Darum gehts
Sie kamen, nahmen und flüchteten ungehindert. In ihren Taschen: Schätze von unvorstellbarem Wert. Am Sonntag haben vier Räuber – ganz im Stile des französischen Meisterdiebs Arsène Lupin – bei einem Blitz-Überfall auf das weltberühmte Museum Louvre in Paris einen Teil des Staatsschatzes Frankreichs mitgehen lassen. Die heisse Ware: unter anderem neun Stücke von Napoleons Juwelen.
Nach ersten Erkenntnissen fing der Coup um 9.30 Uhr an: Die Täter stiegen am Sonntagmorgen über einen Umzugslift in das Museum ein. Die französische Kulturministerin, Rachida Dati, sagte im Gespräch mit TF1, dass die Aktion lediglich «vier Minuten» gedauert habe. Dabei hatten sich zwei der Täter mit Warnwesten als Arbeiter ausgegeben. Blick hat den Raubüberfall auf den Louvre protokolliert. Und der hat es in sich, wie ein Experte erklärt.
Profis am Werk
Für den Schweizer Kunstrechtsexperten Andrea Raschèr (64) ist klar: Das war die Tat von gut organisierten Profis. «Wer eine solche Aktion durchziehen will, braucht gutes Timing, eine sehr gute Logistik und eine ausgezeichnete Organisation», sagt er am Sonntag im Gespräch mit Blick.
Einfache Diebe wären nicht in der Lage, einen solchen Raub durchzuziehen. «Infrage kämen zum Beispiel ehemalige Mitglieder militärischer Spezialeinheiten oder Mitglieder von Grossfamilien in der organisierten Kriminalität», so Raschèr.
Er erinnert an den Juwelenraub von Dresden im Jahr 2019. Damals drangen Einbrecher in das historische Grüne Gewölbe in und stahlen binnen Minuten elf Schmuckstücke und zahlreiche Einzelteile aus Diamanten und Brillanten. Der Schaden: rund 113 Millionen Euro.
Fünf Mitglieder der Berliner Remmo-Grossfamilie – sie zählt mit ihren rund 500 Mitgliedern zu Deutschlands kriminellsten Clans – wurden später verurteilt, ein Angeklagter freigesprochen. Ein Grossteil der Beute tauchte 2022 wieder auf, teils beschädigt.
Was mit der Ware geschieht
Bislang konnten die Täter nicht verhaftet werden und somit bleibt auch das Schicksal der wertvollen Beute unklar. Für den Kunstrechtsexperten gibt es eine schlechte und eine etwas bessere Variante, was nun mit der Beute passiert.
Die schlechte Variante: «Schlecht wäre es, wenn es den Dieben nur ums Geld ginge», sagt Raschèr. Dann würden die Schmuckstücke zerstört, die Diamanten und Juwelen geschliffen, das Edelmetall eingeschmolzen und verkauft. Raschèr: «Wer einen solchen Raub durchziehen kann, wird oft bereits einen Abnehmer haben.»
Die zweite Möglichkeit: «Vermutlich war der Raub eine Auftragsarbeit. Die Auftraggeber sind in solchen Fällen Menschen, denen es lediglich um den Besitz der Stücke geht, auch wenn sie diese nur wenigen Menschen zeigen können», erklärt der Experte. «Das gibt solchen Sammlern ein Gefühl von Macht und Überlegenheit, indem sie etwas so Besonderes besitzen.»
Sollte es so sein, bestünde die Möglichkeit, dass die Stücke eines Tages wieder auftauchen. «Zum Beispiel, wenn der Sammler stirbt und die Erben das Diebesgut zurückgeben», fügt Raschèr hinzu. Auch wenn so etwas Jahre dauern mag, wäre es immer noch besser, als wenn die Stücke unwiederbringlich zerstört würden.
Jede Gruppe hat ein schwaches Glied
Auch wenn die Durchführung des Raubs innerhalb weniger Minuten für ein grosses Mass an Professionalität der Diebe spricht, sei noch nicht alles verloren: «Der kritische Faktor ist immer der Mensch. Es gibt immer ein schwaches Glied in einer Gruppe, und wenn dieses einen Fehler macht, kann das zur Festnahme führen», erklärt der Experte. «Aber dafür braucht es Inspektor Zufall.»
Der Faktor Mensch spielt auch in einem anderen Bereich eine zentrale Rolle. «Das war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Insiderjob», ist sich der Experte sicher. Den Ermittlungen zufolge kamen die Diebe über eine Baustelle in den Louvre. «Das deutet stark darauf hin, dass sie Helfer hatten», sagt Raschèr. «Sei es von jemandem aus dem Museum oder von den beteiligten Baufirmen.»
Kein Museum ist sicher
Hundertprozentige Sicherheit gäbe es in keinem Museum. «Es wäre daher verkehrt, mit dem Finger auf den Louvre zu zeigen», sagt der Kunstrechtsexperte. «Jedes Museum steht im Spannungsfeld von Sicherheit und dem Zugänglichmachen der Exponate.»
Dennoch müsste man sich nun fragen, ob im Falle von Paris die Sicherheitsvorkehrungen genügt hätten. «Aber es ist klar: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.»
Das zeigen unzählige Beispiele aus der Vergangenheit. 1911 stahl der italienische Handwerker Vincenzo Peruggia die «Mona Lisa» aus dem Louvre und versteckte sie zwei Jahre lang, bevor sie in Florenz wieder auftauchte. 2004 stürmten zwei bewaffnete Männer das Munch-Museum in Oslo und rissen die bekannten Gemälde «Der Schrei» und «Madonna» an sich. Deren Wert: rund 75 Millionen Euro. Als die Bilder nach zwei Jahren auftauchten, waren sie in extrem schlechtem Zustand.
In der Schweiz erregte 2008 der Raub im Bührle-Museum in Zürich Aufsehen: Vier Gemälde im Wert von 180 Millionen wurden gestohlen, zwei tauchten später wieder auf.