Darum gehts
- ZDF-Dokumentation bricht Tabu: häusliche Gewalt gegen Männer thematisiert
- Betroffene schildern jahrelanges Leiden unter verbaler und körperlicher Gewalt
- 2024 wurden 3444 männliche Opfer häuslicher Gewalt in der Schweiz registriert
In einer neuen Dokumentation des ZDF brechen zwei Männer ein Tabu und sprechen ein Thema an, das bislang wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhält: häusliche Gewalt gegen Männer.
Auch in der Schweiz ist häusliche Gewalt bedauerlicherweise ein Thema. Wie Zahlen des Bundesamts für Statistik verraten, gab es im Jahr 2024 schweizweit insgesamt 11’479 Opfer von häuslicher Gewalt (beide Geschlechter). 3444 der Opfer waren männlich – 8035 weiblich. Die Dunkelziffer ist hoch. Oftmals trauen sich Opfer aus Scham nicht, über ihr Leiden zu sprechen.
René (39) und Steven (37) schildern gegenüber dem deutschen Sender, wie sie jahrelang im Stillen litten. Begonnen hatten ihre Beziehungen jeweils ganz normal. Erst nach und nach hätten diese sich zu einem Albtraum entwickelt. «Am Anfang war alles schön, doch dann traten erste verbale Übergriffe auf», erklärt René. Besonders das Thema Eifersucht habe eine grosse Rolle gespielt. Die Situation eskalierte, bis seine Partnerin ihn sogar am Verlassen der Wohnung hinderte. Dies auch mit körperlicher Gewalt. «Sie ist dann auf mich gesprungen und hat sich festgeklammert.»
«Cocktailgläser nach mir geworfen»
Steven machte ähnliche Erfahrungen. Er berichtet von einer besonders bedrohlichen Situation. «In einem Fall hat sie mich mit dem Messer bedroht. Ich weiss nicht, ob sie zugestochen hätte oder nicht. Ich weiss nicht, ob sie dazu in der Lage war. Aber sie stand da mit dem Messer.» Auch zu Cocktailgläsern habe seine Partnerin gegriffen. «Die hat sie nach mir geschmissen.»
Die psychischen Folgen der Gewalterfahrung waren für beide Männer gravierend. René gelang vor rund drei Jahren die Trennung. Als er sich nochmals für ein klärendes Gespräch mit seiner Ex-Freundin treffen wollte, eskalierte die Situation. «Es kam zu sexuellen Handlungen, die ich nicht wollte.» Danach sei er völlig apathisch zu einem Freund geflüchtet, konnte nicht mehr richtig sprechen. «Am nächsten Morgen war ich in der Psychiatrie», so der Deutsche.
Die Scham, als Mann Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein, erschwerte es beiden Männern, Hilfe zu suchen. Nun gingen sie an die Öffentlichkeit. «Ich habe mich entschieden, über das Thema zu reden, weil ich glaube, dass es nicht bekannt genug ist», so René.
Mehr Angebote für männliche Betroffene gefordert
Der Appell: Zusätzlich zu den Anlaufstellen für weibliche Gewaltopfer müsse es auch ausreichende Angebote für Männer geben.
In der Schweiz existiert seit 16 Jahren der Verein Zwüschehalt. Er bietet Unterkünfte für Männer und Väter mit Kindern, die aufgrund häuslicher Gewalt aus der Bahn geworfen werden und eine Zwischenlösung brauchen. «Gewalt an Männern ist nach wie vor ein Tabuthema und wird noch sehr stiefmütterlich behandelt», erklärt Manfred Schneeberger, Leiter Zwüschehalt Luzern, gegenüber Blick. Die Scham, über das Thema zu sprechen, ist häufig gross. Viele Leute können sich nicht vorstellen, dass auch Männer unter Gewalt leiden.
2009 wurde im Kanton Aargau das erste Männerhaus gegründet. 2017 kamen Bern und Luzern dazu, 2022 dann Zürich. «Momentan erhalten wir keine finanzielle Unterstützung von der öffentlichen Hand, dies im Gegensatz zu Frauenhäusern», so Schneeberger. Dabei hat die Zahl der Opfer zugenommen. «Zum Teil herrscht die Meinung, dass es Männerhäuser nicht braucht.»