Darum gehts
Donald Trump (79) hat genug – von der Realität. Nachdem das amerikanische Bureau of Labor Statistics (BLS), zuständig für Arbeitsmarktstatistiken, am Freitag enttäuschende Daten veröffentlichte, zögerte der Präsident keine zwölf Stunden: Erika McEntarfer (52), die Chefin der Behörde, wurde gefeuert. Ein abruptes Ende für eine ausgewiesene Fachfrau – und ein fatales Signal für alle, die auf nüchterne Fakten in unsicheren Zeiten angewiesen sind.
Angriff auf die neutrale Institution
Nur 73'000 neue Stellen im Juli. Dazu eine bittere Korrektur der Vormonate: Aus zunächst 291'000 neuen Jobs wurden nachträglich mickrige 33'000. Eine schmerzhafte Nachricht für einen Präsidenten, der sich während des Wahlkampfs noch als Wirtschaftswunder vermarktete. Doch statt sich der ökonomischen Realität zu stellen, unterstellt er der Behörde Betrug. Die Daten seien «MANIPULIERT». Auf seiner Plattform Truth Social wetterte er, McEntarfer habe die Statistik zu seinen Ungunsten «gefälscht».
«So etwas geschieht in Diktaturen, nicht in Demokratien», warnt der Finanzstratege Art Hogan. Wirtschaftsnobelpreisträger George A. Akerlof (85) vergleicht den US-Präsidenten in der «New York Times» mit einem fünfjährigen Kind, das nicht verlieren kann. Und Michael Strain vom konservativen American Enterprise Institute spricht auf Musks Plattform X von einem Akt, der «den USA schadet». Denn Trump untergräbt nicht nur eine Behörde. Er untergräbt das Vertrauen in ein Fundament jeder modernen Volkswirtschaft: die verlässliche, unabhängige Datensammlung.
Was passiert, wenn sich eine Regierung von dieser Neutralität verabschiedet, zeigen verschiedene Beispiele. Griechenland stürzte 2010 in eine Schuldenkrise, nachdem es jahrelang Budgetdefizite geschönt hatte. In Argentinien verlor die Regierung Anfang der 2000er-Jahre durch manipulierte Inflationszahlen das Vertrauen der Märkte – mit verheerenden Folgen für die Kreditwürdigkeit des Landes. Und in China suchen Investoren seit Jahren nach Alternativindikatoren, weil offizielle Wachstumszahlen aus Peking als politisch motiviert gelten.
Vertrauen als Wirtschaftswährung
Die USA waren bislang anders. Ihre statistischen Institutionen agierten unabhängig von kurzfristigen politischen Interessen. Die Arbeitsmarktzahlen des BLS gehören zu den wichtigsten Wirtschaftsdaten der Welt. Sie beeinflussen Investitionen, Zinsen, Börsenkurse. Selbst die US-Notenbank Fed stützt sich bei ihren Zinsentscheidungen auf sie.
Bei der Notenbank hatte Präsident Trump schon mehrmals an der Unabhängigkeit geritzt: Immer wieder greift er Fed-Chef Jerome Powell (72) öffentlich an, wenn dieser sich weigert, geldpolitisch in Trumps Sinne zu handeln. Im Falle von McEntarfer ist Trump nun aber vor einer Kündigung nicht zurückgeschreckt.
Ein Vertrauensverlust in die Datensammlung zum Arbeitsmarkt hatte sich bereits zuvor abgezeichnet. Immer weniger Unternehmen nehmen an den BLS-Erhebungen teil. Die Rücklaufquote liegt mittlerweile bei nur noch 67 Prozent. Gleichzeitig wurde das Budget der Behörde seit 2009 um rund 20 Prozent gekürzt – unter Trump wurde sogar ein Einstellungsstopp verhängt. Eine ehemalige Leiterin des BLS warnte im Juni: «Diese Entwicklung zwingt uns als Land zu einem Blindflug.» Nun ist auch noch die Pilotin aus dem Cockpit geworfen worden.
Wenn Loyalität über Fakten steht
Für die Nachfolge von McEntarfer zeichnet sich schon jetzt ein Dilemma ab: Wer auch immer ihren Posten übernimmt, steht unter Generalverdacht, eine Marionette Trumps zu sein. Selbst korrekt erhobene Daten könnten künftig angezweifelt werden – von Investoren, der Notenbank, der Öffentlichkeit. In einem Umfeld, in dem politische Loyalität über fachliche Unabhängigkeit gestellt wird, droht die Wahrheit im politischen Schaukampf unterzugehen.
Für die Weltwirtschaft bedeutet das zusätzliche Unsicherheit. Und Unsicherheit ist bekanntlich Gift für Wachstum. Unternehmen planen langfristig. Wenn der politische Kurs eines Landes so erratisch ist wie seine Datenbasis, steigen die Risiken – und mit ihnen die Zurückhaltung bei Investitionen. Dies könnte sich global auswirken.
Was bedeutet das für die Schweiz?
Auch für die Schweiz ist das ein Risiko, gerade was die potenzielle Neuverhandlung der 39-Prozent-Strafzölle angeht. Wer künftig mit den USA redet, muss sich fragen: Verhandeln wir auf Basis realer Wirtschaftskennzahlen – oder auf Grundlage dessen, was dem Präsidenten gerade in den Kram passt? Wenn die Grundlage eines Gesprächs nicht stabil ist, wird jede Verhandlung zum politischen Glücksspiel.