Darum gehts
«Hoi Alice und grüezi mitenand.» Geradezu freundschaftlich begann alt SVP-Bundesrat Ueli Maurer (74) eine Videobotschaft, die im Februar an einer Wahlkampfveranstaltung für AfD-Parteichefin Alice Weidel (46) abgespielt wurde.
Die Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit: Mehrere AfD-Mitglieder hatten zuvor ihre Sympathien zur Schweiz durchblicken lassen. «Die Schweiz ist eines unserer Vorbilder», sagte Björn Höcke (53), Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, einst in einem Interview mit Blick. Auch Weidel selbst schätzt die Schweiz: Zusammen mit ihrer Familie wohnt sie in Einsiedeln SZ.
Schweiz-Lob im Rechtsgutachten
Nun zeigt auch ein Gutachten des deutschen Verfassungsschutzes, wie AfD-Mitglieder von der Schweiz schwärmen. Nicht weniger als 1108 Seiten umfasst das Dokument, das der Behörde als Grundlage diente, die AfD als «gesichert rechtsextremistisch» einzustufen.
Zum Beispiel verweist Joachim Paul (54), AfD-Mitglied des Landtags Rheinland-Pfalz, in einem Instagram-Video vom Februar 2024 auf die Schweiz. Er erklärt darin, wieso er die Junge Alternative (JA) nicht als extremistisch sieht. Die JA ist die ehemalige Jugendsektion der AfD und wurde vom Verfassungsschutz schon im April 2023 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
«Wenn man hier, am Deutschen Eck, in Richtung Rhein schaut, an die Quelle des Rheins, dort gibt es eine Demokratie, die viel älter ist als die Bundesrepublik: die Schweiz», so Paul. Die Schweizer Institutionen würden klar sagen, dass nur die ins Visier geraten, die ihre politischen Ziele mit Gewalt durchsetzen wollen. Alles andere ginge die Behörden nichts an. «Nicht nur in Sachen ‹direkte Demokratie› kann die Schweiz ein Vorbild sein, sondern auch in dieser Angelegenheit», findet Paul.
Tatsächlich fliesst Rechtsextremismus in der Schweiz nur in die Statistik des Nachrichtendiensts ein, wenn Gewalt verübt oder gefordert wird. Ein ideologischer oder politischer Hintergrund reicht nicht aus.
Vorbild direkte Demokratie
Auch die Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Lena Kotré (37) findet anerkennende Worte für die Eidgenossenschaft. An einem Treffen der rechtsextremen Gruppierung Junge Tat, das im Dezember 2024 in der Schweiz stattgefunden hat, sagte sie, die direkte Demokratie würde «ja in der Schweiz wunderbar» funktionieren.
Direkte Demokratie in Deutschland gäbe ihr aber auch Anlass zur Sorge – hinsichtlich muslimischer Migrantinnen und Migranten, die bei Abstimmungen eine Mehrheit erlangen könnten. Der Verfassungsschutz schliesst daraus, dass Kotré muslimischen Zugewanderten einen abgewerteten rechtlichen Status zuschreibt und sich gegen die Garantie der Menschenwürde wendet.
Auch in ihrem Wahlprogramm fordert die Partei mehr direkte Demokratie à la Schweiz. Sie will etwa öfter Referenden durchführen und Initiativen einführen.
Gefährdung für die Schweiz?
Das Gutachten dürfte noch Teil eines langen juristischen Streits werden. Die Partei selbst wehrt sich gegen die Einstufung. Bis zu einem Richterspruch will der Verfassungsschutz die AfD vorläufig nicht mehr als rechtsextrem bezeichnen. In Deutschland wird derweil heftig diskutiert, ob das Gutachten zu einem Verbot der Partei führen müsse.
In der Schweiz hat die Einstufung ebenfalls für Wirbel gesorgt. SP-Nationalrätin Linda De Ventura (38) will vom Bundesrat wissen, wie er den Einfluss der AfD auf die Schweizer Politik einschätzt und was er davon hält, dass sich Weidel quasi dauerhaft in der Schweiz aufhält. De Ventura stellt in den Raum, dass die innere Sicherheit der Schweiz davon gefährdet sein könnte.