Wieso tun Tech-Giganten nichts?
So verdienen Facebook & Co. an Fake-Ads

Fake-Werbung mit Schweizer Promis überschwemmen immer wieder soziale Medien. Dahinter steckt eine perfide Betrugsmasche. Die grossen Tech-Plattformen verdienen mit.
Publiziert: 11.06.2025 um 19:48 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2025 um 18:39 Uhr
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Achtung, Betrug: Instagram-Werbung mit Fake-Blick-Website und Beatrice Müller. So läuft die Abzock-Masche an.
Foto: Blick

Darum gehts

  • Betrüger nutzen Promi-Geschichten und Medien-Logos für dubiose Investment-Seiten
  • Dubioses und kriminelles Netzwerk steckt hinter falschen Investment-Plattformen
  • Google entfernte 2024 weltweit 5,1 Milliarden Anzeigen und sperrte 39,2 Millionen Werbekonten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias BolzernRedaktor Digital

Seit Jahren fallen Schweizer auf raffinierte Betrugsanzeigen herein. Die Masche: Kriminelle nutzen das Blick- oder andere Medien-Logos und erfundene Promi-Geschichten, um Leser auf dubiose Investment-Seiten zu locken. Thomas W.* verlor 25'000 Franken, Robert N.* 32'000 Franken.

Wie Blick am Mittwoch berichtete, hat der Ringer-Verlag Klage bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Im Visier: Die Betrüger – aber auch die grossen Werbenetzwerke wie Facebook, Google & Co., die sich zum Handlanger der Ganoven machen und die betrügerischen Anzeigen im Netz verbreiten.

Wie SRF aufdeckte, steckt hinter den falschen Investment-Plattformen ein ganzes Netzwerk mit Zentrale in Zypern. Plattformen wie InvesaCapital, OBRInvest oder ForexTB sind nahezu identisch aufgebaut – gleiche Designs, gleiche Textbausteine. Allein in der Schweiz verloren Opfer letztes Jahr 142,6 Millionen Franken an solche Plattformen.

«Koordinierte Operation»

Das Ausmass zeigt eine Analyse der Facebook Ad-Library. Diese Werbe-Bibliothek dokumentiert alle geschalteten Anzeigen, ihre Reichweite und Finanzierung. So wird sichtbar: Dieselben Betrüger-Netzwerke agieren europaweit mit identischen Methoden, nur die Prominenten wechseln je nach Zielland. «Es handelt sich um eine koordinierte, internationale Operation, die gezielt verschiedene Länder mit lokalen VIPs angreift», erklärt IT-Sicherheitsexperte Ivano Somaini, der 2024 die Ad-Library von Meta analysiert hat.

IT-Sicherheitsexperte Imano Somaini.
Foto: LUCAS ZIEGLER

Er erklärt die Tricks, die die Kriminellen nutzen: «Sie laden grosse Bilder mit harmlosen Inhalten hoch, verstecken aber die betrügerische Werbung in einem kleinen Bereich», so Somaini. Der Algorithmus der solche Betrüge erkennen sollte, analysiert das Gesamtbild und stuft es als harmlos ein, während Nutzern nur der betrügerische Ausschnitt gezeigt wird. Das ist einer der Tricks, den Betrüger im letzten Jahr genutzt haben. Besonders frech: Betrüger kapern auch echte Social-Media-Konten von Sportlern und Prominenten mit grossen Follower-Zahlen, um Werbung zu schalten.

Das verrückte: Die Werbeplattformen liefern Kriminellen präzise Analysen, um Opfer ins Visier zu nehmen. «Sie stellen dir fast einen Service zur Verfügung, wenn du in der Schweiz zwischen 30 und 35 Jahre alt bist», erklärt Somaini.

