Darum gehts
Die Epstein-Akten machen Donald Trump (79) das Leben schwer. So schwer, dass sich der US-Präsident nach monatelanger Weigerung nun doch entschlossen hat, der Veröffentlichung der geheimnisumwitterten Unterlagen zuzustimmen.
Trumps Wende ist zwar eine Überraschung. Aber erklärbar. Denn mit seiner Taktik dürfte er den internen Druck vermindern und das Blatt schliesslich sogar zu seinen Gunsten wenden.
Diese Woche schaut die Welt auf das US-Repräsentantenhaus. Die grosse Parlamentskammer der USA will – möglicherweise am Dienstag – über die Freigabe der Epstein-Akten befinden. Darin erwartet man Details zum Sexgeschäft des Straftäters Jeffrey Epstein (1953–2019), bei dem Dutzende junge Frauen und Minderjährige missbraucht wurden. Besonders gespannt wartet man auf prominente Namen, die möglicherweise daran beteiligt waren.
Trumps zweite Kehrtwende
Vor seiner Festnahme im Juli 2019 waren bei Epstein Prominente ein und aus gegangen. Auch Trump verbrachte Zeit mit ihm, wie mehrere Videos belegen. Epstein selber kann nicht mehr befragt werden. Er starb einen Monat nach der Verhaftung im Gefängnis, angeblich durch Suizid.
Während seines Wahlkampfs hatte sich Trump für die Herausgabe der Akten starkgemacht. Angeblich, weil er die Machenschaften der verpönten «Elite» aufdecken wollte. Nachdem er im Januar wieder ins Weisse Haus eingezogen war, wollte er plötzlich nichts mehr von einer Offenlegung wissen. Möglicherweise, weil er selber belastend in den Akten erwähnt wird.
Für Trumps erneute Kehrtwende gibt es mehrere Erklärungen.
Aufstand in den eigenen Reihen
Der Frust bei den Republikanern über ihren Präsidenten wächst. Warum zögert er mit der versprochenen Freigabe der Akten? Besonders hart geht die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene (51) mit dem von ihr einst verehrten Trump ins Gericht. Trump schimpft sie eine «Verräterin» und «Verrückte», Trump-Anhänger belästigen sie mit Pizzalieferungen. Auch eine Bombendrohung hat sie erhalten.
Laut dem republikanischen Kongressabgeordneten Thomas Massie (54) könnten bis zu 100 der 219 Republikaner im Repräsentantenhaus bereit sein, sich hinter die Demokraten zu stellen und die Veröffentlichung der Akten zu fordern. Da würde es Trump auch nichts mehr nützen, dass er die Vereidigung der neuen demokratischen Abgeordneten Adelita Grijalva (55) verzögern liess, um die Gegner zu schwächen. Die Veröffentlichung ist also kaum noch zu verhindern.
Ablenkungsmanöver
Bill Clinton (79), Prinz Andrew (65), Elon Musk (54), Alec Baldwin (67) … In den Akten werden zahlreiche Prominente erwähnt, ohne dass ihnen – wenigstens bisher – Verfehlungen nachgewiesen werden konnten.
Vor allem Namen aus den demokratischen Reihen dürften Trump die Motivation geben, den Fokus von sich jetzt auf andere zu lenken. Volle Kraft auf den verhassten Clinton? Das Blatt könnte sich sogar plötzlich zugunsten Trump wenden, wenn brisante Details über den ehemaligen US-Präsidenten bekannt würden. Um dieses Manöver rechtzeitig zu starten, hat das Justizministerium bereits Ermittlungen gegen Clinton eingeleitet.
Reine Weste
Bisher weiss man wenig über Trumps Erwähnungen in den Akten. Bekannt ist ein angeblicher Brief in einem Geburtstagsbuch für Epstein, der mit «Donald» unterzeichnet ist und von einer gezeichneten nackten Frau umrahmt wird. Schon heftiger, aber nicht näher erklärt, ist eine Mail-Aussage Epsteins, wonach Trump «wusste, was mit den Mädchen lief».
Trump könnte einer Veröffentlichung zustimmen, weil er die Erwähnungen in den Akten als nicht strafrelevant hält. Sie könnten allerdings Peinlichkeiten ans Licht rücken. Das wäre für Trump immer noch das kleinere Übel als der wachsende Druck aus den eigenen Reihen.
Notbremse in letzter Minute
Spekuliert Trump auf den Senat? Auch wenn das Repräsentantenhaus diese Woche zustimmt, bedeutet das noch kein grünes Licht zur Veröffentlichung der Akten. Es braucht noch den Segen der kleinen Kammer, wo die Mehrheit der Republikaner laut US-Medien Widerstand leisten könnte.
Sollte die Veröffentlichung nicht im Senat verhindert werden, bliebe Trump immer noch eine Notbremse: Er könnte die abschliessende Unterschrift verweigern, die es braucht, um die Aktion in Gang zu bringen.
Knickt das Repräsentantenhaus ein?
Vergangene Woche hatten Demokraten verschiedene Mails von Epstein veröffentlicht. Gemäss denen hatte der Straftäter nicht näher erklärte Aussagen wie «Keiner ist so schlimm wie Trump» oder «Ich bin der Einzige, der ihn stürzen kann» gemacht.
Bis zur Auflösung solch rätselhafter Aussagen ist es noch ein weiter Weg. Am Schluss könnte auch das Repräsentantenhaus selber einknicken. Etwa damit, dass es zwar eine Veröffentlichung freigibt, aber die Namen der Beteiligten anonymisieren lässt. Es wäre ein Kompromiss, der die Amerikaner nicht befriedigen, aber immerhin Druck von Trump nehmen würde.