Nach Telefongespräch über Frieden in der Ukraine
Wo sich Trump in Putin täuscht

Am Montag haben Donald Trump und Wladimir Putin am Telefon über baldige Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gesprochen. Russland-Experte Ulrich Schmid ist jedoch überzeugt, dass Putin seine wahren Absichten nicht am Telefon genannt hat.
Publiziert: 19.05.2025 um 21:46 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2025 um 21:47 Uhr
«Für Trump ist der Frieden nur sekundär», sagt Russland-Experte Ulrich Schmid. Der US-Präsident wolle primär wirtschaftliche Vorteile herausholen.
Foto: AFP
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Daniel JungRedaktor News

Donald Trump (78) und Wladimir Putin (72) haben miteinander telefoniert – zum dritten Mal in diesem Jahr. Etwa um 16.35 Uhr begann das Gespräch, das mehr als zwei Stunden dauerte. 

Kremlchef Putin hat das Telefonat als gehaltvoll, offen und sehr nützlich beschrieben. Auch Trump zeigte sich zufrieden. Russlandexperte Ulrich Schmid ist allerdings sicher, dass sich der amerikanische Präsident in einem entscheidenden Punkt täuscht. 

Putin spricht über Frieden

Putin telefonierte in Sotschi am Schwarzen Meer, wo er einen Amtssitz hat. Dort sagte er nach dem Anruf, dass Russland bereit sei, an einem Memorandum mit der Ukraine zu arbeiten, das einen Waffenstillstand beinhalten würde. Moskau wolle die Kampfhandlungen beenden, es müsse jedoch der «effektivste Weg zum Frieden» gefunden werden. Dafür müssten Kiew und Moskau Kompromisse eingehen, die allen Seiten gerecht werden, meinte Putin. 

Am Ende seiner dreiminütigen Erklärung in Sotschi wiederholte Putin sein Mantra, dass ein Friedensabkommen «die Grundursachen dieser Krise beseitigen» müsse – eine Anspielung auf Russlands Forderung nach weitreichendem Einfluss auf die Ukraine.

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Putin nannte das Gespräch gehaltvoll und nützlich.
Foto: IMAGO/SNA

Trump optimistisch

Donald Trump zeigte sich nach dem Telefonat zuversichtlich. «Ich glaube, es ist sehr gut gelaufen», schrieb er auf der Plattform Truth Social. «Russland und die Ukraine werden unverzüglich Verhandlungen über einen Waffenstillstand und, was noch wichtiger ist, über ein Ende des Krieges aufnehmen.»

Die Bedingungen dafür würden zwischen den beiden Parteien ausgehandelt. «Der Ton und der Geist des Gesprächs waren ausgezeichnet», erklärte Trump.

Russland wolle mit den USA in grossem Umfang Handel treiben, wenn dieses katastrophale «Blutbad» vorbei sei, erklärte Trump, «und ich stimme dem zu». Für Russland biete sich eine enorme Chance zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohlstand. Russlands Potenzial sei «unbegrenzt», so Trump. Auch die Ukraine könne beim Wiederaufbau vom Handel profitieren.

«Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine werden unverzüglich beginnen», sagte Trump. Dies habe er auch dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) sowie wichtigen Partnern in Europa mitgeteilt. 

Der Vatikan habe erklärt, dass er sehr daran interessiert wäre, als Verhandlungsort zu dienen. «Möge der Prozess beginnen!», so Trump. 

«Putin will den Krieg»

Weniger optimistisch als der amerikanische Präsident ist Ulrich Schmid (59), Professor für Osteuropastudien an der Uni St. Gallen. «Für Putin ist ein Waffenstillstand das Worst-Case-Szenario», sagt er. 

Nur die Ukraine und die Europäer würden sehnlich auf einen Waffenstillstand hoffen, weil der Abnützungskrieg sie an ihre Grenzen bringe. «Anders als Trump meint, will Putin aber keinen Frieden», sagt Schmid. Putin wolle diesen Krieg, den er angefangen hat.

Weiterhin halte Putin an seinen Maximalforderungen fest – Kontrolle über weite Teile der Ostukraine sowie die Installation eines kremlfreundlichen Regimes in Kiew. «Nach wie vor bezeichnet er Selenski als Neonazi», sagt Schmid. 

Putin arbeite gleichzeitig auf ein Ende der Sanktionen hin. Deshalb ist es für ihn erfreulich, wenn Trump bereits das Potenzial des Handels lobt. «Für Trump ist der Frieden nur sekundär», sagt Schmid. Trump wolle primär wirtschaftliche Vorteile herausholen. «Die Ukraine per se ist ihm egal.» 

Wenn Putin mit Engelszungen über den Frieden rede, dann spiele er primär mit westlichen Erwartungen, sagt Schmid. Seine wahren Absichten habe er erst am Wochenende wieder gezeigt, als Russland die Ukraine mit den nach Zahlen stärksten Drohnenangriffen seit Kriegsbeginn überzogen hat. «Das ist Putins wahre Botschaft», sagt Schmid. Er ist deshalb wenig zuversichtlich, dass im Vatikan bald ein Waffenstillstand beschlossen wird.

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