Darum gehts
- Booktok-Trend: Lesen ist im Hype, Bücher werden auf sozialen Medien diskutiert
- Personalisierung, Austausch und Ästhetik prägen die Booktok-Gemeinschaft
- Leipziger Buchmesse verzeichnete Besucherrekord mit 296'000 Buchbegeisterten
Lesen ist bei jungen Menschen wieder voll im Trend. Unter dem Hashtag Booktok finden sich auf Tiktok und Instagram unzählige Beiträge, in denen Bücher vorgestellt, kommentiert und diskutiert werden. Weltweit verzeichnen die Beiträge über 100 Billionen Aufrufe. Und es hört nicht auf.
Dass die Lesebegeisterung der Generation Z dank Booktok nicht nur in der digitalen Welt passiert, zeigen nicht zuletzt die Besucherzahlen der Leipziger Buchmesse. Erstmals musste der Ticket-Verkauf begrenzt werden – der Andrang war riesig. Am Sonntag endete die Buchmesse mit einem Besucherrekord: 296'000 Buchbegeisterte schmökerten in den Neuerscheinungen und Bestsellern oder trafen auf Booktok-Autoren und Content-Creatorinnen.
Was das Phänomen so besonders macht und welche Vielfalt gerade die sozialen Medien bieten, erfährst du im Überblick.
Personalisierung
Durch den spezifischen Algorithmus bietet Tiktok eine starke Personalisierung von Interessen. Fasziniere ich mich beispielsweise besonders für Krimis und interagiere mit den passenden Beiträgen, bekomme ich ähnliche Inhalte schnell wieder angezeigt. Es braucht keine stundenlange Recherche, um weitere Bücher des Lieblingsgenres zu finden. Auch Buchhandlungen haben sich dem Phänomen angepasst und weisen Booktok-Bücher in eigenen Kategorien aus.
Insbesondere unter dem Booktok-Trendgenre New Adult, das junge Erwachsene anspricht, tummeln sich unzählige populäre Werke. So sorgte das Buch «Onyx Storm», der dritten Band der «Empyrean»-Reihe von Autorin Rebecca Yarros (43) bei seiner Erscheinung Ende Januar für riesige Anstürme in Buchhandlungen.
Die Kehrseite der Personalisierung: Besonders zu beliebten, immer wiederkehrenden Handlungsmotiven wird der Algorithmus stetig mit neuen Publikationen überschwemmt. Die Trends begünstigen die Wiederholung der Erzählmuster, wodurch sie zu Klischees werden. Die Folge: Irgendwann schlägt der Algorithmus nur noch die hundertste Version einer «Good Girl trifft Bad Boy»-Geschichte vor, die ein blasser Abklatsch populärer Booktok-Bücher ist. Da hilft der Versuch, den Algorithmus gezielt auf mehr Themenvielfalt zu trainieren.
Austausch und Vernetzung
Die gemeinsame Faszination für das Lesen verbindet. Das Persönliche, das Nahbare, das Kommunizieren auf Augenhöhe – das macht die Vernetzung übers Lesen in den sozialen Medien besonders für junge Menschen so anziehend.
Es sind vor allem die Emotionen beim Lesen von Geschichten, die die «Bookies» auf Booktok verbindet. Sie teilen ihre Gedanken, ihre Lieblingscharaktere oder spinnen Geschichten als sogenannter «Head Canon» weiter, also in einem freien Interpretieren und Ergänzen bestehender Bücherhandlungen und Figurenbeziehungen.
Auch wenn die Booktok-Bestseller-Liste von Büchern aus dem Romance-Bereich angeführt wird, finden sich auf Booktok vielfältige Genres und Interessen für Literatur. Der Austausch kann dabei sehr weitläufig gestaltet werden. So gibt es auch Creatorinnen und Creatoren, die anderen Literaturklassiker nahelegen möchten. Über den Austausch in den sozialen Medien wird versucht, die Höhenkammliteratur etwas von ihrem eher steifen Feuilleton-Image zu befreien.
Gemeinschaftsgefühl
In den sozialen Medien entsteht über Booktok eine Gemeinschaft, in der das Interesse am Lesen Menschen weltweit verbindet. Verbindend ist dabei auch ein eigener Sprachgebrauch. Auf Booktok tragen beliebte sogenannte «Tropes», also wiederkehrende Erzählmuster, unter anderem Namen wie «Enemies to Lovers», bei dem sich verfeindete Protagonisten im Verlauf der Handlung verlieben.
Doch nicht nur auf digitaler Ebene findet die Buchgemeinschaft zusammen. Analoge Buchclubs erfreuen sich grosser Beliebtheit. Zu Hause oder in Cafés treffen sich Lesebegeisterte, um über ein bestimmtes Buch, das alle gemeinsam lesen, zu diskutieren. Das Teilen der Geschichte, der Austausch der Interpretationen erweitert die Leseerfahrung. In Geselligkeit tauscht man sich aus und lernt sich kennen.
Ästhetik und individueller Ausdruck
Ästhetik spielt in der Darstellung auf Booktok eine zentrale Rolle. Besonders beliebt sind spezielle Schmuckausgaben mit verzierten Covern oder eingelegten Figuren-Porträts. Auch Bücher mit Farbschnitt, einem dekorativ illustrierten Seitenrand, erfreuen sich grosser Begeisterung. Sogenannte «Book Nooks», Buchstützen in Diorama-Form, die von Szenerien aus populären Geschichten inspiriert sind, ergänzen die Dekoration im Bücherregal. Es geht auch darum, sein Bücherregal als Spiegel des eigenen Geschmacks zu gestalten und sich darüber selbst zu entfalten.
Aufzupassen gilt es zum Teil bei der Cover-Ästhetik der New-Adult-Romane. Bücher wie «Icebreaker» setzen auf pastellige Töne und romantische Zeichenstile – das kann durchaus auch jüngere Leserinnen im Teenager-Alter anziehen, die eine unschuldige Liebesgeschichte erwarten. Dass in der Geschichte tatsächlich sehr explizite Inhalte zu finden sind, steht nur in einem kleingedruckten Hinweis auf der Rückseite.