Darum gehts
Es ist eine grauenhafte Vorstellung: Lachende Passagiere freuen sich im startenden Flieger auf die Ferien, während im Cockpit ein Pilot mit Suizidplänen am Steuer sitzt. Schon mehrere Male sollen Piloten mutmasslich wegen persönlicher Probleme teilweise Hunderte Menschen mit in den Tod gerissen haben. Einige Abstürze der letzten Jahre lassen als Unglücksursache kaum einen anderen Schluss zu. Auch beim Absturz der Air-India-Maschine am 12. Juni mit insgesamt 260 Toten könnte es sich um Suizid handeln.
Zwar haben die Luftfahrtbehörden nach dem Germanwings-Absturz von 2015, auch hier soll der Pilot den Flieger absichtlich gecrasht haben, verschärfte Kontrollen eingeführt. Dennoch kann eine solche Wahnsinnstat eines Einzelnen nie ausgeschlossen werden. Doch nun werden Stimmen laut, die den Risikofaktor Mensch ganz ausschliessen wollen.
Der Absturz der Air-India-Maschine in Ahmedabad ist vermutlich auf eine unterbrochene Treibstoffzufuhr zurückzuführen. Wie Auswertungen ergeben haben, sind die gut gesicherten Regler für die Zufuhr beider Triebwerke nach dem Start fast gleichzeitig auf die Position «abgeschaltet» gesprungen. Das, so sagen alle Fachleute, muss von Menschenhand gemacht worden sein. Deshalb wird vermutet, dass der Pilot den Flieger absichtlich zum Absturz gebracht hat.
Jetzt wird die Patientenakte eines der Piloten unter die Lupe genommen. Denn lokale Medien berichteten, dass dieser nach dem Tod seiner Mutter an psychischen Problemen gelitten haben soll und sich deswegen auch schon krankschreiben liess.
Was bringt Videoüberwachung?
Der Absturz lässt eine alte Diskussion wieder aufflammen: Braucht es eine bessere Überwachung der Piloten durch Kameras im Cockpit? Diese Massnahme war bisher vor allem von den Piloten bekämpft worden, weil sie Datenmissbrauch befürchten und am Mehrwert zweifeln.
Gegenüber Blick sagt der Aviatik-Experte und ehemalige Linienpilot Heiner Lüscher: «Eine Überwachung der Cockpits ist – auch mit künstlicher Intelligenz – sehr personal- und kostenaufwendig. Der Nutzen ist zudem beschränkt, weil man oft nur zeitverzögert eingreifen könnte.»
Auch Aviatik-Experte Hansjörg Egger findet: «Mit technischen Mitteln und Überwachung ist gegen Suizidpläne schwer anzukommen. Es kann sogar kontraproduktiv sein, wenn die Cockpitbesatzungen ständig überwacht werden.»
Bei diesen Flugzeugunglücken wird über Suizid als Unglücksursache spekuliert:
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104 Todesopfer: 1997 stürzt auf dem Flug von Jakarta nach Singapur eine Boeing 737 der Silk Air in den Fluss Musi auf Sumatra.
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217 Todesopfer: 1999 stürzt eine Boeing 767 der Egypt Air 360 Kilometer östlich von New York auf dem Weg nach Kairo in den Atlantischen Ozean. Ägypten geht nicht von einem Suizid, sondern von einem Defekt aus.
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33 Todesopfer: 2013 verunglückt eine Embraer 190 auf dem Weg von Maputo nach Luanda in Namibia.
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239 Todesopfer: 2014 verschwindet Malaysia Airlines MH370 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking auf einmal vom Radar. Erst Jahre später werden Trümmer der Boeing 777 gefunden.
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150 Todesopfer: 2015 zerschellt ein Airbus A320 der Germanwings in den französischen Alpen. Er war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf.
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132 Todesopfer: 2022 stürzt in China eine Boeing 737 der China Eastern zwischen Kunming und Guangzhou ab.
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260 Todesopfer: Wegen eines Schubverlusts donnert eine Boeing 787 der Air India kurz nach dem Start in Ahmedabad in Indien auf ein Wohngebiet. 241 Flugzeuginsassen und 19 Personen am Boden sterben. Ein Passagier überlebt.
