Porsche Taycan Turbo GT im Langstreckentest
Der König der Stromer

Turbo GT heisst das neue Topmodell von Porsches Elektro-Baureihe Taycan. Wir wagten uns im über 1000 PS starken Superstromer mit dem besonders auf Leichtbau gebürsteten Weissach-Paket auf die Langstrecke. Eine Rekordfahrt wurde es allerdings nicht.
Publiziert: 09:02 Uhr
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Porsches Elektrolimousine Taycan ist neu als Spitzenmodell Turbo GT erhältlich.
Foto: Porsche Schweiz AG

Darum gehts

  • Porsche Taycan Turbo GT stellt das neue Topmodell der Taycan-Baureihe dar
  • Weissach-Paket reduziert das Gewicht, verbessert die Aerodynamik und Leistung des Fahrzeugs
  • Dank 1108 PS Spitzenleistung rast der Turbo GT in 2,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Es war ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Als mich mein Redaktionskollege fragte, ob ich mit einem Porsche Taycan anstelle des vorgesehenen VW ID.7 Tourer zum Langstreckentest ins 700 Kilometer entfernte Goslar am Harz (D) antreten möchte, musste ich keine Sekunde überlegen. Natürlich! Schliesslich kenne ich die Vorzüge von Porsches erst kürzlich überarbeiteter Elektro-Limousine: Reichweiten von teils weit über 600 Kilometern, eine (fast) konkurrenzlos schnelle Ladegeschwindigkeit, Komfort trotz Sportlichkeit und ein Interieur, das den – zugegeben – horrenden Anschaffungskosten punkto Qualitätsanspruch in nichts nachsteht. Nur leider hatte ich ein kleines Detail übersehen. 

Beim in der Testgarage geparkten Taycan handelte es sich nämlich um das neuste Topmodell der Elektro-Baureihe mit dem Zusatz «Turbo GT» samt optionalem Weissach-Paket. Was das bedeutet, sehe ich bei der Fahrzeugübernahme: Vorne gibts einen Frontsplitter mit windschnittigen Aeroblades, am Ende der sonst dezent auslaufenden Heckpartie thront auffälliges Spoilerwerk. Beides sorgt im Vergleich zum «gewöhnlichen» Turbo GT für 220 Kilo zusätzlichen Anpressdruck. Dazwischen erblicke ich gefräste Schmiedefelgen samt radausfüllenden Keramikbremsen. Innen bedeutet das Weissach-Paket, das sonst nur Porsches stärksten RS-Modellen vorbehalten ist, vor allem Verzicht: Anstelle der Rücksitzbank gibts eine Karbon-Abdeckung mit kleinem Staufach. Gewisse Dämm-Materialien entfallen genauso wie die hinteren Lautsprecher und die zweite Ladebuchse für den CCS-Stecker. Statt auf Sportsesseln wird auf Vollschalensitzen aus dem 911 GT3 Platz genommen. 

Regenperlen und Angstschweiss

Das Weissach-Paket senkt das Gewicht gegenüber dem Turbo GT um über 70 Kilo, der seinerseits schon 75 Kilo auf den bisherigen Spitzen-Taycan Turbo S verloren hat. Für den Langstreckenkomfort ist es allerdings nur bedingt förderlich: Während Gepäck für zwei Personen locker im Kofferraum und vorderen Frunk Platz findet, wird der Einstieg in die engen Sportschalen zur Kletterpartie. Immerhin macht die im Navi integrierte Routenplanung Mut: Knapp sieben Stunden Fahrzeit inklusive zweier 20-minütiger Ladestopps sind eine echte Ansage. Doch schon kurz nach dem Start gibts im Zürcher Feierabendverkehr den ersten Dämpfer: Stau in der City, Stau Richtung Winterthur, Stau rund um Stuttgart (D) lauten die Prognosen, welche die Reisezeit schon mal um eine knappe Stunde verlängern. Als endlich die Grenze passiert ist, setzt zudem hartnäckiger Regen ein, der uns fast den gesamten Abend auf der Fahrt Richtung Norden begleiten wird.

Die exklusiv für den Turbo GT entwickelten Pirellis im 21-Zoll-Format – eigentlich für höchste Traktion auf der Rennstrecke ausgelegt – erhöhen jetzt die Aquaplaninggefahr und auch die Anzahl Schweissperlen auf meiner Stirn: Schliesslich möchte ich sowohl meine Beifahrerin und mich als auch den über 280'000 Franken teuren Testwagen unbeschadet ans Ziel steuern. Die dauerhaft zur Verfügung stehenden 789 PS (580 kW) kann ich nur punktuell bei kurzen Zwischensprints im dichten Reiseverkehr einsetzen. Lieber wünschte ich mir praktische Helfer wie einen Abstandstempomaten – doch ausgerechnet der ist im Super-Taycan auch auf Wunsch nicht erhältlich. Dafür wartet der Turbo GT mit anderem Hightech auf: Porsches Zweikammer-Luftfahrwerk, das aktuell wohl beste am Markt, bügelt ultrapräzise auch grobe Bodenunebenheiten aus und wird selbst im Sportmodus nie bockig hart, sondern behält stets ein erstaunliches Mass an Komfort.

