Darum gehts
- Parlament will Schutz für Ukrainer einschränken, Bundesrat muss sichere Gebiete definieren
- Ukrainerin Anastasiia Ilchenko betont: Es gibt keine sicheren Gebiete in der Ukraine
- SVP fordert Streichung des Schutzstatus S für geflüchtete Ukrainer
Wird die Schweiz kaltherzig? Eine Mehrheit im Parlament will nicht länger allen Geflüchteten aus der Ukraine Schutz gewähren. Justizminister Beat Jans (60) soll nun festlegen, welche Regionen in der Ukraine als sicher gelten. Der Entscheid geht auf eine Motion der St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli (48) zurück.
Wer aus Gebieten flieht, die als sicher gelten, soll in der Schweiz künftig keinen Schutz mehr erhalten. Laut Blick-Recherchen will Jans dem Bundesrat noch diese Woche seine Pläne dazu unterbreiten.
Noch weiter geht die SVP: Sie fordert in einem Vorstoss die Abschaffung des Schutzstatus S. Geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer sollen stattdessen ins reguläre Asylverfahren überführt werden.
Nachrichten über Beschuss sind «schmerzhaft»
Betroffen von den geplanten Änderungen sind Menschen wie Anastasiia Ilchenko (27). Sie floh vor drei Jahren in die Schweiz und hat hier Fuss gefasst. Seit einem Jahr arbeitet sie beim Zentrum für Integrationsförderung des Kantons Basel-Landschaft und engagiert sich im sogenannten Flüchtlingsparlament. «Was die Politik entscheidet, betrifft mich direkt. Das beeinflusst mein Leben, meine Pläne, meine Zukunft», sagt sie gegenüber Blick.
Für die Aussagen von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (46) zeigt sie kein Verständnis. Ihre Botschaft an die Politik: «Es gibt keine sicheren Gebiete in der Ukraine! Es gibt keine klare Frontlinie.» Putins Raketen könnten überall einschlagen: «Er bombardiert das ganze Land.» Auch ihre frühere Heimatstadt Krementschuk im Zentrum der Ukraine war in den vergangenen Wochen wieder unter Beschuss. Die Meldungen über neue Angriffe nennt sie «schmerzhaft».
Seit Kriegsbeginn findet sie Unterschlupf bei ihrer Tante in Pratteln BL, die seit über zehn Jahren in der Schweiz lebt. Die politischen Debatten sorgen in der ukrainischen Community für grosse Verunsicherung – teils sogar für Panik. «Viele haben Angst, eines Morgens aufzuwachen und die Koffer packen zu müssen.» Solche Vorschläge aus der Politik würden die Arbeitsintegration erschweren, befürchtet sie. «Welcher Arbeitgeber will Menschen ohne Bleibeperspektive anstellen?»
«Aussagen der SVP machen uns Angst»
An die Adresse von Thomas Aeschi und anderen Politikern richtet Ilchenko einen Vorschlag: «Aeschi soll sich lieber mal mit uns Menschen aus der Ukraine treffen, damit wir gemeinsam darüber sprechen können. Vielleicht lassen sich so Missverständnisse ausräumen.»
Sie beobachtet viele Landsleute, die sich hier integrieren, Arbeit gefunden und sich von der Sozialhilfe gelöst haben. «Viele Ukrainerinnen und Ukrainer geben sich Mühe, in der Schweiz Fuss zu fassen – solche Aussagen der SVP machen uns Angst.» Sie selbst hat inzwischen Freunde und eine feste Stelle, hofft auf ein Stück Normalität. «Nachdem ich den Blick gelesen habe, mache ich mir wieder Sorgen um meine Zukunft hier.»