So läuft die Abzocke ab

Fake-Werbung mit Prominenten leiten auf gefälschte Artikel weiter, die echten Schweizer Medienberichten täuschend ähneln. Über diese Artikel locken Betrüger Opfer auf Investment-Plattformen mit unrealistischen Gewinnversprechen. Nach der Anmeldung fordern sie sofort eine Einzahlung. Das perfide System: Anfangs zeigen die Plattformen scheinbare Gewinne an – nur auszahlen lassen sich diese nicht. Die Opfer glauben, an der Börse zu investieren, tätigen aber Finanzwetten ohne Gewinnchance. Aggressive Broker setzen die Betrogenen mit manipulativen Anrufen unter Druck und fordern weitere Einzahlungen. Was hinter den Kulissen geschieht, bleibt undurchsichtig. Das einbezahlte Geld endet im Totalverlust.

Robert N. verlor viel Geld an die Betrüger.
Linda Käsbohrer

Fake-Werbung mit Prominenten leiten auf gefälschte Artikel weiter, die echten Schweizer Medienberichten täuschend ähneln. Über diese Artikel locken Betrüger Opfer auf Investment-Plattformen mit unrealistischen Gewinnversprechen. Nach der Anmeldung fordern sie sofort eine Einzahlung. Das perfide System: Anfangs zeigen die Plattformen scheinbare Gewinne an – nur auszahlen lassen sich diese nicht. Die Opfer glauben, an der Börse zu investieren, tätigen aber Finanzwetten ohne Gewinnchance. Aggressive Broker setzen die Betrogenen mit manipulativen Anrufen unter Druck und fordern weitere Einzahlungen. Was hinter den Kulissen geschieht, bleibt undurchsichtig. Das einbezahlte Geld endet im Totalverlust.

Anbieter kassieren mit

Google und Meta kassieren dabei mit. Jeder Klick auf eine Anzeige bei Instagram, Facebook, Youtube oder der Google-Suche, bringt den Konzernen Werbeerlöse. Google entfernte 2024 laut eigenen Angaben weltweit 5,1 Milliarden Anzeigen und sperrte 39,2 Millionen Werbekonten. Bei den beschriebenen sogenannten «Public-Figure-Betrugsanzeigen» verzeichnete der Konzern einen 90-Prozent-Rückgang der Nutzermeldungen. Allein bei Public-Figure-Betrugsanzeigen habe man 2024 über 700'000 Werbekonten dauerhaft gesperrt. Google verweist dabei auf seine Investitionen in KI-basierte Erkennung: Die neuen Modelle würden Bedrohungen schneller erkennen, so seien die meisten der gesperrten Konten bereits vor der ersten Anzeigenschaltung blockiert worden.

Während Google detaillierte Zahlen lieferte, blieb eine Stellungnahme von Meta aus. Die Redaktion hat das Unternehmen im April 2024, im Juli 2024 und zuletzt im Mai 2025 um eine Antwort gebeten. Blick wollte wissen: Was macht Meta, um Nutzerinnen und Nutzer zu schützen? Warum können Betrüger einfach so Medien-Logos verwenden? Weshalb dauert die Entfernung gemeldeter Fake-Ads oft tagelang? Wie viel verdient Meta an betrügerischen Anzeigen? Die Antwort? Schweigen. Meta nahm trotz mehrfach angebotener Gelegenheit keine Stellung, verdient aber weiterhin an der Werbung.

«Wohl keine Priorität»

Meta hat aber ebenfalls Massnahmen gegen Promi-Betrugsanzeigen eingeführt. Der Konzern testet seit 2024 Gesichtserkennungs-Technologie, die verdächtige Anzeigen mit Profilbildern von Promis vergleicht. Der Test läuft mit rund 50'000 Personen des öffentlichen Lebens.

Doch wie kann es überhaupt sein, dass Milliardenkonzerne mit modernster KI die Tricks der Betrüger nicht durchschauen? Somaini glaubt nicht, dass Meta technisch unfähig ist, den Betrug zu stoppen: «Seit Jahren haben sie die besten Entwickler und hellsten Köpfe der Welt und können diese Tricks nicht erkennen? Das glaube ich nicht. Wahrscheinlich hatte das Thema für sie nicht die Priorität, die man sich aus Sicht eines Nutzers gewünscht hätte», sagt er.

Gerne hätten wir auch ein Statement von Meta bzw. Facebook in diesen Artikel geschrieben, der Konzern hat aber nicht auf Anfragen von Blick reagiert.

Bist du schon Betrügern auf den Leim gegangen?
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