Trump fordert Kriegsende am 9. August
Experte warnt: «Weder Putin noch Selenski wollen verhandeln»

Der US-Präsident verschärft seine Gangart gegen Russland. Doch an der dramatischen Lage im Ukraine-Krieg dürfte das vorerst wenig ändern. Für Putin läuft es grad ziemlich rund an der Front.
Publiziert: 29.07.2025 um 13:39 Uhr
|
Aktualisiert: 29.07.2025 um 15:36 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren
Donald Trump hat Putin eine neue Deadline gesetzt, um den Krieg gegen die Ukraine zu beenden.
Foto: Jacquelyn Martin

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_AUTOR_823.JPG
Samuel SchumacherAusland-Reporter

Der 9. August ist für die Russen seit 1714 ein Freudentag: Damals gewann ihre Flotte zum ersten Mal eine Schlacht. Jene um die schwedische Halbinsel Hanko (gehört heute zu Finnland). Dieses Jahr aber dürfte der Tag für Wladimir Putins (72) Reich ein rabenschwarzer werden. Mindestens dann, wenn Donald Trump (79) seine Drohung wahr macht und am 9. August neue Sanktionen gegen Russland und seine wichtigsten Handelspartner verhängt.

«Es gibt keinen Grund zu warten», sagte Trump am Montag in Schottland über seine ursprüngliche 50-Tages-Deadline, die er Putin für einen Waffenstillstand gegeben hatte. Statt 50 gibt er Putin nur noch 12 Tage Zeit. «Ich sehe schlicht keinen Fortschritt. Ich bin sehr enttäuscht von Präsident Putin.» Trotz Trumps neuem Druck will Putin nicht einlenken. «Wir haben Präsident Trumps Erklärung gestern zur Kenntnis genommen. Die Spezialoperation dauert an», sagte sein Sprecher. Aus russischer Sicht verständliche, denn: Allen Unkenrufen zum Trotz: Für Russland läuft es derzeit überraschend gut an der Front.

Ukrainische Quellen bestätigen, dass erste russische Truppen bis ins Innere der strategisch wichtigen und hart umkämpften Stadt Pokrowsk vorgestossen sind. Die bis zu 30'000 nordkoreanischen Soldaten, die laut südkoreanischen Geheimdienstkreisen schon im August zu ihren russischen Kameraden stossen könnten, lindern Putins Personalsorgen zudem fürs Erste klar.

1/10
Der US-Präsident will, dass Putin bis am 9. August einem Waffenstillstand zustimmt.
Foto: keystone-sda.ch

Russen erobern pro Tag 15 Quadratkilometer

Entsprechend alarmistisch äussern sich ukrainische Insider zur Situation an der Front. «Wir verlieren jeden Tag rund 15 Quadratkilometer an die Russen. Im Winter waren es noch fünf Quadratkilometer», rechnet der ukrainische Ex-Parlamentarier und Offizier Igor Lutsenko (46) auf Facebook vor. «Natürlich sind die russischen Gebietsgewinne dürftig im Vergleich zu ihren gesetzten Zielen. Trotzdem: Die Ukraine bricht langsam zusammen unter dem Dauerbeschuss und dem Verlust von mehr und mehr Gebieten.»

Putin wird keinen Grund sehen, jetzt einfach abzubrechen. Verhandeln tut nur, wer keine militärischen Optionen mehr hat. Alte Kriegslogik. Das bestätigt auch Klemens Fischer (61), Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Uni Köln, gegenüber Blick: «Solange die Russen an den Sieg auf dem Schlachtfeld glauben, werden sie nicht ernsthafte Verhandlungen führen wollen.»

Ein Sieg wäre für Putin das Vordringen bis zum Fluss Dnjepr, der die Ukraine ziemlich genau in der Mitte von Nord nach Süd durchfliesst, sagt Fischer. Die Hauptstadt Kiew liegt am Dnjepr. «Gelingt den Russen das, wäre das das Ende der Ukraine als souveräner Staat.»

Trumps neue Deadline aber wird Putin nicht kaltlassen. Zieht der US-Präsident seine Drohung für einmal durch und verhängt tatsächlich sogenannte Sekundärsanktionen, würde das bedeuten, dass Länder wie China und Indien (die wichtigsten Handelspartner Moskaus und die grössten Käufer von russischem Gas) von den USA mit massiven Strafzöllen belegt werden. Xi Jinping (72) in Peking und Narendra Modi (74) in Delhi dürften dann allen Grund haben, den «guten Freund» in Moskau, wenn auch nicht gleich über Bord zu werfen, dann doch für eine Weile zu ghosten, sich also zu distanzieren.

Verhandlungen wären für Selenski «politischer Selbstmord»

Zu Verhandlungen aber wird es laut Geopolitik-Experte Fischer trotzdem kaum kommen. «Auch Selenski hat derzeit kein Interesse an Verhandlungen: Sie würden zwingend zur Aufgabe der verlorenen Gebiete führen», sagt Fischer. Das würde den ukrainischen Präsidenten bei den nächsten Wahlen fast garantiert das Amt kosten. «Verhandlungen wären für ihn politischer Selbstmord.»

Umso mehr ist Selenski aktuell darum bemüht, Trump zum Handeln zu drängen. Am Montag dankte er dem US-Präsidenten ausführlich für die neue Deadline und erinnerte daran, dass Putin tags zuvor wieder 22 Menschen in der Ukrainte getötet hatte – darunter eine 23-jährige Schwangere in einem Spital in Kamjanske.

Auch die russische Bevölkerung spürt den Krieg so deutlich wie seit langem nicht. Pro-ukrainischen Saboteuren gelangen mehrere Anschläge auf strategisch bedeutsame Eisenbahnstrecken und Flugplätze. Zudem legte ein Hackerangriff auf die staatliche Airline Aeroflot zeitweise die wichtigsten Flugverbindungen im riesigen Land lahm.

Und: Am Ende der Gottesdienste in den russisch-orthodoxen Kirchen ertönt neuerdings ein ganz spezielles Glockengeläut. Laut einem russischen Priester sollen die Glocken das GPS-Signal ukrainischer Drohnen stören und sie unschädlich machen. Wenn das die russische Taktik ist, dann wird das für Moskau ein heisser Sommer – nicht nur wegen Trumps neuer Deadline.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?