Darum gehts
- Fibromyalgie-Patientin wird IV-Rente verweigert, Fall sorgt für Diskussionen
- IV-Gutachter begründet Ablehnung mit gepflegtem Erscheinen der Betroffenen
- Fibromyalgie betrifft 1 bis 5 Prozent der Bevölkerung, ist unheilbar
Natalie Schmid (53) ist am Ende. Sie leidet unter Fibromyalgie – eine Schmerz- und Reizüberempfindlichkeit, kurz «Muskelfaserschmerz». Obwohl ihre Krankheit sie teils vollkommen lahmlegen kann, wird ihr die IV-Rente verweigert. Die Begründung des IV-Gutachters scheint willkürlich. Die Mutter von drei Kindern sei «zu gepflegt» und «positiv» aufgetreten.
Fibromyalgie ist eine unheilbare, lebenslange Erkrankung, die eins bis fünf Prozent der Bevölkerung trifft. Sie ist weitgehend anerkannt, aber nicht mess- oder sichtbar. Auch bei der zweiten Evaluation sah die IV bei der Natalie Schmid keinen Grund, die Entscheidung zu revidieren. Die Frau sieht sich in einer aussichtslosen Lage, zumal ihr Mann auch noch an einem Burnout leidet. Der Fall sorgt nicht nur bei Experten für hitzige Diskussionen, sondern auch in unseren Kommentaren. Die Meinungen sind gespalten.
«Der Entscheid ist meist gerechtfertigt»
Einige Stimmen äussern Kritik an der Situation. Ryan Kand betont, wie wichtig fachlich fundierte und gut dokumentierte Arztberichte seien: «Persönliches interessiert die IV gar nicht. Wichtig sind fachlich und sachlich kompetent geschriebene Arztberichte eines überweisenden Arztes. Niemals ohne handfeste Akten selbst an die IV gelangen.»
Andere gehen mit der Erwartungshaltung an die IV ins Gericht. So Jonas Stones: «Zuerst ist die IV zu lasch und jetzt zu streng? Jeder muss durch dieses Verfahren. Der Entscheid ist bei jedem meist gerechtfertigt.» Rudolf Tresch meint: «Man darf nicht vergessen, dass die IV von vielen lange Zeit aufs Schändlichste ausgenutzt und bestohlen wurde. Ich selbst kenne mehrere derartige Fälle. Die Leidtragenden sind jetzt die echten Invaliden.»
Markus Bachmann ist der Meinung, die Unterstützung von allen an Fibromyalgie Erkrankten sei für die IV kaum möglich. «Wie soll man das finanzieren, wenn fünf Prozent der Bevölkerung diese Krankheit haben?», fragt er sich und meint: «Es geht einfach nicht, dass diese alle eine volle IV beziehen. Irgendeine Arbeit wird man schon machen können, notfalls halt mit Schmerzmitteln.»
«Die Bürger leiden lassen, macht der IV wohl Spass»
Die andere Seite hat nichts ausser Kritik für die IV als Organisation übrig. Süleyman Kovanci äussert sich: «Dieser Fall ist ein Armutszeugnis für den Schweizer Sozialstaat. Die Bürger leiden lassen, macht der IV wohl Spass. Einfach unerträglich sowas.» Regula Pellegrini ist der Meinung, die IV habe im Vergleich zu Experten zu viel Macht: «Der IV-Begutachter hat alles in der Hand. Leider lässt er sich von guten Schauspielern oft blenden.»
Nicole Lighty findet die Situation mehr als willkürlich: «Die einen bekommen zügig eine IV, ohne dass sie durch die ganze Mühle müsse, bei andern dreht man an der Schraube, bis sich das Problem von alleine löst. Was soll das?» Michael Rahm findet die Behandlung von Natalie Schmid auch mehr als unpassend: «Also darf sich eine IV-Rentnerin nicht pflegen, schminken oder ihre Nägel machen. Sie müsste also ungepflegt aussehen? Was beurteilt hier die IV? Die Krankheit oder das Aussehen?» Solche Gutachter gehören seiner Meinung nach schlichtweg entlassen.
Tina Baumann sieht den Aufbau des IV-Prozesses ebenfalls zynisch: «Das Ganze hat System. Man braucht als Schweizer gute psychische Abwehrkräfte und einen Anwalt, sonst klappt das nie mit einer IV-Rente.» Und Daniel Schmutz fragt sich, ob es die IV bei all den Umständen überhaupt geben sollte: «Man müsste sich mal fragen, wozu wir eine IV brauchen. Wir finanzieren sie, damit sie uns dann, wenn sie wirklich gebraucht würde, ablehnt. Da würde ich lieber gleich meinen IV-Beitrag streichen und das Ding abschaffen.»