Darum gehts
Die MAGA-Bewegung galt lange als erstaunlich geschlossen. Wer sich hinter Donald Trump (79) versammelte, stritt zwar laut mit politischen Gegnern, aber kaum untereinander. Diese Zeit ist vorbei. Heute ziehen sich tiefe Risse durch die US-Rechte – von Social-Media-Influencern bis in die Republikanische Partei. Es geht um Macht, um Moral und um eine zentrale Frage.
Das Machtvakuum nach Charlie Kirk
Ein Auslöser dieses Zerfalls ist der Tod von Charlie Kirk (†31), dem Gründer von Turning Point USA. Kirk war eine Schlüsselfigur der jungen US-Rechten. Er organisierte Nachwuchs, gab Influencern eine Bühne und schob die Bewegung ideologisch nach rechts. Er entschied, wer eingeladen wurde und wer nicht, wer noch als radikal, aber akzeptabel galt – und wer zu extrem war. Seit er fehlt, gibt es niemanden mehr, der diese Rolle glaubwürdig übernimmt.
Wie sehr dieses Machtvakuum die Bewegung destabilisiert, zeigte sich an der AmericaFest, der wichtigsten rechten Jahreskonferenz. Eigentlich ist sie eine Inszenierung der Stärke. Doch diesmal dominierte offener Streit. Influencer griffen sich gegenseitig an, warfen einander Lügen, Feigheit oder Antisemitismus vor.
Candace Owens und die Logik der Klicks
Symbolfigur dieses Konflikts ist Candace Owens (36). Sie gehört zu den bekanntesten rechten Stimmen der USA, provokant, reichweitenstark und kaum bereit, sich Grenzen setzen zu lassen. Nach Kirks Tod verbreitete sie Verschwörungstheorien über die Umstände seines Todes – trotz öffentlicher Bitten seiner Witwe, damit aufzuhören. Für viele Konservative war das ein Tabubruch. Andere verteidigten Owens mit dem Argument der Meinungsfreiheit. Dahinter steckt ein Grundproblem: Einfluss misst sich bei MAGA zunehmend nicht an politischer Verantwortung, sondern an Klickzahlen.
Die Israel-Frage wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger. Jahrzehntelang war die Unterstützung Israels eine parteiübergreifende Konstante bei den Republikanern. In MAGA-Kreisen hingegen wächst eine strömungsübergreifende Skepsis, darunter auch bei Owens: libertäre Isolationisten, christliche Endzeit-Ideologen und antisystemische Influencer eint das Misstrauen gegen Auslandseinsätze und «fremde Kriege». Wer Israel kritisiert, gilt für die einen als mutig, für die anderen als Verräter an einem Grundpfeiler konservativer Politik.
Vom Mobilisierungsthema zum Vertrauensbruch
Doch der vielleicht gefährlichste Riss verläuft nicht zwischen Influencern, sondern zwischen MAGA und der eigenen Regierung. Ausgelöst wurde er durch den Streit um die Epstein-Akten. Jahrelang war der Fall Jeffrey Epstein (†66) im rechten Milieu mehr als ein Kriminalfall. Er wurde zum Symbol für eine vermeintlich allmächtige Elite, die Kinder missbraucht und vom Staat geschützt wird. Trump und seine Verbündeten spielten diese Erzählung bewusst an, versprachen Transparenz und stellten die Freigabe von Akten in Aussicht. Für viele MAGA-Anhänger wurde Epstein zu einer Art Schlüsselbeweis dafür, dass das System grundlegend verdorben sei.
Als dann tatsächlich Dokumente veröffentlicht wurden, folgte die Ernüchterung. Die Akten waren stark geschwärzt, neue Informationen rar. Zwar tauchte Trumps Name in Ermittlungszusammenhängen auf, strafrechtliche Vorwürfe gibt es keine. Doch genau diese Unschärfe wirkt in einer Bewegung, die von Misstrauen lebt, brandgefährlich. Ausgerechnet das Justizministerium, nun unter Trump-nahen Verantwortlichen, bremste weitere Veröffentlichungen. Justizministerin Pam Bondi (60) sprach von Transparenz – doch in rechten Online-Foren und Kommentarspalten wurde sie als Lügnerin beschimpft.
Wenn sich Misstrauen gegen die eigenen Leute richtet
Der Zorn richtet sich dabei nicht primär gegen die Inhalte der Akten, sondern gegen das Gefühl, dass nun mit zweierlei Mass gemessen wird. Jahrelang galt: Jede Schwärzung ist Vertuschung, jedes Schweigen ein Beweis. Jetzt, da Trump an der Macht ist, sollen dieselben Mechanismen plötzlich legitim sein. Für viele MAGA-Anhänger ist das ein Vertrauensbruch. Influencer, die zuvor unermüdlich von einem «Deep State» sprachen, verteidigen nun die Veröffentlichung oder schweigen auffällig. Andere greifen sie dafür frontal an und werfen ihnen Verrat vor.
Hier gerät MAGA in eine selbst gebaute Falle. Die Bewegung hat ihr politisches Kapital auf institutionelles Misstrauen gesetzt. Nun richtet sich dieses Misstrauen gegen die eigenen Eliten. Der Politikwissenschaftler Joe Uscinski bringt es gegenüber BBC auf den Punkt: Viele wollten nie einfach Akten sehen, sondern Bestätigung für das, was sie ohnehin glauben. Bleibt diese aus, zerfällt die Loyalität.
Je näher die Zeit nach Trump rückt, desto offener brechen diese Spannungen auf. AmericaFest zeigt den ideologischen Zerfall, Epstein die moralische Selbstfalle. Zusammen legen sie offen: MAGA ist laut, emotionalisiert und einflussreich – aber innerlich zutiefst zerstritten. Und zum ersten Mal richtet sich der Zorn der Bewegung nicht mehr nur nach aussen, sondern gegen sich selbst.