Binationale Ehen – wie der Schweizer Dominic und die Japanerin Yumiko ihre kulturellen Unterschiede im Alltag leben
«Dass sich hier Paare vor der ganzen Familie küssen, finde ich krass»

Rund ein Drittel der Ehen, die in der Schweiz geschlossen werden, sind binational. Laut Studien liegt das Scheidungsrisiko höher, wenn die Ehepartner aus verschiedenen Kulturen stammen. Yumiko und Dominic Junghänel kennen die Kulturcrashes. Und wissen damit umzugehen.
Publiziert: 16:21 Uhr
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Aktualisiert: 16:25 Uhr
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Die Junghänels daheim in Dübendorf. Die Kinder Mirai und Laina wurden beide in Tokio geboren.
Foto: Siggi Bucher

Darum gehts

  • Wie der Schweizer Dominic und die Japanerin Yumiko ihre kulturellen Unterschiede im Alltag leben
  • Warum sie wegen der Kinder in die Schweiz gezogen sind
  • Was Paarberater Martin Bachmann binationalen Paaren rät
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Maja ZivadinovicFreie Journalistin Service-Team

Wer bei Junghänel klingelt, muss die Schuhe ausziehen. Wer sie anbehält, wird freundlich zurechtgewiesen. Und zwar von Dominic Junghänel. Nicht weil es den 46-Jährigen besonders stört, wenn Gäste mit Strassenschuhen die 4½-Zimmerwohnung in Dübendorf ZH betreten, die er mit seiner Frau Yumiko und den Kindern Mirai (12) und Laina (8) bewohnt. Vielmehr ist es Yumiko, die sich aufregt. «In Japan würde nie jemand auf die Idee kommen, Wohnräume in Schuhen zu betreten», sagt die Büroangestellte. Selber bittet die 48-Jährige den Besuch aber nicht, die Schuhe auszuziehen. Das ist Yumiko unangenehm. «Ein kulturelles Ding.» 

Durch die Augen der japanischen Verwandtschaft gesehen, hat der Schweizer Dominic ganz allgemein ungewöhnlich wenige Berührungsängste. «Wenn wir in Japan bei meiner Familie sind, bewegt sich Dominic ganz frei. Hat er Durst, geht er in die Küche und holt sich ein Glas Wasser.» Für Schweizer ein normales Verhalten. Für Japaner gar nicht. «Mein Schwager, der seit 20 Jahren mit meiner Schwester verheiratet ist, würde sich das nie trauen», sagt Yumiko. Ob es ihre Eltern stört, dass Dominic anders ist? «So konkret sagen sie es nicht. Aber manchmal ist es nicht ganz einfach, zu verstehen, was die Eltern meinen. Direkte Kommunikation ist bei Japanern selten.» 

Etwas Exotisches studieren

Vielleicht ist Yumiko gerade deswegen so gerne mit Dominic zusammen. «Du sagst, was du denkst, was du fühlst und was du willst. Das schätze ich.» Am Anfang ihrer Beziehung sei das allerdings anders gewesen. «Ich dachte immer, Dominic muss spüren, was ich will und was ich mir wünsche.» Mit den Jahren hat Yumiko verstanden, dass Europäer anders ticken. Und dass es praktisch ist, wenn man klar schwatzen kann. 

Dominic wächst als Sohn eines deutsch-schweizerischen Vaters und einer italienisch-schweizerischen Mutter in Dübendorf bei Zürich auf. Im Alter von 21 Jahren entscheidet er sich, Japanologie zu studieren. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er weder das Land noch den Kontinent Asien bereist. «Ich wollte etwas Exotisches und fand die Sprache und die Schrift cool.»

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Yumiko und Dominic Junghänel sind seit 2005 ein Paar.
Foto: Siggi Bucher

2005 reist er für sechs Monate nach Aichi in Japan, wo er an der Weltausstellung im Schweizer Pavillon arbeitet. Hier lernt er Yumiko, die Germanistikstudentin kennen, die 1999 als Austauschstudentin ein Jahr in Zürich verbrachte. Die beiden wohnen im gleichen Haus, in verschiedenen WGs. Oft haben sie am gleichen Tag frei und machen Ausflüge. «Es ging schnell, bis wir ein Paar wurden.» 

