Darum gehts
Viele dürften im Lauf der Jahre versucht haben, Nadja «Naddel» Abd el Farrag (†60) aus der Sucht zu holen. Einer von ihnen: Eventveranstalter Reto Hanselmann (43), der ihr laut eigenen Angaben einen Entzug auf Mallorca finanzierte. «Leider hat sie ihn nicht durchgezogen – das hat mich enttäuscht», sagte er – anlässlich des Todes seiner deutschen Kollegin am 9. Mai – gegenüber Blick.
Die Reaktion ist nachvollziehbar – und zeigt, wie schwierig es ist, einem süchtigen Menschen wirklich zu helfen. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
«Wer einer Person nahe ist, kann auffälliges Verhalten eher ansprechen», sagt Suchtberater Heinz Lengacher (62). Schwieriger sei es bei Kolleginnen oder Bekannten – da fehle oft die nötige Nähe.
Trotzdem gibt es Wege, wie man etwas bewirken kann. Sieben Tipps vom Experten:
Spreche nie etwas an, wenn die Person betrunken ist
«Wer weiss, ob sie sich am nächsten Tag noch daran erinnert», sagt Heinz Lengacher. Mal abgesehen davon, dass in angetrunkenem Zustand kein tiefgründiges Gespräch geführt werden könne. Grundsätzlich gilt deshalb: Auf einen nüchternen Moment warten, um jemanden auf sein Verhalten anzusprechen.
Sag niemals «Du trinkst zu viel»
Grundsätzlich gelte es, Wertschätzung gegenüber der betreffenden Person zu zeigen und sie nicht direkt zu kritisieren, sagt Lengacher. Dazu formt man am besten Sätze, die eigene Beobachtungen und Gefühle beschreiben. Zum Beispiel: «Mir ist aufgefallen, dass du immer mehr trinkst als wir alle und ich es ab einem gewissen Punkt nicht mehr interessant finde, mit dir zu sprechen.» Oder: «Ich mache mir Sorgen um dich, weil es mir wichtig ist, dass es dir gut geht.»
Halte keine Monologe
Wichtig ist gemäss Lengacher, dass die betreffende Person im Gespräch so oft wie möglich selbst zu Wort kommt. «Wie erlebst du das?», könne man sie fragen. Und nachhaken: «Habe ich das jetzt gerade richtig verstanden, dass du...?»
Denke nicht, dass es nach einem einzigen Gespräch getan ist
Man müsse einen Gedanken zuerst säen, damit er wachsen könne, sagt Lengacher. Das heisst, dass man immer wieder ein Gespräch anbietet oder Dinge sagt wie: «Das war heute ein bisschen viel, wollen wir uns zu einem anderen Zeitpunkt nochmals darüber unterhalten?» In einem Freundeskreis könne man die Gespräche aufteilen, sodass jeder mal etwas sagt und nicht immer nur einer.
Versuche nicht, mit gutem Beispiel voranzugehen
Im Ausgang zum Beispiel plötzlich gänzlich auf Alkohol zu verzichten, um als gutes Beispiel vorauszugehen, sei nicht hilfreich, sagt Lengacher. «Die Person mit dem vermeintlichen Überkonsum fühlt sich wahrscheinlich unter Druck gesetzt.» Besser, man geht subtiler vor und gibt sich Mühe, zwischen Bier, Wein und Cocktails auch mal etwas Nichtalkoholisches zu bestellen. Oder man sagt, dass man später noch fahrtüchtig sein muss. Lengacher: «Die Auto-Begründung funktioniert immer.»
Warte nicht zu lange ab
Je früher man Konsumverhalten anspreche, desto grösser sind die Chancen, dass der Betroffene es ändern kann, sagt Lengacher. Darauf zu warten, bis ein Betroffener sich selbst Hilfe holt, sei deshalb keine gute Idee. «Wenn jemand auf Anraten eines Freundes in eine Beratung kommt, stehen seine Chancen nicht schlechter.»
Die Stiftung «Berner Gesundheit» bietet im Auftrag des Kantons Suchtberatungen an. Das Angebot wird rege genutzt. Oft sind es Partnerinnen oder Partner, Angehörige oder Menschen aus dem Umfeld, die bei auffälligem Verhalten den ersten Anstoss geben und auf die Beratungsstelle hinweisen.
Die Stiftung «Berner Gesundheit» bietet im Auftrag des Kantons Suchtberatungen an. Das Angebot wird rege genutzt. Oft sind es Partnerinnen oder Partner, Angehörige oder Menschen aus dem Umfeld, die bei auffälligem Verhalten den ersten Anstoss geben und auf die Beratungsstelle hinweisen.
Beachte deine eigenen Grenzen
Wenn man merke, dass sich die Situation nicht bessert, sagt Lengacher, müsse man verhindern, zu sehr von ihr hinuntergezogen zu werden. Vor allem, wenn das Gegenüber mich regelmässig belügt, um seine Sucht zu vertuschen. Spätestens dann müsse man dem Betroffenen empfehlen, sich professionelle Hilfe zu holen. Lengacher: «Irgendwann kommt vielleicht auch der Moment, in dem man eine Freundschaft kündigen oder zumindest infrage stellen muss, um sich selbst zu schützen.»