Eure Meinung zum EU-Deal
«Mit dieser Unterwerfung werden wir zur Milchkuh»

Laut einer aktuellen Umfrage unterstützen 61 Prozent der Stimmberechtigten das neue Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Viele Leserinnen und Leser diskutieren engagiert: Ist der Deal eine Chance oder ein Risiko?
Publiziert: 11:55 Uhr
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Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (r.) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – hier am WEF in Davos – dürfen auf ein Ja zum EU-Deal hoffen.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Umfrage zeigt Zustimmung für EU-Abkommen
  • Trump-Politik als möglicher Grund
  • Leserschaft gespalten: Befürworter betonen wirtschaftliche Vorteile, Kritiker warnen vor Rechtsübernahme
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sarah RiberzaniCommunity Editor

Das wirtschaftliche Kräftemessen mit den unberechenbaren USA zeigt nun Auswirkungen in einem ganz anderen Bereich: Trumps Zollpolitik verleiht dem EU-Abkommen neuen Antrieb. Das geht aus einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts GFS Bern im Auftrag von Interpharma unter rund 1000 Stimmberechtigten hervor.

«Die Entwicklungen rund um die USA verstärkt offenbar die wohlwollende Beurteilung der bisherigen bilateralen Verträge», erklärt Studienautor Urs Bieri (52) gegenüber Blick. Das Abkommen «Bilaterale III» findet derzeit bei 61 Prozent der Befragten Zustimmung – sie befürworten es bestimmt oder eher. 30 Prozent lehnen es ab, der Rest ist unentschlossen. Hauptgründe für die Zustimmung sind vor allem wirtschaftlicher Natur, etwa der Zugang zum EU-Binnenmarkt und eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.

Das ist der EU-Deal

Der EU-Deal ist über 1000 Seiten lang und regelt zahlreiche Bereiche. Die zentralen Punkte

  • Der Deal sieht neue Spielregeln vor: bei der Personenfreizügigkeit, beim Land- und Luftverkehr, bei der Landwirtschaft, der gegenseitigen Anerkennung von Produktrichtlinien, beim Strom und bei der Lebensmittelsicherheit gilt neu eine «dynamische Rechtsübernahme». Die Schweiz übernimmt grundsätzlich EU-Recht, kann dies aber über das Volk oder das Parlament ablehnen – dann drohen aber Strafen.
  • EU-Bürger dürfen in die Schweiz ziehen und arbeiten. Es gibt aber nur eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn die Person auch einen Job hat.
  • EU-Firmen dürfen künftig ihre Arbeiter in die Schweiz schicken, um dort Jobs zu erledigen, ebenso umgekehrt. Die Firmen müssen ihre Bürger voranmelden.
  • Die Schweiz bezahlt gerne und viele Subventionen. Die EU will unerwünschte Wettbewerbsverfälschungen verhindern. Grundsätzlich gilt ein Verbot – aber mit zahlreichen Ausnahmen.
  • Ausländische Bahnen wie Flixtrain dürfen auf Schweizer Schienen fahren.
  • Die Schweiz kann wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Neue Verträge gibt es beim Strom, bei der Gesundheitsprävention und der Lebensmittelsicherheit.
Was, wenn es Streit gibt?

Wenn es einen Streit gibt, entscheidet zuerst ein sogenannter gemischter Ausschuss mit Vertretern der Schweiz und der EU. Ist man sich dort nicht einig, gibt es ein Schiedsgericht. Dieses muss den EU-Gerichtshof beiziehen. Das Schiedsgericht fällt das Urteil und kann verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen verhängen. Willkürliche Strafen sind ausgeschlossen.

Was kostet der Deal?

Ab 2030 zahlt die Schweiz jährlich 350 Millionen Franken für Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Estland oder Kroatien. Bis 2030 sind es 130 Millionen Franken pro Jahr.

Was ändert sich in der Schweiz?

Auch im Schweizer Recht ändert sich einiges. Wichtigster Punkt: die Schutzklausel. Die Schweiz kann damit die Zuwanderung vorübergehend einschränken. Wenn die Nettozuwanderung, die Arbeitslosigkeit oder der Sozialhilfebezug gewisse Schwellenwerte überschreiten, kann der Bundesrat die Auslösung der Schutzklausel prüfen. Danach kann er Schutzmassnahmen, wie beispielsweise Höchstzahlen bei der Zuwanderung erlassen. Missfällt das der EU, kann das Schiedsgericht Ausgleichsmassnahmen ergreifen.

Um die Schweizer Löhne zu sichern, gibt es ein dreistufiges Konzept. Es gelte das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort», sagte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda. Der Lohnschutz werde nicht geschwächt.

Für das Stromabkommen muss der Strommarkt liberalisiert werden. Wer will, kann seinen Anbieter frei wählen oder aber in der Grundversorgung bleiben.

