Putins neue Terror-Taktik
Das steckt hinter den Schwarm-Angriffen auf die Westukraine

Der Drohnen-Terror hat diese Woche ein neues Ausmass angenommen. Im Visier: die Zivilbevölkerung und bislang unbehelligte Städte in der Westukraine. Die Russen setzen auf eine besonders perfide Taktik. Doch der Terror ist Ausdruck eines riesigen Russen-Problems.
Publiziert: 13.07.2025 um 19:22 Uhr
|
Aktualisiert: 13.07.2025 um 19:29 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren
Perfide Taktik: Russische Kampfdrohnen machen der ukrainischen Bevölkerung den Alltag zum Albtraum.
Foto: IMAGO/NurPhoto

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_AUTOR_823.JPG
Samuel SchumacherAusland-Reporter

Zitternde Wände, zerborstene Fenster, wieder ein Wohnblock getroffen, wieder eine Familie ausgelöscht: Für viele ukrainische Städte waren die vergangenen sieben Nächte ein nicht enden wollender Albtraum. 1800 Kampfdrohnen, 1200 Bomben und 83 Raketen haben Wladimir Putins (72) Truppen auf Kiew, Odessa, Lemberg und einige kleinere Städte in der Westukraine abgefeuert. Das ist Terror-Rekord in diesem Krieg.

Die Russen setzen seit einigen Tagen auf eine besonders perfide Methode, um ihre Killerdrohnen-Schwärme noch tödlicher zu machen. Und trotzdem: Die jüngsten Mordnächte zeigen laut Experten, dass Moskau mit seinem Militärlatein bald am Ende sein dürfte.

Als «Ausdruck strategischer Verzweiflung» bewertet der Londoner Kriegsexperte Lawrence Friedman (76) die massiven russischen Attacken auf zivile Ziele; als «Ersatzhandlungen» für die ausbleibenden Erfolge an der Front sieht sie Michael Kofman, Verteidigungsexperte der amerikanischen Denkfabrik Carnegie Endowment. Und Marcus Keupp (47), Militärökonom an der Militärakademie an der ETH Zürich, sagt zu Blick: «Für jeden Panzer, den Moskau produziert, verliert es einen an der Front.» Statt Panzer und schwerem Gerät blieben den Russen nur noch die vergleichsweise billigen Kampfdrohnen.

1/10
Die iranischen Shahed-Drohnen und ihre russischen Imitate werden von Putins Soldaten zu Hunderten auf zumeist zivile Ziele gelenkt.
Foto: keystone-sda.ch

Jetzt schaltet sich sogar Trump ein wegen Drohnenterror

Putins Terror, ein Zeichen der militärischen Schwäche? Mag sein. Doch grausam sind die russischen Angreifer selbst in ihrer vermeintlichen Krisenlage. Das zeigte vergangene Woche die Jagd einer russischen Kampfdrohne auf den einjährigen Dmytro in einem Vorort der ukrainischen Stadt Cherson. Das spielende Kind wurde vom Drohnenpiloten regelrecht hingerichtet – auf Knopfdruck aus grosser Distanz.

Bis zu 1000 Kampfdrohnen pro Tag erwartet die Ukraine laut Präsident Wolodimir Selenski (47) in den kommenden Wochen. Rund 300 aufs Mal hätten sich bei den letzten Attacken auf einzelne Städte gestürzt. Besonders perfid: «Die russische Armee verwendet jedes Mal auch spezielle Imitationsdrohnen, die die Luftabwehr ablenken und überwältigen. Das ist abscheulicher Terror», sagte Selenski am Samstag bei seiner täglichen Videoansprache.

Besserung im Kampf gegen den Terror – das Team der ukrainischen Newsplattform «Kyiv Independent» hat in einer Videoreportage diese Woche festgehalten, wie sich die Drohnennächte in der Hauptstadt anfühlen – ist in Sicht. US-Präsident Donald Trump (79) hat zugesagt, weitere Patriot-Flugabwehrsysteme an die Nato zu verkaufen, die das Verteidigungsbündnis dann an die Ukraine weitergeben kann.

Zudem hat die Ukraine selbst vergangene Woche das «Clear Sky»-Programm lanciert: Umgerechnet fünf Millionen Franken hat das Land in Abfangdrohnen investiert, die nachts über der Hauptstadt Kiew aufsteigen und Jagd auf russische Kampfdrohnen machen. Rund 95 Prozent der russischen Drohnenangriffe können die Ukrainer inzwischen vereiteln.

2000 Franken Monatslohn für ukrainische Drohnenjäger

Dabei helfen sollen neuerdings auch Heerscharen von Freiwilligen, die das ukrainische Verteidigungsministerium für umgerechnet knapp 2000 Franken pro Monat anheuert, um auf Drohnenjagd zu gehen. Bedingung: Die Drohnenjägerinnen und -jäger müssen mindestens 18 Jahre alt sein und sich für vorläufig drei Jahre verpflichten.

So lange wird der Krieg laut Klemens Fischer (61) allerdings gar nicht mehr dauern. Der Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität Köln sagt zu Blick: «Die angelaufene Sommeroffensive der Russen ist möglicherweise das letzte grosse Gefecht dieses Krieges. Gelingt Putin der Durchbruch nicht, wird er spätestens im Herbst über Verhandlungen nachdenken müssen.»

Für die Ukraine wird das so oder so schmerzhaft. Bei Verhandlungen müsste sie zumindest vorübergehend Gebiete abtreten, sagt Fischer. «Zudem müsste Kiew die Aufhebung der Russland-Sanktionen hinnehmen und seinen Nato-Traum aufgeben.» Der Drohnen- und Raketenterror aber, unter dem mehrheitlich die unschuldige Zivilbevölkerung leidet, hätte – vorläufig – ein Ende.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?