Darum gehts
- IV-Revision: Integrationsleistung statt Rente für junge Versicherte geplant
- Kontroverse Diskussion über Unterstützung für psychisch Kranke und Missbrauch
- 2023: 12'000 Jugendliche meldeten sich bei IV, 2800 erhielten Rente
Die finanzielle Lage der IV verschärft sich, vor allem wegen der stark gestiegenen Zahl neuer Rentenfälle. Während 2013 auf 1000 Erwerbsfähige noch 2,6 Neurentner kamen, waren es letztes Jahr bereits 3,7. Besonders häufig betroffen sind Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie machen mittlerweile über die Hälfte aller Neurenten aus, bei jungen Erwachsenen sogar fast zwei Drittel. 2023 meldeten sich rund 12'000 Jugendliche und junge Erwachsene bei der IV, 2800 erhielten eine Rente.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61) will hier mit ihrer neuen IV-Revision ansetzen, mit einem besonderen Augenmerk auf junge Versicherte. Statt einer IV-Rente steht eine «Integrationsleistung» zur Diskussion. Dies, um zu verhindern, dass junge Versicherte früh in die Rente abrutschen. Junge Menschen, die eine behandelbare Diagnose erhalten, könnten einen neuen Status bekommen. Vorgesehen ist dabei eine zeitlich begrenzte Unterstützung, die möglicherweise geringer ausfällt als eine reguläre IV-Rente.
Leser fordern härteres Durchgreifen
In der Kommentarspalte sorgt der Vorschlag für Gesprächsstoff. Leserin Karin Sutter berichtet, sie sei vor zwei Monaten in einer psychiatrischen Einrichtung gewesen. Dort habe sie viele Menschen mit psychischen Problemen kennengelernt. «Wir waren ganz normale Kranke in einer schwierigen Phase», schreibt sie. Auffallend sei gewesen, dass viele seit Jahren arbeitslos waren und vom Staat lebten. «Einige sind um die Welt gereist, um ihren Hobbys nachzugehen», wundert sie sich – mehrheitlich waren dies junge Leute. Sie selbst habe früher starke psychische Probleme gehabt, betont sie, «aber das hat mich nie davon abgehalten, meine Brötchen selbst zu verdienen.» Ihr Fazit: «Man sollte die jungen Leute nicht zu sehr unterstützen!»
Auch Leser Jürg Wüthrich macht seinem Ärger Luft: «Hört doch endlich mal auf, Scheinivalide zu bezahlen!» Er berichtet von einem Zügelhelfer, der wegen einer gebrochenen Hand und Sprachproblemen vom IV-Gutachter als «nicht integrierbar» eingestuft wurde und eine IV-Rente erhielt, weil eine Umschulung angeblich nicht möglich sei. «So was läuft über meinen Arbeitstisch! Aber einer, der bei der Geburt mit der Saugglocke zu heftig rausgezogen wurde und seit Geburt geschädigt ist, wird nicht unterstützt. Er hätte ja eine Lehre machen können - mit Gehbehinderung, schrägem Oberkörper und Atemproblemen.»
Auch Leser Reto Vonäsch findet, dass die Unterstützung häufig bei den Falschen landet. Hier müsse dringend differenzierter geprüft werden. «Ich kenne einen Millionär, der IV bezieht. Nach Gesetz ist es so, dass man auch mit einer hohen Beerbung regelmässig die monatliche IV erhält!», beschwert sich der Leser.
«Die IV-Rente ist jetzt bereits gering»
Doch neben den vielen Kritikern melden sich auch andere Stimmen zu Wort. Leserin Eveline Blatter betont: «Auch psychische Krankheiten können echte, ernstzunehmende Leiden sein. Wer nie selbst betroffen war, kann kaum nachvollziehen, wie stark eine Depression, Angststörung oder ein Trauma das Leben einschränken können. Natürlich gibt es immer wieder einzelne Fälle, die fragwürdig erscheinen. Aber die wenigen schwarzen Schafe dürfen nicht dazu führen, dass man pauschal allen die Glaubwürdigkeit abspricht.»
Auch Leser Thomas Kopp ärgert sich: «Glauben Sie wirklich, es macht Spass, von morgens bis abends zu Hause zu sitzen und zu verblöden? Wir können gerne tauschen. Geht man an ein Vorstellungsgespräch und sagt, dass man eine IV-Rente hat, ist man out. Warum? Weil wir nach eurer Ansicht faule Hunde sind, die nicht arbeiten und das Leben geniessen wollen. Es gibt auch Leute, die nicht das Glück hatten, gesund auf die Welt zu kommen. Würden auch wir akzeptiert werden, wäre der grösste Teil der Renten gar nicht nötig!»
Leserin Michaela Furrer bringt ihre Sichtweise ebenfalls ein: «Die IV-Rente ist jetzt bereits gering pro Person. Wenn es weniger IV-Rente gibt, dann fallen die Kosten auf die Ergänzungsleistungen. Ausser einer Geldumverteilung sehe ich hier keinen Unterschied!» Was sie allerdings für sinnvoll hält: «Eine jährliche und faire Prüfung bei psychischen Erkrankungen. Man sollte schauen, ob der Betroffene noch Anspruch auf die Rente hat oder ob er eventuell durch psychologische Betreuung wieder genesen ist.»