Darum gehts
US-Politikerin Marjorie Taylor Greene (51) liebt den Auftritt, die Provokation, die grosse Bühne. Doch diesmal geht es nicht um ein virales Video oder einen Wutausbruch im Repräsentantenhaus – diesmal steht sie im Zentrum eines Machtkampfs, der tief in die Fundamente der amerikanischen Rechten reicht. Der öffentliche Bruch mit Präsident Donald Trump (79) ist mehr als ein persönlicher Affront. Er ist ein Symptom einer Bewegung, die plötzlich nicht mehr weiss, wer sie führt – und wohin MAGA («Make America Great Again») eigentlich steuert.
Ein Streit, der loderte – und jetzt explodiert
Wochenlang hat sich der Konflikt angebahnt. Parlamentarierin Greene kritisierte Trumps Aussenpolitik, attackierte seine Parteiführung, gab sich in liberalen Talkshows ungewöhnlich gemässigt – und stellte sich offen gegen die Zurückhaltung bei der Freigabe der Akten zum Sexualstraftäter Jeffrey Epstein (1953–2019).
Ein Thema, das im rechten Politspektrum seit Jahren wie eine politische Obsession wirkt. Als Greene dann auch noch gemeinsam mit Demokraten eine Abstimmung erzwang, riss bei Trump der Geduldsfaden. «Verräterin», «Wacky Marjorie», eine «Verrückte» – selten hat ein Präsident so unverblümte Worte gegen eine (ehemalige) Verbündete gefunden.
Greene gibt sich nun als verfolgte Kämpferin. Sicherheitsfirmen hätten sie gewarnt, schreibt sie. Drohungen würden steigen. Mit jeder Zeile versucht sie, den Konflikt moralisch aufzuladen – als Kampf für Frauen, für Opfer, für Transparenz. Und gleichzeitig als Kampf gegen die Männer in ihrer Partei, denen sie immer wieder Feigheit und Machtgehabe vorwirft. Diese Opferrolle ist strategisch: Greene weiss, dass eine Rückkehr ins alte Trump-Lager unwahrscheinlich ist. Also greift sie nach einem neuen Platz.
Die radikale Vergangenheit, die Greene nie loswird
Dabei darf man eines nicht vergessen: Greene selbst hat eine lange Vorgeschichte voller Spinnereien und radikaler Ausrutscher. Sie verbreitete QAnon-Mythen, fantasierte über Laserstrahlen aus dem All, die Waldbrände auslösen und sympathisierte offen mit extremistischen Ideen. Für viele war sie stets die schrillste Stimme im MAGA-Kosmos – eine, die Grenzen nicht testet, sondern zerreisst. Dass gerade sie jetzt zur moralischen Mahnerin aufsteigt, wird mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert.
Ihr Streit mit Trump ist nicht isoliert. Zur gleichen Zeit eskaliert eine zweite Front: Tucker Carlson (56), einst der einflussreichste konservative TV-Moderator, löst mit seiner Einladung des Rechtsextremen Nick Fuentes (27) einen Schock in der Republikanischen Partei aus. Fuentes preist Hitler und Stalin – und Carlson widerspricht nicht. Das Resultat: Republikaner Ted Cruz (54) spricht von einem Gift, das die Rechte zerfrisst. Für viele Konservative ist das, was Carlson da sendet, nicht mehr Teil des rechten Spektrums – sondern dessen Entgleisung.
Alles verknüpft sich zu einem grösseren Machtkampf
Und genau hier treffen die Linien zusammen: die radikalisierte Medienwelt um Carlson, die Verschwörungstheorien rund um Epstein, die persönliche Fehde zwischen Greene und Trump. Alles wirkt plötzlich wie Teile eines grösseren Bruchs. Greene ist dabei mehr als eine Nebendarstellerin – sie ist die Projektionsfläche für eine Bewegung, die sich neu sortiert. Sie spricht die Sprache jener Basis, die Trump zwar verehrt, aber zunehmend Zweifel an seiner Politik hat. Und sie versucht offensiv jene Themen für sich zu beanspruchen, die der Kult um Trump – und ihre Treue zum Präsidenten – bisher nicht zugelassen haben.
In Trumps Umfeld läuft man Gefahr, die Bedeutung dieses Bruchs zu unterschätzen. Noch immer trägt ihn eine treue Kernwählerschaft. Doch die Risse sind da: Frust über Lebenshaltungskosten, wirtschaftliche Unsicherheit, Niederlagen bei Zwischenwahlen – und jetzt offene Konflikte zwischen Figuren, die eigentlich auf derselben Seite stehen sollten. MAGA war lange ein geschlossenes System. Jetzt beginnt es, mehrere Machtpole auszubilden.
Ein offenes Ende
Der Streit zwischen Trump und Greene ist deshalb kein Nebenkriegsschauplatz. Er ist ein Stimmungsbarometer. Und er zeigt, was passieren kann, wenn eine Bewegung, die jahrelang von Loyalität lebte, plötzlich in unterschiedliche Richtungen gezogen wird: von Medienmachern wie Carlson, von politischen Ego-Projekten, von Frustrationen an der Basis – und von Figuren wie Greene, die die Risse nutzt, um sich selbst grösser zu machen.
Die grosse Frage ist deshalb nicht, wer in diesem Streit gewinnt. Sondern: Was bleibt übrig, wenn der Staub sich legt?