Die ersten zwei Jahre fliegt das Paar hin und her. Ist Dominic bei Yumiko im Elternhaus zu Gast, dürfen die beiden nicht im gleichen Zimmer schlafen. Das, obwohl sie damals schon fast 30 Jahre alt sind. «Andere Länder, andere Sitten», erklärt Dominic und lacht. Einmal kommt Yumiko für eine Saison nach Zermatt. 2007 heiraten die beiden. «Anders hätte ich hier nicht arbeiten können», erklärt Yumiko. 2008 folgt das grosse Fest in Japan. Bis 2010 leben die beiden in der Schweiz. 

Dann bekommt Dominic eine Stelle in Tokio. «Im ersten Moment habe ich leer geschluckt», sagt der heute selbständige Karrierecoach. «Yumikos überbordende Freude hat mich dann zusätzlich unter Druck gesetzt.» Gefühle, die Paartherapeut Martin Bachmann gut nachvollziehen kann: «Wer für die Partnerin oder den Partner ins Ausland zieht, hat dort oft keine Freunde und ist der Sprache nicht mächtig. Was am Anfang romantisch und abenteuerlich ist, kann im Alltag ein grosses Ungleichgewicht in die Beziehung bringen.» 

Der Umzug nach Tokio ist allerdings nicht nur für Dominic ein Neuanfang, sondern auch für Yumiko, die aus dem gut 500 Kilometer entfernten Osaka stammt. Während Dominic 100 Prozent arbeitet, hält sich Yumiko mit temporären Einsätzen über Wasser. Dazwischen besucht sie ihre Familie. Die beiden leben sich schnell ein, bauen sich eigenständige Freundeskreise auf, später auch einen gemeinsamen. 

2013 kommt ihr Sohn Mirai zur Welt. Ein Schreibaby, das seine Eltern ans Limit bringt. Yumikos Mutter reist für die ersten Wochen nach Tokio, um ihre Tochter und den Schwiegersohn zu unterstützen. Ein grosses kulturelles Zugeständnis, denn gemäss der japanischen Kultur hätte Yumiko die ersten Monate als Mutter in ihrem Elternhaus in Osaka verbracht, Dominic hätte seine Familie nur am Wochenende zu Gesicht bekommen. 

Dübendorf fühlte sich wie ein Rückschritt an

2017 kommt Tochter Laina zur Welt. 2020, zu Mirais Einschulung, wollen die Junghänels zurück in die Schweiz. Dies war Dominics Bedingung für das Projekt Familie, das er bereits vor Yumikos erster Schwangerschaft kommuniziert hat. Corona macht der Familie erst mal einen Strich durch die Rechnung. Im Sommer 2021 zieht die vierköpfige Familie dann aber zurück nach Dübendorf. Mirai kommt in die 2. Klasse. Sein Deutsch ist gebrochen. Nach drei Monaten hat sich der Bub aber so gut eingelebt, dass es sowohl mit der Sprache als auch mit dem Anschluss klappt. Und auch die kleine Laina kommt schnell in ihrer zweiten Heimat an. 

Am meisten Mühe hat – Dominic! «Von der Grossstadt zurück in mein Heimatdorf, das fühlte sich anfangs wie ein Rückschritt an.» Seither sind vier Jahre vergangen. Wie geht es der Familie heute? «Super», sagen sie unisono. «Das Schöne an einer binationalen Beziehung ist, dass du immer zwei Heimaten hast.» Dabei wird es immer Dinge geben, die den einen an der Kultur der anderen irritieren und umgekehrt. «Der Humor der Japaner erschliesst sich mir nicht. Den finde ich zu übertrieben, zu laut», sagt Dominic. Und wo stösst Yumiko an ihre Grenzen? «Dass sich hier Paare nach dem Zuprosten vor der ganzen Familie küssen, finde ich krass. Das ist mir heute noch unangenehm!»

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