Unnötig lange Pausen

Das Zweiganggetriebe an der Hinterachse, das fast unmerklich bei rund 100 km/h die Übersetzung wechselt, sorgt nicht nur für eine theoretisch mögliche Spitze von 305 km/h, sondern auch für eine erstaunlich hohe Effizienz des rund 2,2 Tonnen schweren Superstromers: Durchschnittlich verbraucht der Turbo GT rund 25 kWh/100 km auf dem gesamthaft 1500 Kilometer langen Trip, wobei wir bei freier Fahrt auch des Öfteren mehr als die für einen Stromer vernünftigen 130 km/h fahren.

Porsche Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket

Antrieb 2 E-Motoren, Spitzenleistung 1034 PS (760 kW), Dauerleistung 789 PS (580 kW), 1240 Nm@1/min, Allrad, Batterie 97 kWh (netto), Reichweite Werk/Test 538/420 km, Ladetempo AC/DC 11/320 kW
Fahrleistungen 0–100 km/h in 2,2 s, Spitze 305 km/h
Masse L/B/H 4,97/2,00/1,38 m, Gewicht 2220 kg, Laderaum 367 l plus Frunk 84 l
Verbrauch WLTP/Test 21,3/25,3 kWh/100 km, 0 g/km CO₂, Energie A
Preis ab 273'800 Fr., Testwagen mit Optionen 282'240 Fr., Basismodell Taycan ab 115'200 Fr.

Antrieb 2 E-Motoren, Spitzenleistung 1034 PS (760 kW), Dauerleistung 789 PS (580 kW), 1240 Nm@1/min, Allrad, Batterie 97 kWh (netto), Reichweite Werk/Test 538/420 km, Ladetempo AC/DC 11/320 kW
Fahrleistungen 0–100 km/h in 2,2 s, Spitze 305 km/h
Masse L/B/H 4,97/2,00/1,38 m, Gewicht 2220 kg, Laderaum 367 l plus Frunk 84 l
Verbrauch WLTP/Test 21,3/25,3 kWh/100 km, 0 g/km CO₂, Energie A
Preis ab 273'800 Fr., Testwagen mit Optionen 282'240 Fr., Basismodell Taycan ab 115'200 Fr.

Nachbessern sollte Porsche hingegen bei der integrierten Ladestopp-Planung, die uns immer wieder an Stationen abseits der Autobahn lotst: Diese bieten statt der vermeintlichen 300 wiederholt nur 150 Kilowatt Leistung und verlängern so auch die Ladepausen unnötig. Die später deshalb wieder manuell gesuchten 300-kW-Hypercharger an den Raststätten können die versprochene Leistung hingegen stets liefern – bestenfalls füllt der Turbo GT den riesigen 105-Kilowattstunden-Akku in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent.

Schneller als Tesla

Doch warum der Weissacher Turbo GT getrost als König der Stromer bezeichnet werden kann, merke ich, als ich nach überstandener Anreise endlich eine angemessene Spritztour mit der Elektro-Limousine im Harzer Umland unternehmen kann. Natürlich sind mir die Leistungsdaten bekannt: Aus den dauerhaften 789 werden mit aktivierter Launch-Control 1034 PS, mittels Overboost über das rechte Lenkrad-Paddle sogar kurzfristig 1108 PS! In der Praxis ists dennoch irre: In nur 2,2 Sekunden schiesst der Turbo GT auf 100 km/h, nach 6,8 Sekunden fällt theoretisch die 200er-Marke. Bei einem unvorbereiteten Beifahrer besteht höchste Verletzungsgefahr, so gewaltig ist die Wucht der beiden E-Maschinen – selbst Teslas monströse Plaid-Modelle stellt der Turbo GT in den Schatten. Was der Königsstromer fahrdynamisch draufhat, hat er schon mit etlichen Rekorden auf Rennstrecken wie der berüchtigten Nürburgring-Nordschleife unter Beweis gestellt.

Unser Fazit nach überstandener Langstreckenfahrt: Auch ein Superstromer kommt im Ferienverkehr kaum schneller voran – trotz Mega-Power und Rekord-Ladetempo. Wer einen komfortableren Dauerläufer für weite Strecken sucht, wählt den zivileren Taycan. Wer aber mit seinem Elektrosportler auch gerne mal auf die Rennstrecke abbiegt, um die Konkurrenz in Grund und Boden zu stromern, wählt den durchaus alltagstauglichen, aber deutlich puristischeren Turbo GT – natürlich mit kostenlosem Weissach-Paket. 


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