Bei diesen Flugzeugunglücken wird über Suizid als Unglücksursache spekuliert:
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104 Todesopfer: 1997 stürzt auf dem Flug von Jakarta nach Singapur eine Boeing 737 der Silk Air in den Fluss Musi auf Sumatra.
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217 Todesopfer: 1999 stürzt eine Boeing 767 der Egypt Air 360 Kilometer östlich von New York auf dem Weg nach Kairo in den Atlantischen Ozean. Ägypten geht nicht von einem Suizid, sondern von einem Defekt aus.
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33 Todesopfer: 2013 verunglückt eine Embraer 190 auf dem Weg von Maputo nach Luanda in Namibia.
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239 Todesopfer: 2014 verschwindet Malaysia Airlines MH370 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking auf einmal vom Radar. Erst Jahre später werden Trümmer der Boeing 777 gefunden.
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150 Todesopfer: 2015 zerschellt ein Airbus A320 der Germanwings in den französischen Alpen. Er war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf.
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132 Todesopfer: 2022 stürzt in China eine Boeing 737 der China Eastern zwischen Kunming und Guangzhou ab.
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260 Todesopfer: Wegen eines Schubverlusts donnert eine Boeing 787 der Air India kurz nach dem Start in Ahmedabad in Indien auf ein Wohngebiet. 241 Flugzeuginsassen und 19 Personen am Boden sterben. Ein Passagier überlebt.
Dennoch zeigt sich etwa die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit offen für «eine differenzierte Diskussion über den Einsatz visueller Aufzeichnungssysteme», wie der «Spiegel» die Cockpit-Sprecherin Heike Wagner zitiert. Das bedeutet, dass nur technische Bereiche des Cockpits überwacht würden – ohne Körperteile der Piloten.
Fliegen ohne Pilot?
Würde Fliegen sogar sicherer, wenn man – wie bei selbstfahrenden Autos – in Zukunft den Risikofaktor Mensch ganz ausschaltet und das Steuer allein der Technik überlässt? «Nein», meint Egger mit Überzeugung. «Auch ein pilotenloses Flugzeug wird von irgendeiner Person am Boden aus geleitet, von einer Person, die möglicherweise ebenfalls unter Stress und Spardruck steht.»
Der Sicherheitsfokus muss sich laut den Experten deshalb auf zwei andere Aspekte richten: die Pilotenbetreuung und die Firmenkultur. Egger: «Das Scanning bezüglich geistiger Verfassung und Eignung ist oft mangelhaft.» Er zieht den Vergleich zur Rekrutierung von Militärpiloten. Diese würden in den fliegerärztlichen Instituten nicht nur auf Herz und Nieren geprüft, sondern ganz besonders und intensiv auch auf ihre mentale und seelische Gesundheit, ihr Wohlbefinden und die kognitiven Qualitäten.
Egger kritisiert die zum Teil herrschenden Firmenkulturen, die Piloten wie Zitronen ausquetschten. «Es braucht eine positive Fehlerkultur, eine sogenannte Just Culture, die auf Vertrauen und Fairness basiert. Mitarbeiter müssen ermutigt werden, sicherheitsrelevante Informationen offen zu teilen, ohne Ärger mit dem Arbeitgeber zu bekommen.»
Regelmässige Tests
Eine Massnahme wäre auch ein regelmässiger psychologischer Test der Piloten. Simon Carl Hardegger, Verkehrs- und Sicherheitspsychologe an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), sagt zu Blick: «Das Problem ist, dass man bei der Einstellung eines Mitarbeiters nicht abschliessend wissen kann, ob er irgendeinmal später psychische Auffälligkeiten haben wird.»
Zusammengefasst heisst das: Die einen Experten fordern eine noch härtere Prüfung bei der Rekrutierung und andere – nebst den regelmässigen medizinischen – auch noch regelmässige psychologische Kontrollen sowie eine engere Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Psychologen. Die Fachleute sind aber auch überzeugt: Ganz verhindern lassen sich Suizide im Cockpit nicht.