Darum gehts
- Kaputtes Kabel könnte Unglück der Standseilbahn in Lissabon ausgelöst haben
- Verbindung zwischen Seil und Wagen gelöst, Ursache für Bremsversagen unklar
- 16 Menschen verloren ihr Leben, 21 wurden teils schwer verletzt
Ein kaputtes Kabel könnte das verheerende Unglück der Standseilbahn in Lissabon ausgelöst haben. Laut einem ersten Bericht der portugiesischen Untersuchungsbehörde GPIAAF hat sich die Verbindung zwischen Seil und Wagen gelöst. Doch warum die Bremsen versagten, ist weiter unklar. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein Bremssystem bei einer Steigung von 18 Prozent überhaupt funktioniert hätte. Mehr dazu im Interview mit dem Seilbahnexperten Reto Canale.
Schon bei der ersten Inspektion am Unglücksort fiel den Experten auf: Das Tragseil war nicht mehr korrekt am oberen Befestigungspunkt des Wagens fixiert. Dies berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Lusa unter Berufung auf die Ermittler.
Das verwendete Kabel sei ein robustes Modell mit sechs Strängen aus je 36 Stahldrähten sowie einem Faserkern. Durchmesser: 32 Millimeter. Bruchlast: 68 Tonnen. Der Kabeltyp kommt beim «Elevador da Glória» seit rund sechs Jahren zum Einsatz. Die Lebensdauer eines solchen Seils ist auf etwa 600 Tage berechnet. Doch im aktuellen Fall war das Unglücksseil erst 337 Tage im Dienst. Doch Mitarbeiter klagten schon länger über Probleme mit dem Zugkabel.
Ausführlicher Zwischenbericht soll folgen
Warum es trotzdem versagte, bleibt ein Rätsel. «Wir werden das in den kommenden Wochen genauer untersuchen», sagte GPIAAF-Direktor Nelson Oliveira. In 45 Tagen soll ein ausführlicher Zwischenbericht folgen, der endgültige Abschlussbericht in einem Jahr.
Der «Elevador da Glória» gehört zu den Wahrzeichen Lissabons. Die Bahn, gebaut im 19. Jahrhundert in Deutschland, verbindet die Unterstadt mit dem Ausgehviertel Bairro Alto. Rund drei Millionen Menschen fahren jedes Jahr mit der Standseilbahn – Touristen ebenso wie Einheimische.
Am Mittwochabend kam es zur Katastrophe: Einer der beiden Wagen raste die steile Strasse hinunter, beschleunigte unkontrolliert, entgleiste und kippte auf die Seite. In einer Kurve krachte er mit geschätzten 60 Stundenkilometern gegen eine Hausfassade. Vom Wagen blieb nur ein Trümmerhaufen.
Portugal weiter unter Schock
Die traurige Bilanz: 16 Menschen verloren ihr Leben, darunter auch eine Schweizerin. 21 wurden teils schwer verletzt. Noch nie zuvor war in der portugiesischen Hauptstadt ein derart schwerer Unfall mit einer Standseilbahn passiert.
Die Stimmung in Lissabon ist entsprechend gedrückt. Viele legen Blumen und Kerzen in der Nähe des zerstörten Wagens nieder. Bürgermeister Carlos Moedas (55) sprach von einem «dunklen Tag für unsere Stadt». Premierminister Luís Montenegro (52) versprach den Angehörigen schnelle Hilfe.
Für die Stadt ist es ein Schock: Der «Elevador da Glória» war nicht nur ein nostalgisches Fotomotiv, sondern auch ein Teil des Alltags. «Ich fahre fast jeden Tag damit zur Arbeit», sagte eine Anwohnerin im Fernsehen. «Es ist unvorstellbar, dass so etwas passieren konnte.»