Darum gehts
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (47) kann jubeln. Donald Trump (79) scheint definitiv mit Wladimir Putin (72) zu brechen und sich hinter die Ukraine zu stellen. Zum ersten Mal liefert der amerikanische Präsident Kiew Kriegsmaterial, das nicht in Bidens Hilfspaket enthalten war. Dazu gehören ein Patriot-Abwehrsystem sowie «weitere Waffen», wie der US-Präsident sagt.
Die Frage ist, ob die überraschende Trump-Kehrtwende den Krieg in eine neue Phase lenken wird. Fakt ist: Ausgerechnet Trumps Eitelkeit spielt Selenski jetzt voll in die Karten.
Dass Trump eine Kehrtwende macht, hat einen Grund. Nach dem Telefongespräch vom 3. Juli ist er sauer auf Putin, weil dieser nicht auf den besprochenen Waffenstillstand eingeht. Im Gegenteil: Die Russen bombardieren unbarmherzig weiter. Nach Angaben Kiews hat Russland die Ukraine in der Nacht auf Mittwoch mit den schwersten Luftangriffen seit Kriegsbeginn überzogen. Die Ukrainer zählten 728 Drohnen und 13 Raketen. 711 Drohnen und 7 Raketen hätten sie abfangen können.
«Putin tischt Blödsinn auf»
Trumps Ton gegenüber dem Kreml hat sich innert kurzer Zeit gedreht. Als Selenski am 28. Februar im Weissen Haus zu Besuch war, nahm er Putin in Schutz, während er Selenski die Schuld für den Krieg in die Schuhe schob. Vor wenigen Wochen wetterte Trump dann über den Kreml-Chef: «Er ist absolut verrückt geworden.» Diese Woche doppelte er nach: «Wir bekommen von Putin eine Menge Blödsinn aufgetischt. Er ist die ganze Zeit sehr nett, aber es stellt sich heraus, dass es bedeutungslos ist.»
Es ist offensichtlich: Trump schmollt. Philipp Adorf, Republikaner-Spezialist an der Universität Bonn, sagt gegenüber Blick: «Trump scheint zunehmend das Gefühl zu haben, von Putin nicht auf Augenhöhe behandelt zu werden.» Sein Wahlversprechen, den Krieg «innerhalb eines Tages» zu beenden, scheitere mangels Kooperationsbereitschaft Moskaus. Adorf: «Das untergräbt nicht nur seine Glaubwürdigkeit als effektiver Dealmaker, sondern birgt auch das Risiko, ihn öffentlich als machtlos erscheinen zu lassen.»
Für Kiew ist das Signal aus den USA von immenser Bedeutung. Marcel Berni, Strategieexperte an der ETH-Militärakademie, sagt gegenüber Blick: «Zwar haben die Europäer ihre Unterstützungsleistungen in den letzten Monaten verstärkt. Doch die Ukraine ist nach wie vor dringend auf die Rüstungs- und Technologiegüter angewiesen, die nur die USA liefern können.»
Dank der Wiederaufnahme amerikanischer Lieferungen von Patriot-Raketen, Munition, Ersatzteilen und Waffen kann die Ukraine vor allem in der schwächelnden Luftverteidigung wieder aufrüsten. Wegen fehlender Mittel ist es den Russen in den vergangenen Monaten gelungen, einerseits Ziele in der ganzen Ukraine zu treffen und andererseits im Osten laufend vorzustossen.
Ukraine spielt kleine Rolle
Die Frage bleibt, wie umfangreich und dauerhaft die Lieferungen aus den USA sein werden. Und: Ob Trump sogar selber ins Kriegsgeschehen eingreift. Immerhin soll er schon einmal damit gedroht haben, wie CNN berichtet. Während des Wahlkampfs im vergangenen Jahr habe Trump seinen Spendern erzählt, dass er Putin noch vor der Invasion mitgeteilt habe: «Wenn du in die Ukraine einmarschierst, werde ich Moskau in Grund und Boden bombardieren.»
Ein solches Szenario ist aber kaum denkbar. Zwar könnte Trumps sichtbarer Bruch zum Kreml republikanische Kongressabgeordnete dazu ermutigen, schärfere Sanktionsmassnahmen mitzutragen, meint Philipp Adorf. Dennoch spiele die Ukraine in der republikanischen Basis nur eine untergeordnete Rolle. Adorf: «Ein vergleichbares extensives Engagement der Vereinigten Staaten wie beim Angriff auf das iranische Atomprogramm ist auf dem Kriegsfeld der Ukraine nicht zu erwarten.»