Darum gehts
- Russland wirbt afrikanische Frauen für Drohnenproduktion an
- Arbeiterinnen berichten von schlechten Bedingungen und Gesundheitsproblemen
- Botsuana schaltet Interpol ein
FPV-Drohnen, Kamikaze-Drohnen oder zuletzt Glasfaserdrohnen: Die unbemannten Flugobjekte sind aus dem Ukrainekrieg nicht mehr wegzudenken und haben die Kriegsführung grundlegend verändert. Das liegt auch daran, dass die Kosten für die mittlerweile unverzichtbar gewordenen Werkzeuge meist geringer sind als der verursachte Schaden. Der Krieg verschlingt auf beiden Seiten unzählige Drohnen täglich. Bei der Produktion ist deshalb Tempo gefragt. Das weiss auch Kremlchef Wladimir Putin (72).
Dem russischen Präsidenten gehen jedoch die Arbeitskräfte aus. Die aktuelle Arbeitslosenquote in Russland liegt bei gerade einmal 2,3 Prozent. Viele Männer haben Verträge mit der Armee abgeschlossen, kämpfen und sterben an der Front. Die Lösung: Man wirbt Arbeitskräfte aus dem Ausland an – ganz bequem online, teils über die sozialen Medien. Ins Visier nimmt Moskau dabei insbesondere afrikanische Frauen, wie «Le Monde» berichtet.
Mitarbeiterinnen müssen 100 russische Wörter kennen
Die französische Zeitung erklärt an einem Beispiel, wie die Anwerbung funktioniert. So können sich Ausländerinnen etwa für Arbeitsstellen in der Sonderwirtschaftszone Jelabuga in der Republik Tatarstan bewerben. Das geht über das Portal Alabuga Start, einem «internationalen Berufsbildungsprogramm», das von der Sonderwirtschaftszone in Zusammenarbeit mit der Agentur für humanitäre und kulturelle Zusammenarbeit Rossotrudnitschestwo ins Leben gerufen wurde.
Das Programm verspricht ein Monatsgehalt zwischen 398 und 636 Franken – deutlich höher als in einigen afrikanischen Ländern. Um den obligatorischen Eignungstest zu bestehen, muss man lediglich eine Frau zwischen 18 und 22 Jahren sein, einen Sekundarschulabschluss und einen gültigen Reisepass haben sowie 100 grundlegende russische Wörter beherrschen.
Enorm niedrige Löhne
Den Frauen wird eine «einmalige Chance», die «den Lauf eines Lebens verändern» könnte, versprochen. Doch stimmt das wirklich? Denn dass die Ausländerinnen vor allem Drohnen zusammenbauen sollen, dazu findet sich kein Wort.
Warum sollen gerade Frauen die Kriegstechnik anfertigen? Da sie leichter zu führen seien, erklärte Timur Schagivalejew, der Direktor der Sonderwirtschaftszone, in einem Interview mit der russischen Nachrichten-Website Business Online Anfang Juni. Und weil «manche Berufe weibliche Präzision» erfordern würden.
Schagivalejew steht auf Sanktionslisten Australiens, der USA und der Ukraine. Nach Angaben des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) wird er verdächtigt, der russischen Armee mehr als 13'000 Kamikaze-Drohnen geliefert zu haben. Im Gespräch mit Business Online verrät Schagivalejew auch, dass die Russen nicht bereit seien, für 30'000 bis 40'000 Rubel (304 bis 406 Franken) im Monat zu arbeiten. Die Löhne sind wohl noch etwas tiefer, als Alabuga Start verspricht. Zum Vergleich: Der Durchschnittslohn in Russland liegt bei etwa 83'200 Rubel (843 Franken).
Botsuana schaltet Interpol ein
Die Arbeitsverträge enthalten eine strenge Vertraulichkeitsklausel. Doch nicht alle Arbeiterinnen schweigen, wie eine Untersuchung der Globalen Initiative gegen transnationale organisierte Kriminalität zeigt. Betroffene berichten, wie sie statt einer einfachen Werksstudententätigkeit unter Aufsicht stundenlang Drohnen zusammenbauen mussten. Manche klagen über Hautprobleme, die durch den Umgang mit giftigen Chemikalien entstanden sind. Wer den Vertrag kündigt, muss die Kosten für Flugticket, Unterkunft und Russischunterricht an den russischen Arbeitgeber abdrücken.
Ende April hat die Polizei in Botsuana laut «Le Monde» Interpol eingeschaltet. Es geht um Vorwürfe des Menschenhandels, die von Frauen erhoben wurden, die für die Sonderwirtschaftszone Jelabuga arbeiteten.
Dem Kreml ist all das egal. Kommen keine Afrikanerinnen mehr, bedient man sich eben woanders. 25'000 nordkoreanische Arbeiter werden in Kürze in Russland erwartet, um mit der Montage von Drohnen vom Typ Shahed beauftragt zu werden.