Darum gehts
- Eine Uno-Kommission wirft Israel Völkermord im Gazastreifen vor
- Völkermord ist definiert als Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe zu vernichten
- Uno-Ermittler fordern den Stopp von Waffenlieferungen an Israel
Es ist das härteste Wort, das die internationale Gemeinschaft kennt: Völkermord. Genau diesen Vorwurf erhebt nun eine Uno-Kommission gegen Israel wegen des Krieges im Gazastreifen. Blick erklärt, was das für Israel und die Bevölkerung in Gaza bedeutet.
Was wirft die Uno-Kommission Israel vor?
Die Kommission wirft Israel vor, im Gazastreifen gleich mehrere Handlungen begangen zu haben, die unter die Völkermordkonvention fallen – vom Töten bis zu lebensfeindlichen Bedingungen. Ende August war die von den Vereinten Nationen unterstützte Organisation Integrated Food Security Phase Classification (IPC) in einem Bericht bereits zum Schluss gekommen, dass in Gaza-Stadt eine Hungersnot herrscht. Der Bericht sprach von «katastrophalen Zuständen». Die Hungersnot sei «vollständig von Menschen verursacht» und könnte gestoppt und sogar rückgängig gemacht werden.
Auch im neuen Uno-Bericht fallen deutliche Worte: «Es ist klar, dass es eine Absicht gibt, die Palästinenser zu vernichten», sagte die Vorsitzende der Kommission, die südafrikanische Juristin Navi Pillay (83). Die Uno-Ermittler prangern insbesondere die «beispiellose» Zahl getöteter Palästinenser an – darunter Kinder, die direkt ins Visier genommen worden seien –, die Belagerung des palästinensischen Gebietes, die systematische Zerstörung des Gesundheits- und Bildungssystems sowie sexuelle Gewalt. Israel bestreitet das vehement und spricht von Selbstverteidigung gegen die Hamas.
Wie definiert das Völkerrecht Genozid?
Die Uno-Konvention von 1948 legt fest: Genozid ist die Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten. Es geht nicht nur ums Töten – auch schwerer Schaden, das Verhindern von Geburten oder lebensfeindliche Bedingungen zählen dazu. Ohne die Zerstörungsabsicht gibt es keinen Völkermord, sondern «nur» Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Wo gab es schon Völkermorde?
Der Holocaust, ausgeübt von Nazi-Deutschland, ist das bekannteste Beispiel. In Ruanda wurden 1994 Hunderttausende Tutsi ermordet. Auch das Massaker von Srebrenica 1995 in Bosnien wurde als Genozid eingestuft. Kambodscha unter den Roten Khmer und die Verfolgung der Jesiden durch den IS gelten ebenfalls als Fälle. Alle haben eins gemeinsam – und unterscheiden sich damit vom aktuellen Fall: Sie wurden erst Jahre später juristisch als Völkermorde anerkannt.
Welche Folgen hat der Vorwurf für Israel?
Juristisch ist der Bericht zwar nicht bindend. Politisch ist er aber Sprengstoff. Schon jetzt läuft ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen Israel. Die Uno-Kommission wirft Israel nun vor, sich nicht an die Anordnungen des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag gehalten zu haben, einen Völkermord zu verhindern: «Israel hatte nicht die Absicht, seine Haltung zu ändern. Im Gegenteil, die israelischen Behörden haben auf ihrer Völkermordkampagne beharrt», sagt Pillay. Mit dem Wort Genozid im Raum wächst der Druck auf Israel massiv – und auch auf die Staaten, die eigentlich dazu verpflichtet wären, Völkermord zu verhindern.
Gemeint sind alle Länder, die die Uno-Völkermordkonvention unterzeichnet haben. Darunter befindet sich neben den europäischen Staaten und den USA auch Israel selbst. In der Konvention heisst es: «Die Vertragsparteien bestätigen, dass Völkermord ein Verbrechen nach dem Völkerrecht ist, das sie zu verhüten und zu bestrafen haben.»
Konkret fordern die Uno-Ermittler andere Staaten auf, die Lieferung von Waffen und Ausrüstung, die für den Völkermord verwendet werden können, zu stoppen und sicherzustellen, dass Einzelpersonen und Unternehmen auf ihrem Territorium nicht bei der Durchführung dieser Gräueltaten mithelfen. Ob diese Forderungen nun tatsächlich erfüllt werden, wird sich zeigen.