Trump segnet Monstergesetz ab
Nagen 42 Millionen Amis bald am Hungertuch?

Die Unterschrift steht, die «One Big Beautiful Bill» gilt, Amerika wird kräftig umgepflügt. Während wir Europäer uns über die Neuerungen freuen dürfen, sind sie für Millionen Amerikaner eine wahr gewordener Albtraum. Eine Einordnung.
Publiziert: 10:16 Uhr
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Aktualisiert: vor 54 Minuten
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Donald Trump hat das 940-seitige «One Big Beautiful Bill»-Gesetz am Freitagnachmittag Ortszeit in Washington unterzeichnet.
Foto: keystone-sda.ch

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Amerika hat bestellt, er hat geliefert: Als «bestes Geburtstagsgeschenk für die Vereinigten Staaten» sieht Donald Trump (79) sein «One Big Beautiful Bill», das 940-seitige Monstergesetz, das er am amerikanischen Nationalfeiertag vor dem Weissen Haus feierlich unterzeichnet hat.

«Die ist gut geworden», sagte Trump über die Unterschrift unter das Gesetz, das zwei Tage zuvor mit 218 «yeays» zu 214 «nays» denkbar knapp durchs Repräsentantenhaus schlitterte. Das Gesetz markiert den grössten Eingriff ins amerikanische Wohlfahrtssystem seit Generationen, zementiert historische Steuererleichterungen, pumpt massiv Geld in die Streitkräfte und lässt die Staatsverschuldung um bis zu 4000 Milliarden Dollar anschwellen. Vor allem aber wirft das Gesetz ein Schlaglicht auf ein riesiges Problem, das Trump gerne totschweigt.

Doch für Probleme hatte der 47. (und 45.) US-Präsident bei den Feierlichkeiten rund um die Unterzeichnung des «Big Beautiful Bills» kein Ohr. Trump – mit rosa Krawatte und frisch gebräunter Fassade – liess einen der kürzlich im Iran zum Einsatz gekommenen B-2-Bomber und mehrere F-35-Kampfjets über das Weisse Haus donnern.

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Donald Trump hat das 940-seitige «One Big Beautiful Bill»-Gesetz am Freitagnachmittag Ortszeit in Washington unterzeichnet.
Foto: keystone-sda.ch

1000 Dollar für jedes Ami-Baby bis 2029

Die Botschaft war klar: Trumps Macht kommt nicht nur aus seinen Sharpie-Stiften, mit denen er seine Kettensägen-Unterschriften unter Exekutivanordnungen und «wunderschöne Gesetze» zimmert. Sie bringt sich in der mit Abstand mächtigsten Armee der Welt zum Ausdruck, die dank des neuen Gesetzes mit zusätzlich 150 Milliarden Dollar modernisiert und aufgerüstet werden soll.

Das sind nicht nur für die Falken der US-Politik gute Neuigkeiten, sondern auch für uns Europäer. Ein starkes US-Militär ist vonnöten, solange Europa angesichts der sich im Osten zusammenbrauenden Tyrannenstürme weiter nur kleckert bei der Aufrüstung.

Doch der Zusatzbatzen für die amerikanischen Streitkräfte ist nur ein winziges Steinchen im kunterbunten Mosaik eines des dicksten Gesetze der US-Geschichte. Die «One Big Beautiful Bill» wäre auf die Schweiz gemünzt etwa so, wie wenn wir mit einer einzigen Abstimmung gleichzeitig über Minarettinitiative, 13. AHV, EU-Beitritt, Unternehmenssteuerreform, Halbierungsinitiative und Kampfjetbeschaffung hätten abstimmen müssen. Dass alle republikanischen Abgeordneten (bis auf zwei Abweichler) geschlossen für das Paragrafen-Monstrum gestimmt haben, zeigt, wie sehr Trump die «Grand Old Party» noch immer dominiert.

So begeistert man sich auf der republikanischen Seite über das Gesetz zeigt, mit dem Trump mehrere seiner zentralen Wahlversprechen einlösen kann (Fertigstellung der Grenzmauer zu Mexiko, keine Steuern mehr auf Trinkgelder, 1000 Dollar für jedes Neugeborene in Amerika bis 2029), so sehr echauffiert man sich auf der Gegenseite darüber.

«Dafür müssen wir die Republikaner zur Kasse bitten», fordert etwa Kamala Harris (60) in einer Mail an ihre Unterstützter. Die demokratische Partei verbreitet die Horrorzahl von 17 Millionen Amerikanern, die wegen der Kürzungen bei der staatlich finanzierten Medicaid ihre Krankenkasse verlieren werden. In mehreren Swingstates laufen kommende Woche politische TV-Werbungen an, in denen die Demokraten den Republikanern vorwerfen, die kleinen Leute für ihre Luxus-Steuererleichterungen schamlos auszunutzen.

Den USA droht laut Demokraten eine Hungerkrise

Besonders heftig könnte es laut den Demokraten die rund 42 Millionen Menschen in den USA treffen, die für ihr Überleben auf Nahrungsmittelmärkli («Foodstamps») angewiesen sind. 212 Dollar kriegen die Bezüger im Schnitt pro Monat. «Ich weiss nicht mehr, was tun, wenn man mir das wegnimmt», schreibt eine verzweifelte Foodstamp-Abhängige in einem Forum auf der Plattform Reddit. «Eines garantiere ich euch: Die Suizidrate in den USA wird nach diesem Gesetz massiv steigen.»

Dass im «reichsten Land der Weltgeschichte» (Zitat Trump) jeder siebte nur mit staatlich subventionierten Lebensmittelzuschüssen überleben kann, zeichnet ein düsteres Bild davon, wie es den Menschen im von Trump ausgerufenen «goldenen Zeitalter der USA» wirklich geht. Mehrere Bundesstaaten – darunter Hawaii, New Mexico, Vermont und Florida) zapfen ihre Notfallbudgets an, um im «Big Beautiful Bill»-Zeitalter die hungrigen Mäuler ihrer Bürger zu stopfen.

Trump lässt sich davon nicht die Feierlaune verderben. Direkt nach dem Nationalfeiertagsfeuerwerk am Freitagabend flog er in sein Golfresort in Bedminster, New Jersey. «Alles ist so gut wie noch nie. Und ab jetzt wird alles nur noch besser», rief er der geladenen Gästeschar vor dem Weissen Haus zu. Gespannt bleiben: erlaubt!

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