Sind Sie frühjahrsmüde oder müde überhaupt? Nehmen Sie sich nicht Donald Trump zum Vorbild, nicht Barack Obama oder Ueli Maurer, auch nicht Ex-Swiss-CEO André Dosé und nicht Angela Merkel. Sie alle tragen ihre Schlafenszeit von zwei bis sechs Stunden vor sich her wie eine Trophäe: Seht her, was für ein Schaffer ich bin, unermüdlich am Schaffen, nie am Schlafen, keine Schlafmütze ich, keine Schlafmütze!
Aber diese Koppelung von Produktivität an wenig Schlaf hat heute eingeschränkte Überzeugungskraft. Der nimmermüde Erfolgsmensch liegt als gähnende Reliquie da, den Mund sperrangelweit offen, die Augen geschlossen, gerädert, unglaubwürdig.
Bonus fürs Schlafen
Akute Trendmacher proklamieren das Gegenteil. Sie rufen einen ausdauernden Schlaf zum Massstab für Erfolg aus, entdecken ihn gar als Kunst, die es zu kultivieren gelte. «Schlaf ist das neue Statussymbol», titelte die «New York Times» und zitierte Amazon-Gründer Jeff Bezos. Der sei früher neben dem Computer eingeschlafen, heute aber sage er, täglich acht Stunden Schlaf seien gut für seine Aktionäre. Und die Versicherungsfirma Aetna verspricht ihren Angestellten sogar einen Bonus, wenn sie nachweislich an zwanzig aufeinanderfolgenden Tagen sieben Stunden und mehr schlafen.
Ein guter Schlaf wird zur Notwendigkeit erklärt, zur Goldreserve für die Steigerung unserer Performance: Schlaf stärke unsere Strahlkraft und das Immunsystem, die Gedächtnisleistung und Aufnahmefähigkeit. Er sei ein Schutzschild gegen Krebs, Diabetes, Depressionen und Fettleibigkeit.
Schlafen wir uns frei!
Und wenn früher Matratzenverkäufer und Pharmaindustrie versprachen, unseren Schlaf zu perfektionieren, so bemühen jetzt auch Hightech-Esoteriker ihre verkaufstreibende Fantasie: «Optimieren Sie Ihren Schlaf mit Sleepio, dem Online-Coach!» – «Sense misst die Qualität Ihrer Schlafzimmerluft!» – «Schalten Sie gewinnbringend ab mit Dreems Klangstimulationen!»
Doch wenigstens im Schlaf sollten wir niemandem dienen müssen. Nicht der Wirtschaft und nicht mal unserer Gesundheit. Schlafen wir uns frei! Schlafen wir aus Müdigkeit oder wenn wir die Schnauze voll haben, oder am besten: einfach so. Träumen wir. Von Ähren. Im Blütenschimmer wiegen Ähren, die Ähren wiegen sachte, alles gut, alles wird gut.
Ursula von Arx (51) stellt morgens den Wecker immer auf viertel nach sechs, obwohl sie erst um halb sieben aufstehen muss. Auf die fünfzehn Minuten im wolkigen Halbschlummer freut sie sich die ganze Nacht. Sie schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.