Partei gibt sich Benimmregeln und streicht «Remigration»
Mit diesem Plan greift die AfD nach der Macht

Auf ihrer Klausurtagung hat die AfD einen Verhaltenskodex eingeführt. Doch das freundliche Gesicht, das sich die Rechtspartei verpassen will, täuscht.
Publiziert: 17:35 Uhr
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Aktualisiert: 18:22 Uhr
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Im Bundestag schlägt AfD-Co-Chefin Alice Weidel oft einen harten Ton an.
Foto: EPA

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Wird die AfD plötzlich anständig und korrekt? Auf der zweitägigen Klausurtagung in Berlin hat sich die rechte Partei selber Benimmregeln für den Bundestag auferlegt. Es geht um «gemässigtes Auftreten» und das Verhindern von Bestechlichkeit. Auf umstrittene Begriffe wie «Remigration» soll verzichtet werden.

Hinter der Benimmoffensive steckt Tino Chrupalla (50), der die Partei zusammen mit Alice Weidel (46) anführt. Doch ihm geht es nicht einfach um Freundlichkeit. Vielmehr sind die Benimmregeln eiskaltes Kalkül.

Die Statistik beweist es: Seit die AfD im Bundestag sitzt, muss die Bundestagspräsidentin öfters disziplinarisch eingreifen. In der im März abgelaufenen Legislatur hatte sich die Zahl der Ordnungsrufe im Vergleich zur Vorlegislatur von 47 auf 135 erhöht. An der Spitze der massgeregelten Politiker lag laut der damaligen SPD-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (57) die AfD.

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Co-Präsidium mit Alice Weidel und Tino Chrupalla: Auf der Klausurtagung sagte die AfD Ja zu einem Verhaltenskodex.
Foto: imago/Andreas Gora

Mehr Anstand, mehr Glaubwürdigkeit

Das soll sich nun ändern. Co-Chef Chrupalla will mit Blick auf die wachsende Wählerschaft – laut jüngsten Umfragen kommt die AfD auf 24 Prozent – den Ton anpassen, um Verantwortung in Regierungen übernehmen zu können. An der Klausur beschloss die AfD einen Verhaltenskodex mit folgendem Inhalt:

  • Anstand: Die Mitglieder sollen um «ein geschlossenes und gemässigtes Auftreten im Parlament bestrebt» sein, um «die politische Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Fraktion sicherzustellen». So sollen rassistische, antisemitische und extremistische Äusserungen sowie umstrittene Begriffe wie «Leitkultur» und «Remigration» unterlassen werden. Es brauche sachliche Kritik statt persönlicher Angriffe.

  • Anti-Korruption: Vorgesehen sind «Regeln zur Prävention von Bestechlichkeit» und zum Ausschluss von Interessenskonflikten.

  • Kleidung: Es wird eine angemessene Kleidung verlangt.

  • Medien: Statements sollen abgestimmt und professionell sein. Provokationen, die der Partei schaden könnten, seien zu vermeiden.

Streben nach Macht

Doch Vorsicht. Das freundliche Gesicht, das sich die AfD selber verpassen will, täuscht. Die Partei bleibt ein Wolf im Schafspelz. «Hinter den Benimmregeln der AfD steckt ein eiskaltes Motiv», meint Thomas Sigmund (59), Politologe und Meinungschef des deutschen «Handelsblatt». Er kommentiert: «Das Ziel der neuen Benimmregeln ist offensichtlich: anschlussfähig werden – in der Mitte, vor allem aber im Osten der Republik.»

Und Volker Resing (55), Chef des Ressorts «Berliner Republik» beim deutschen Nachrichtenmagazin «Cicero», sagt gegenüber Blick: «Es ist der Machtinstinkt der Fraktionsführung, der im Gegensatz steht zu den radikalen Ideologen, die sich nicht im System anpassen wollen.»

In ostdeutschen Bundesländern wie Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegt für die AfD die Macht zum Greifen nahe. Zusammen mit dem Bündnis von Sahra Wagenknecht (55), die die AfD in die politische Verantwortung miteinbeziehen will, käme die AfD gemäss Umfragen teilweise schon auf über 40 Prozent.

Ist die AfD nun auch inhaltlich gemässigt?

Die Frage ist, ob sich die vom Verfassungsschutz als «gesichert rechtsextrem» taxierte Partei mit dem neuen Verhaltenskodex auch inhaltlich mässigen wird. Resing ist skeptisch: «Es gibt keinen Automatismus zu einer Deradikalisierung.»

Vor einer Woche hatte die SPD auf ihrem Parteitag beschlossen, ein Verbot der AfD anzustreben. Für Thomas Sigmund ist das der falsche Weg. Einerseits sei dies juristisch kaum umsetzbar. Andererseits wäre ein gescheitertes oder langwieriges Verbotsverfahren Wasser auf ihre Mühlen. Vielmehr müssten jetzt die andern Parteien die Menschen wieder für sich gewinnen. Sigmund: «Es braucht eine Politik, die tatsächlich wirkt. Die Bürgerinnen und Bürger müssen spüren, dass sich etwas bewegt.»

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