Nach US-Bombenangriff
Wie steht es wirklich um das iranische Atomprogramm?

Die USA haben mit einem spektakulären Angriff versucht, die Atomanlagen im Iran zu zerstören. Wie erfolgreich war Operation «Midnight Hammer» wirklich? Laut US-Präsident Trump wurden die Anlagen vollkommen «ausgelöscht». Doch so eindeutig ist es nicht.
Publiziert: 30.06.2025 um 19:16 Uhr
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Aktualisiert: 30.06.2025 um 19:17 Uhr
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Die Atomanlage Fordo im Iran. Aktuelle Satellitenbilder vom 29. Juni zeigen deutliche Spuren des US-Angriffs. Aber wie verheerend war dieser?
Foto: AFP

Darum gehts

  • Iran hält am Atomprogramm fest. USA und Israel bombardierten Atomanlagen
  • IAEA-Chef fordert Zugang zu beschädigten Anlagen, Iran lehnt ab
  • 408 Kilogramm hochangereichertes Uran könnten für mindestens neun Atombomben reichen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Für US-Präsident Donald Trump (79) und seine Anhänger gibt es keinen Zweifel: Alle drei Atomanlagen (Fordo, Natanz, Isfahan) im Iran wurden beim US-Angriff «Midnight Hammer» (auf Deutsch: Mitternachtshammer oder -schlag) komplett zerstört. 

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (45) bekräftigte dies bei seiner Rede im Pentagon vergangene Woche und warf den US-Medien eine «Hexenjagd» vor. Sie hatten, basierend auf einem Geheimdienstbericht, berichtet, die Angriffe hätten das iranische Atomprogramm nur um einige Monate zurückgeworfen. Die iranischen Zentrifugen sowie die Vorräte an angereichertem Uran seien nicht vollständig zerstört. Nur die Zugänge zu einigen Anlagen wurden demnach versperrt, ohne dass unterirdische Gebäude zerstört wurden. Was stimmt also?

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Welche Beweise für die Zerstörung gibt es?

Die US-Regierung hat bisher keine eindeutigen Beweise für die vollständige Zerstörung geliefert. Dafür zeigen aktuelle Satellitenbilder von Maxar Technologies, dass sich zum Beispiel an der Atomanlage Fordo im Iran etwas tut. Die Aufnahmen stammen vom 29. Juni. Zu sehen sind mehrere Baufahrzeuge. Bagger, Bulldozer und Lastwagen. Offenbar arbeitet der Iran mit Hochdruck daran, wieder Zugang zur Anlage zu bekommen. Auch eine neue Zufahrtsstrasse scheint im Bau zu sein. 

«Die Bomben schlugen genau dort ein, wo sie mussten»
3:07
Angriff auf Atomanlagen:«Die Bomben schlugen genau dort ein, wo sie mussten»

Andererseits zeigen Satellitenbilder, die kurz nach dem US-Angriff aufgenommen wurden, dass es durchaus Schäden an den Anlagen gab und gibt. Krater und schwarze Brandflecken sind an den Zufahrtsstrassen und Tunneln zu erkennen. Wie schwer die Schäden aber tatsächlich sind, lässt sich anhand der Aufnahmen nicht sagen. 

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Was sagt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA)?

Nach Einschätzung der IAEA könnte der Iran bereits in einigen Monaten wieder mit der Urananreicherung beginnen. Das iranische Atomprogramm sei durch die Angriffe der USA und Israels nicht völlig zerstört worden, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi (64) dem US-Sender CBS.

«Wissen nicht, wo sich das hochangereicherte Uran befindet»
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Grossi in CBS-Interview:«Wissen nicht, wo sich das hochangereicherte Uran befindet»

Abgesehen davon sei unbekannt, was nach den Bombardements aus den schätzungsweise gut 408 Kilogramm Uran geworden sei, die der Iran bereits auf einen hohen Grad von 60 Prozent angereichert hatte. Ein Teil davon sei womöglich bei den Angriffen zerstört worden, «aber etwas davon könnte fortgebracht worden sein», sagte Grossi. Weiter angereichert auf 90 Prozent, würde dieses Uran für mindestens neun Atombomben reichen.

Grossi hatte nach den Angriffen Zugang zu den beschädigten Anlagen gefordert, um die Bestände an angereichertem Uran überprüfen zu können. Die Regierung in Teheran lehnt dies bisher ab.

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Warum lehnt der Iran eine Inspektion durch die IAEA ab?

Der Iran fürchtet sich angeblich vor Spionage. Irans Aussenminister Abbas Araghtschi (62) wirft Grossi vor, die Forderung, die bombardierten Anlagen für eine Sicherheitsinspektion besuchen zu wollen, sei nur ein Vorwand. Die Absichten des IAEA-Chefs seien «möglicherweise sogar boshaft», erklärte Araghtschi.

Gleichzeitig soll Grossi nach Angaben der argentinischen Regierung vom Iran bedroht werden. Grossi ist Argentinier. Zur Art der angeblichen Drohungen äusserte sich das Ministerium nicht.

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Hat der Iran vor dem Angriff Uran in Sicherheit gebracht?

Es könnte sein, dass der Iran präventiv einen gewissen Anteil an Uran in Sicherheit gebracht hat. Satellitenbilder vom 19. Juni, zwei Tage vor der Offensive, zeigen beispielsweise eine Kolonne von Lastwagen, geparkt am Eingang des Fordo-Tunnels, einem strategischen Standort des iranischen Atomprogramms.

Insgesamt zählten die Bilder 16 Fahrzeuge. Am Tag darauf waren sie verschwunden, ersetzt durch andere Lastwagen und einen Bulldozer. Was hinter den Bewegungen steckt, ist unklar. Aber der Verdacht liegt nahe, dass der Iran, angesichts der Bedrohung durch Israel, sein Atomprogramm schützen wollte. 

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Will der Iran auf sein Nuklearprogramm verzichten?

Nein. «Solange die Islamische Republik Iran Mitglied des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) ist, muss sie in der Lage sein, ihre Rechte wahrzunehmen», erklärte Aussenamtssprecher Ismail Baghai in Teheran. «Die Rechte des Irans als Mitglied dieses Vertrags sind völlig klar – darunter das Recht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie.»

Der Iran werde darauf bestehen, Uran für friedliche Zwecke anreichern zu dürfen, sagte Irans Vize-Aussenminister Madschid Tacht-Rawantschi der BBC und wies Vorwürfe zurück, der Iran arbeite heimlich an der Entwicklung einer Atombombe. Sein Land sei «vom Zugang zu nuklearem Material» für sein Forschungsprogramm ausgeschlossen worden.

Tacht-Rawantschi weiter: «Über das Niveau kann man reden, über die Kapazität kann man reden, aber zu sagen, dass ihr keine Anreicherung haben dürft, null Anreicherung, und wenn ihr nicht einverstanden seid, werden wir euch bombardieren – das ist das Gesetz des Dschungels.»


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