Darum gehts
Markus Widmer (48) hat sich an den Gefängnisalltag in Paraguay gewöhnt. Um 7 Uhr aufstehen, dann Kontrolle im Gemeinschaftsbereich. Die Wächter zählen nach, ob noch alle Häftlinge da sind. Danach warten, herumsitzen, Essen und Trinken beschaffen. «Die Versorgung ist miserabel», sagt er. «Aber wer Geld hat, kommt einigermassen durch.»
Widmer hat sich bei Blick gemeldet, weil er Hilfe braucht. Er ist Schweizer, IV-Rentner und sitzt seit Mitte März in Untersuchungshaft. Das Gefängnis befindet sich in Ciudad del Este, der zweitgrössten Stadt Paraguays. Widmer lebt seit langem in Südamerika, heiratete eine Paraguayerin und hat mit ihr eine Tochter (8). Im Jahr, in dem die Tochter zur Welt kam, ging die Ehe jedoch in die Brüche. «Seitdem schwärzt mich meine Ex ständig bei der Polizei an», erklärt er.
Vorwürfe von Ex
Etwa drei Jahre nach der Trennung sei er deshalb erstmals verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden. Der Vorwurf: häusliche Gewalt. «Dabei habe ich meine Ex seit Ende 2018 nie mehr gesehen», beteuert Widmer. 2022 sei er schliesslich freigesprochen worden.
Anfang 2023 zog er nach Brasilien. Kontakt zu seiner Tochter hat er nicht. Die Schweiz zahlt ihm monatlich Invalidenrente. «Ich habe Herz- und Lungenprobleme», erklärt Widmer.
Im März dieses Jahres will er Freunde in Paraguay besuchen. An der Grenze wird er festgenommen. Widmer ist baff: «Offenbar läuft in Paraguay schon wieder eine Anzeige meiner Ex gegen mich. Ich soll ihren Fernseher kaputtgemacht haben. Dabei haben wir seit Jahren keinen Kontakt!» Ob Widmers Ausführungen bezüglich der Vorwürfe wahr sind, kann Blick nicht überprüfen.
Eigenes Zimmer und Bad
Man schickt ihn ins regionale Gefängnis in Ciudad del Este. «Die erste Nacht verbrachte ich im normalen Trakt», so der Schweizer. «Dort schlafen Hunderte Häftlinge auf dem Boden, ohne Matratze.» Er habe gar nicht schlafen können. «Zweimal wurde ich mit einem Messer bedroht», erzählt Widmer. Für rund 125 Dollar wöchentlich habe er schliesslich in einen privaten Trakt wechseln können. «Dort ging es mir nicht schlecht», sagt er.
Er bekam ein eigenes Zimmer mit Bett und separatem Bad, durfte sein Handy benutzen. In den Gemeinschaftsräumen verkaufen andere Häftlinge Essen und Getränke. «Wer kann, kauft sich etwas, denn die abgegebenen Mahlzeiten sind schlecht, die Portionen zu klein, und es gibt nur Chlorwasser zum Trinken», so Widmer. Die bessere Versorgung kostet ihn zusätzlich etwa 60 Franken wöchentlich.
Keine IV mehr
Doch seine finanzielle Lage spitze sich zu. Seit der Verhaftung zahle ihm die IV keine Rente mehr aus. «Obwohl ich nicht verurteilt bin!», ärgert sich Widmer. Das Gesuch seines Anwalts an die Behörden in Paraguay, ihn in Hausarrest zu versetzen, wurde abgeschmettert.
Den privaten Trakt kann er sich inzwischen nicht mehr leisten. Deshalb wurde er in eine Sechser-Zelle verlegt: Stockbetten aus Metall, es ist eng und dunkel. «Zum Glück dürfen wir tagsüber auf den Vorplatz», sagt er. Auch sein Handy dürfe er noch benutzen. Von den Schweizer Behörden ist er enttäuscht: «Man lässt mich hier einfach verrotten.»
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigt auf Anfrage von Blick, Kenntnis von dem Fall zu haben. Die Schweizer Botschaft unterstütze Widmer im Rahmen konsularischen Schutzes, teilt die Behörde mit.
Gemäss Schweizer Gesetzgebung darf einem IV-Bezüger die Rente während der Untersuchungshaft sistiert werden – einfach erst nach drei Monaten. Markus Widmer sitzt bereits seit über fünf Monaten hinter Gitter. Die Untersuchung zu seinem Fall läuft noch. Er appelliert an die Schweizer Behörden: «Ich brauche meine Rente, um hier durchzukommen!»