Darum gehts
Donald Trump (79) hat in den letzten Wochen viel gesagt – und noch mehr angekündigt. Zunächst gab er Wladimir Putin (72) 50 Tage Zeit, um Friedensgespräche einzuleiten. Doch vor gut einer Woche kürzte er diese Frist radikal: Nur noch zehn Tage, sonst folgen Konsequenzen. Die wichtigste Waffe, mit der Trump nun droht: Sekundärsanktionen, also Strafmassnahmen gegen jene Länder, die weiterhin Gas und Öl aus Russland kaufen.
Zugleich baut Trump Drohkulissen militärischer Art auf: Zwei US-Atom-U-Boote wurden in «entsprechende Regionen» verlegt – gemeint ist die Nähe Russlands. Kurz: Trump will zeigen, dass er es ernst meint. Doch glaubt ihm das auch jemand?
Womit droht Trump?
Trump hat einen klaren Plan – doch dieser ist mit grossen Risiken verbunden. Mit den angedrohten Sekundärsanktionen würde nicht nur Moskau selbst ins Visier genommen, sondern auch Länder, die mit Russland Geschäfte machen. Indien und China sind die Hauptabnehmer von russischem Öl. Vor allem Indien wurde bereits öffentlich angezählt: Trump kündigte höhere Zölle an, weil das Land russisches Rohöl über einem festgelegten Preisdeckel weiterverkaufe.
Der Kreml bleibt cool – vielleicht zu cool
In Moskau ist von Nervosität nichts zu spüren. Im Gegenteil: Putin reagiert nicht einmal selbst auf Trumps Drohungen. Die giftigen Kommentare überlässt er anderen – Ex-Präsident Dmitri Medwedew (59) etwa, der auf X einmal mehr mit nuklearer Eskalation drohte. Die offizielle Linie: Trump sei «emotional», «nicht ernst zu nehmen», «nicht bereit, rational zu handeln».
Und: Russlands Elite glaube nicht an echte Sanktionen, schreibt der russische Journalist Mikhail Zygar (44) in der «New York Times». Warum? Weil Trump, so ihr Kalkül, nichts riskieren wird, das den Ölpreis in die Höhe treibt – und damit auch den Spritpreis in den USA. Und: China, Indien, Türkei – alle weiterhin eng verflochten mit Moskau – wären kaum bereit, sich Trump zu beugen. Auch, weil sich Trump mit ihnen keine offenen Konflikte leisten kann.
Für Moskau ist die Situation dennoch gefährlich: In Russland kämpfen die Unternehmen mit ruinösen Zinsen, die Investitionen bleiben aus, und die Zentralbank rechnet mit kaum messbarem Wachstum, warnt Zygar. Und doch hält sich im Kreml die Überzeugung, dass all das nichts ausmache. Putins Elite glaubt, sie habe gelernt, in Isolation zu überleben. Vielleicht sogar zu gedeihen.
Zerbrochene Männerfreundschaft
Was diese Woche zusätzlich so brisant macht: Das Verhältnis zwischen Trump und Putin ist spürbar abgekühlt. Noch zu Beginn seiner zweiten Amtszeit setzte Trump auf Entspannung, liess Resolutionen gegen Russland blockieren und zeigte sich nachsichtig gegenüber dem Kreml. Doch spätestens seit den brutalen russischen Luftangriffen auf Kiew – zuletzt mit über 30 Toten – ist Schluss mit Verständnis.
Trump nannte Putins Vorgehen «disgusting», sprach von «bullshit» in den Gesprächen – harte Worte für jemanden, der einst auf eine Männerfreundschaft setzte. Und doch: Der Kreml lacht leise. Denn was Trump will – nämlich einen Deal, eine Inszenierung von Stärke und Erfolg –, das ist genau das, was Putin verweigert. Der russische Präsident will nicht verhandeln. Er will gewinnen.
Marcel Berni (37) von der Militärakademie der ETH Zürich sagt dazu: «Ich glaube kaum, dass sich Russland gross bewegen lassen wird.» Und: «Putin sieht sich im militärischen Vorteil und ist deshalb nicht an einem Waffenstillstand interessiert. Moskau erhofft sich, den Westen zu ermüden.»
Zwei Szenarien für Freitag
Worauf dieser Freitag zusteuert, lässt sich derzeit nur schwer vorhersagen – doch im Kern zeichnen sich zwei Szenarien ab, so Berni. Im ersten Szenario «lässt sich Trump erneut von Putin beschwichtigen – vielleicht sogar einschüchtern – und verlängert sein Ultimatum». Kritiker sprechen in solchen Momenten gerne von einem weiteren TACO-Moment: «Trump Always Chickens Out» («Trump macht immer einen Rückzieher»).
Im zweiten Szenario zieht Trump tatsächlich durch – so wie er es etwa beim Angriff auf das iranische Atomprogramm gemacht hat. Er verhängt harte Sekundärsanktionen, nimmt weitere wirtschaftliche Verwerfungen in Kauf und riskiert politische Spannungen mit Ländern wie Indien und China. Doch auch dann bleibt die Frage: Wie wirksam wären neue Sanktionen tatsächlich? «Im besten Fall würde es Monate dauern, bis der Kreml die Auswirkungen spürt», sagt Berni.
Der Freitag selbst dürfte also nicht der grosse Ukraine-Wendepunkt werden, sondern vielmehr eine symbolische Bedeutung haben: ein Moment, in dem sich entscheidet, ob Trump bei Showpolitik bleibt – oder ob er tatsächlich Ernst macht und damit genau das aufs Spiel setzt, was ihm am wichtigsten ist: die Kontrolle über die eigene Inszenierung.