Darum gehts
Man sollte «nicht so verdammt negativ sein» mit Blick auf einen möglichen Frieden zwischen Israel und Palästina. Mindestens nicht in den Augen von US-Präsident Donald Trump (79). Der schimpfte jüngst laut mit seinem israelischen Kollegen Benjamin Netanyahu (75), weil er dessen Gejammere über die verkorkste Situation im Nahen Osten nicht mehr hören konnte. Trump selbst hat die Geschichte über das hitzige Telefonat auf seiner Plattform Truth Social verbreitet. Scheint also was dran zu sein.
Gründe, «verdammt negativ» zu sein, gäbe es nach wie vor viele. Aber wagen wir für einmal ein bisschen Hoffnung: So nah wie jetzt schien das Ende des Krieges zwischen Israel und der Hamas noch nie. Beide Seiten (die palästinensische Terrororganisation mindestens in Teilen) haben Trumps 20-Punkte-Friedensplan zugestimmt und verhandeln ab morgen Montag in Ägypten über die Details. Die Hamas ist bereit, alle 48 verbliebenen Geiseln freizulassen. Eine Forderung der Palästinenser aber könnte Trumps Traum vom Frieden (und damit vom Friedensnobelpreis) jetzt doch noch platzen lassen.
Das will die Hamas – und das kann sie geben
Was sie bietet: Die Hamas liess offiziell verlauten, alle 48 unter ihrer Gewalt stehenden Geiseln binnen drei Tagen freizulassen. 20 sollen noch am Leben sein. Zudem zeigt sich die Hamas offen für Gespräche über eine von «palästinensischen Kräften» bestimmte politische Zukunft des Gazastreifens zu reden.
Was sie will: Im Gegenzug will sie 250 Palästinenser freipressen, die eine lebenslängliche Haftstrafe in israelischen Gefängnissen absitzen. Unter den zu Befreienden soll auch Marwan Barghouti (66) sein, ein prominenter Anführer des palästinensischen Widerstandes, der gute Chancen hat, dereinst neuer Palästinenserpräsident zu werden. Israel will ihn unter keinen Umständen in Freiheit sehen. Zudem verlangt die Hamas den vollständigen Rückzug Israels aus Gaza.
Stolpersteine: Die Hamas kämpft um ihr Überleben. Zwei Jahre Krieg haben fast 90 Prozent ihrer Anführer ausgeschaltet. Ein wesentlicher Teil ihres Raketenarsenals ist zerstört. Dennoch bleiben laut israelischen Beobachtern bis zu 30'000 Kämpfer in ihren Reihen. Diese Männer werden kaum bereit sein, ihre Waffen zu strecken und ihre Macht abzugeben.
Das will Netanyahu – und das kann er geben
Was er bietet: Israel liess verlauten, in Gaza von offensiven Militärangriffen abzusehen. Laut palästinensischen Angaben hat sich Netanjahus Regierung an diesem Wochenende allerdings nicht daran gehalten und Dutzende Menschen getötet. Netanjahu zeigt sich bereit, seine Truppen hinter die von Trump geforderte (und auf einer mutmasslich mit Microsoft Paint erstellten Karte eingezeichnete) Linie zurückzuziehen. Zudem soll wieder humanitäre Hilfe nach Gaza fliessen.
Was er will: Netanjahu will alle Geiseln aus den Fängen der Hamas befreien. Gelingt ihm das, würde das seinen selbst in Israel extrem umstrittenen Kriegskurs rechtfertigen. Er könnte sich im Wahlkampf (in einem Jahr treten die Israelis an die Urne) als grosser Befreier darstellen.
Stolpersteine: Netanjahu muss aufpassen, dass er es sich mit den rechten Splitterparteien in seiner Koalition nicht allzu fest verscherzt. Sowohl Finanzminister Bezalel Smotrich (45) als auch Polizeiminister Itamar Ben-Gvir (49) haben angekündigt, sich mit ihren Parteien aus der Koalition zurückzuziehen, falls Netanjahu zu sehr auf die Forderungen der Hamas eingehe.
Das will Trump – und das kann er geben
Was er bietet: Trump setzte Netanjahu unter ungewöhnlich hohen Druck, um seinem 20-Punkte-Friedensplan zuzustimmen. Und: Er liess seine guten Beziehungen nach Katar spielen (wir erinnern uns: Die Kataris haben Trump jüngst einen 400-Millionen-Dollar-Jet geschenkt) und brachte damit auch die in Katar logierende politische Führung der Hamas zum Mitmachen. Einsichtigen Hamas-Terroristen bietet er Amnestie oder freies Geleit. Den leidenden Menschen in Gaza verspricht er Hilfe.
Was er will: Den Friedensnobelpreis. Das hat der US-Präsident offen zugegeben. Schafft er es, den Nahen Osten zu befrieden, hätte er die Auszeichnung trotz all seiner Makel verdient. Trump geht laut einem Truth-Social-Post vom Sonntagabend davon aus, dass die Geiseln «schon nächste Woche» freikommen. Ein Blick in seinen 20-Punkte-Friedensplan zeigt zudem, dass der einstige Bauunternehmer Trump bereits «spannende Entwicklungspläne» für den Wiederaufbau des Gazastreifens hat. Dass ihn der Gedanke an die «Gaza Riviera», wie er seine Utopie von blühenden Städten auf den Ruinen des Terrors einst nannte, ins Träumen bringt: kein Geheimnis.
Stolpersteine: An Trump dürfte es diesmal nicht scheitern. Was immer bei den Gesprächen in den kommenden Tagen herauskommt: Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass nach fast exakt zwei Jahren des Grauens erstmals wieder alle Seiten vom Frieden sprechen.