Wie weiter bei Porsche?
Notruf 911

Was soll bloss aus Porsche werden? Eines scheint sicher: Die Frage, ob Elektro- oder Verbrennerzukunft, greift zu kurz. Die Sportwagenikone muss vor allem jünger werden.
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Der Porsche 911 ist DAS Porsche-Erfolgsmodell schlechthin.
Foto: Markus Leser

Darum gehts

  • Porsche muss innovativer werden, um den Markenkern zu erhalten
  • Elektromobilität stellt eine grosse Herausforderung für Porsche dar
  • 70 Prozent aller jemals gebauten Porsche-Fahrzeuge sind noch auf der Strasse
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Arthur Konrad
Arthur Konrad

Dies gleich vorweg: Ich bin parteiisch. Aufgrund einer jahrzehntelangen beruflichen Vorbelastung habe ich so ziemlich jede Modellvariante aller 911er-Generationen gefahren. Und ja, es war stets ein Vergnügen. Allerdings mal mehr, mal weniger. Als Konsequenz daraus steht heute mein idealer 911 in der Garage. Ein optisch unscheinbarer SC, bei dem allerdings im Zuge einer Generalsanierung viele technische Modifikationen des SC/RS nachgerüstet wurden. Jetzt fährt das Ding fast so direkt und freudvoll wie das Original aus dem Werksmuseum, das ich mal drei wunderbare Tage bewegen durfte.

Der SC/RS ist sozusagen der Koh-I-Noor, also einer der grössten unter den RS-Diamanten, weil 1983 nur 20 Mal für die Homologation in der Rallye-WM-Gruppe B gebaut. 255 Sauger-PS treffen auf 960 Kilogramm. Aus meiner Sicht ist und bleibt das der beste 911er aller Zeiten – weil deutlich stärker und besser fahrbar als der ursprüngliche Carrera RS, aber noch immer kein Gramm Fett am Leib.

Porsche im kreativen Koma

Womit wir mitten im Thema wären: Fett am Leib. Ich mag das Unternehmen Porsche und noch mehr die Menschen dort wirklich, deshalb möchte ich das Kommende möglichst höflich formulieren. Also: Bekommt endlich eure Hintern hoch! Erwacht aus dem kreativen Koma! Porsche muss wieder deutlich jünger und dynamischer werden. Es kann nicht sein, dass die Zukunft nur aus immer neuen Samples des alten Liedes 911 besteht. Warum, nur mal als Beispiel, gibt es nach zehn Jahren noch immer keinen Nachfolger für den damals wegweisenden 918 Spyder?

Gut, einerseits scheint die betuchte Fangemeinde erstaunlich genügsam geworden zu sein. Zuletzt lösten ein hochgepumptes Fahrwerk (911 Dakar) und die geschichtsträchtige Minimalvariante S/T bei den Kunden tatsächlich Schnappatmung und Kaufgier aus. Letzteres Modell bot eigentlich nur weniger Ausstattung für einen saftigen Aufpreis, bei null aktueller Rennsportreferenz. Hauptsache, die Stückzahl ist limitiert.

Allerdings zeigen die aktuellen Unternehmenszahlen, dass dieses letzte Auspressen des Mythos bei weitem nicht reicht, um das über die Jahre erstaunlich gewachsene Unternehmen am Laufen zu halten. Die Verkaufszahlen auf den wichtigsten Märkten USA und China stürzten zuletzt ins Bodenlose, und zumindest in China scheint auch mittelfristig kaum Erholung in Sicht. Längst ist der gesamte Mythos Porsche in Gefahr.

Falsches Spielfeld E-Mobilität

Und die Mobilitätstransformation macht die Sache nicht einfacher. Der Elektro-Ausbruchsversuch konnte allein deshalb nicht klappen, weil es für Porsche das falsche Spielfeld ist. Es ist ein extrem hartes, von abrupten Technologiesprüngen und weitaus beweglicheren Gegnern beherrschtes Metier. Bei seiner Präsentation galt der E-Porsche Taycan als revolutionär. Heute, gerade mal sechs Jahre später, bringt ein Mittelklasse-Hyundai bessere Fahrleistungen als das Taycan-Basismodell.

An dieser Stelle wollen wir nicht vergessen, dass man in Stuttgart zu Recht enorm stolz darauf ist, dass sich 70 Prozent aller jemals gebauten Fahrzeuge noch immer auf der Strasse befinden. Die augenscheinliche technische Kurzlebigkeit des Taycan passt also so überhaupt nicht zu Porsche, lässt sich aber kaum vermeiden. Tradition wird hier sogar zur Belastung, denn Tesla, Nio, Rimac, Yangwang – und wie die zahllosen elektrischen 1000-PS-Plus-Monster inzwischen alle heissen – kommen sehr gut ohne historischen Unterbau aus.

Für Porsche gehts inzwischen um weit mehr als ein paar Tausend verkaufte Autos mehr oder weniger. Es geht um alles, nämlich den Markenkern. In Kurzfassung: Der Macan verkaufte sich so gut, weil es den 911er gibt. Denn es waren natürlich nicht die technischen Fähigkeiten, die den SUV zum Verkaufsrenner gemacht haben. Es war die Tatsache, dass man für einen halbwegs überschaubaren Aufpreis gegenüber einem technisch sehr ähnlichen Audi Q5 einen Porsche fahren konnte. Wenn nun aber der Glanz der Marke wegen innovativer Untätigkeit verblasst, könnten alle Umsatzbringer in Gefahr geraten. Die Indizien sind unzweifelhaft, denn beim Ranking des Durchschnittsalters der Kunden liegt Porsche ganz vorne.

Erfolg macht träge

«Gib die Flamme weiter, statt die Asche zu hüten.» Die Weisheit ist inzwischen ein halbes Jahrtausend alt, sie geht auf den Briten Thomas Morus (1478–1535) zurück, wird allerdings in Sachen Traditionsbewirtschaftung wohl ewig gültig sein. Deshalb greift die hitzige Diskussion um Elektro- gegen Verbrennerzukunft eigentlich viel zu kurz. Das Hauptproblem könnte darin bestehen, dass bei Porsche schon viel zu lange die Aschehüter am Werk sind. Das betrifft nicht nur den 911, sondern auch die Designlinie, das Interieur – eigentlich also die gesamte Modellpalette. Erfolg macht eben träge.

Es könnten ausgerechnet die noch immer hervorragenden Verkaufszahlen des 911ers sein, die einen totalen Neustart so schwierig machen. Porsche hat 1963 sozusagen das Rad des modernen Sportwagenbaus erfunden. Aber nun, mehr als 60 Jahre später, wäre es höchste Zeit für eine neue, frische Sportwagenidee zur Stabilisierung des Markenkerns. Im Prinzip würde das gesamte Porsche-Feeling dringend eine Neudefinition brauchen. Mit über 300’000 produzierten Autos pro Jahr ist Porsche nicht mehr der Feinkostladen von einst. Deshalb könnte Honda als gutes Beispiel für das Weitergeben der Flamme dienen. Die Japaner schaffen es immer wieder, bei Technik, Design und mit Modellinnovationen zu überraschen. NSX, S2000, der Elektro-Mini e und, gerade aktuell, der unerwartete und gute Prelude.

Oder vielleicht ein Gesundschrumpfen auf Ferrari-Niveau? Ohne einen Dauerbrenner wie den 911er war man in Maranello gezwungen, den eigenen Mythos ständig neu zu erfinden. Heute steht Ferrari für Tradition und Innovation und übertrifft Porsche in Ertrag und Börsenwert gewaltig.

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