche Datenmengen verständlich. Statt mit allem, muss man sich nur mit dem Repräsentanten auseinandersetzen. Angenommen, man hat einen Datenpool von 20 Milliarden Internetseiten und möchte gerne wissen, wann diese Seiten zuletzt überarbeitet worden sind. Bei einigen Seiten war dies gerade eben, bei anderen vor einigen Jahren. Wie wunderbar verständlich ist dagegen die Information, dass die Durchschnittsinternetseite etwa 58 Tage alt ist. Damit lässt sich etwas anfangen.
Eine grosse Rolle spielen Durchschnitte auch in der Bekleidungsindustrie. Menschen sind in ihren Körpermassen bekanntlich sehr verschieden. Um den diversen Beinlängen, Bäuchen und Brustumfängen möglichst wenige Konfektionsgrössen gegenüberzustellen, die möglichst vielen Menschen gut passen, ist das Konzept des Durchschnitts ideal.
Die meisten sind Durchschnittsmenschen
Der Durchschnitt (auch Arithmetisches Mittel genannt) ist der wohl am besten bekannteste Mittelwert. Dazu werden alle Werte addiert und die Summe durch die Anzahl Werte dividiert. Kosten beispielsweise drei verschiedene Hosen 10, 15 und 20 Franken, beläuft sich der durchschnittliche Hosenpreis auf 15 Franken (45 : 3 =15). Das Arithmetische Mittel hat eine wichtige mathematische Eigenschaft: Es ist so nahe wie möglich an allen Zahlen des Datensatzes und wird in dieser «gesamtheitlichen Nähe» von keiner anderen Zahl übertroffen. Oder anders gesagt: Unter allen möglichen Konkurrenten, die den gesamten Datensatz repräsentieren möchten, ist das Arithmetische Mittel ideal. Politisch gesprochen wäre es der ultimative Kompromisskandidat.
Für den Durchschnittsmenschen (siehe Kasten) heisst das: Fast alle Menschen liegen in Bezug auf fast alle Merkmale nicht allzu weit vom Durchschnittsmenschen entfernt. Oder jedenfalls: Mehr Menschen liegen mit ihren Eigenschaften in der Nähe des Durchschnittsmenschen, als weit von ihm entfernt.
Extremkompression von Informationen
Mittelwertbildung ist eine Extremkompression von Informationen. Obwohl diese Vereinfachung in vielen Fällen wünschenswert ist, birgt sie doch einige Fallen. Ein Beispiel ist die sogenannte «Ausreisser-Empfindlichkeit» des Arithmetischen Mittels. Das Problem: Alle Zahlenwerte bringen sich mit demselben Gewicht ein. Sind Ausreisser vorhanden, verfälschen sie die Aussagekraft des Arithmetischen Mittels als typischen Wert. Angenommen, in einer Gemeinde verdienen neun Haushalte 4000 Franken pro Monat und ein Haushalt 100 000 Franken, führt das errechnete Durchschnittseinkommen von 13 600 Franken in die Irre. Würde sich etwa die ortsansässige Bank an diesem Wert orientieren und Finanzprodukte und Dienste für Kunden mit einem Haushaltseinkommen um die 13 000 Fr. entwickeln, wäre dies wenig sinnvoll. Denn die 13 000-Zahl repräsentiert weder die grosse Gruppe der kleinen Einkommen, noch fühlt sich der Grossverdiener wiedererkannt.