Der EU-Deal ist über 1000 Seiten lang und regelt zahlreiche Bereiche. Die zentralen Punkte

  • Der Deal sieht neue Spielregeln vor: bei der Personenfreizügigkeit, beim Land- und Luftverkehr, bei der Landwirtschaft, der gegenseitigen Anerkennung von Produktrichtlinien, beim Strom und bei der Lebensmittelsicherheit gilt neu eine «dynamische Rechtsübernahme». Die Schweiz übernimmt grundsätzlich EU-Recht, kann dies aber über das Volk oder das Parlament ablehnen – dann drohen aber Strafen.
  • EU-Bürger dürfen in die Schweiz ziehen und arbeiten. Es gibt aber nur eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn die Person auch einen Job hat.
  • EU-Firmen dürfen künftig ihre Arbeiter in die Schweiz schicken, um dort Jobs zu erledigen, ebenso umgekehrt. Die Firmen müssen ihre Bürger voranmelden.
  • Die Schweiz bezahlt gerne und viele Subventionen. Die EU will unerwünschte Wettbewerbsverfälschungen verhindern. Grundsätzlich gilt ein Verbot – aber mit zahlreichen Ausnahmen.
  • Ausländische Bahnen wie Flixtrain dürfen auf Schweizer Schienen fahren.
  • Die Schweiz kann wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Neue Verträge gibt es beim Strom, bei der Gesundheitsprävention und der Lebensmittelsicherheit.
Was, wenn es Streit gibt?

Wenn es einen Streit gibt, entscheidet zuerst ein sogenannter gemischter Ausschuss mit Vertretern der Schweiz und der EU. Ist man sich dort nicht einig, gibt es ein Schiedsgericht. Dieses muss den EU-Gerichtshof beiziehen. Das Schiedsgericht fällt das Urteil und kann verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen verhängen. Willkürliche Strafen sind ausgeschlossen.

Was kostet der Deal?

Ab 2030 zahlt die Schweiz jährlich 350 Millionen Franken für Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Estland oder Kroatien. Bis 2030 sind es 130 Millionen Franken pro Jahr.

Was ändert sich in der Schweiz?

Auch im Schweizer Recht ändert sich einiges. Wichtigster Punkt: die Schutzklausel. Die Schweiz kann damit die Zuwanderung vorübergehend einschränken. Wenn die Nettozuwanderung, die Arbeitslosigkeit oder der Sozialhilfebezug gewisse Schwellenwerte überschreiten, kann der Bundesrat die Auslösung der Schutzklausel prüfen. Danach kann er Schutzmassnahmen, wie beispielsweise Höchstzahlen bei der Zuwanderung erlassen. Missfällt das der EU, kann das Schiedsgericht Ausgleichsmassnahmen ergreifen.

Um die Schweizer Löhne zu sichern, gibt es ein dreistufiges Konzept. Es gelte das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort», sagte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda. Der Lohnschutz werde nicht geschwächt.

Für das Stromabkommen muss der Strommarkt liberalisiert werden. Wer will, kann seinen Anbieter frei wählen oder aber in der Grundversorgung bleiben.

Leserschaft zeigt sich gespalten

Während die Umfrage auf breite Unterstützung schliessen lässt, zeigt ein Blick in die Kommentarspalte ein gemischteres Bild. Leser Daniel Kuhni befürwortet den Deal: «Wir leben mitten in der EU. Die EU ist mit Abstand unser wichtigster Handelspartner und sie gebärdet sich nicht so wie die USA. Die EU ist ein zuverlässiger Partner. Für einmal danke ich Trump, dass sich die Schweiz endlich etwas annähert!»

Klar für den Deal zeigt sich auch Kurt Oberle, der warnt: «Eine Erosion der Bilateralen wäre verheerend! Mit der Zukunft spielt man kein Roulette. Ohne Aktualisierung der Abkommen verlieren Exportfirmen hindernisfreien Zugang zum Binnenmarkt, und ohne Stromabkommen ist die Versorgungssicherheit im Winter nicht mehr gewährleistet!»

Ryan Kand unterstreicht die Notwendigkeit des Abkommens ebenfalls und stellt klar, dass es dabei nicht um eine Unterwerfung der EU gehe: «Niemand treibt die Schweiz in die Hände der EU. Es geht nur um die Anpassung des Rahmenabkommens ‹Bilaterale II›, das in anderer Form schon seit 2004 existiert. Das Rahmenabkommen ist notwendig, dass die Schweiz den wirtschaftlichen Anschluss an Europa nicht verliert.»

«Wir sind eine Demokratie!»

Neben den Befürwortern gibt es allerdings auch in der Leserschaft viele Kritikerinnen und Kritiker. So zeigt sich Reto Schmidt eher skeptisch und mahnt: «Der Vertrag hat einen wesentlichen Punkt, und der heisst Rechtsübernahme. Mit dieser Unterwerfung werden wir zur Milchkuh und zur Beute für viel Geld. Die EU braucht Geld, Frankreich lässt grüssen.»

Thomas Moser findet ähnliche Worte: «Wollen Sie automatische Rechtsübernahme, fremde Richter, ausländische Bahnanbieter und Milliardenzahlungen? Und dann erst noch Verbot von Einspeisevergütungen für Solar. Wer ist da überhaupt noch dafür bei so vielen Nachteilen? Wir sind eine Demokratie!»

Auch Leser Magnus Hagen schreibt, ein Deal mit der EU sei in der aktuellen Lage sicher nicht der richtige Schritt. Man solle nichts überstürzen: «Es gibt – wie an der Börse – gute und schlechte Zeiten. Einfach mal Geduld haben und nicht gleich reinschiessen. Sonst wollen es in zwei bis drei Jahren alle wieder rückgängig machen!»

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