Frankreich in der Regierungskrise
Warum die Personalie Le Maire die neue Regierung sprengte

Frankreich erlebt eine politische Explosion: Die Rückkehr des ehemaligen Ministers Bruno Le Maire in die Regierung führte zum Sturz der Regierung. Premierminister Sébastien Lecornu ist zurückgetreten.
Publiziert: 17:06 Uhr
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Aktualisiert: vor 36 Minuten
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Bruno Le Maire leitete von 2017 bis 2024 das französische Finanzministerium.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Bruno Le Maire sprengt die französische Regierung durch Rückkehr als Minister
  • Lecornu trat als Premierminister zurück, politisches Chaos in Frankreich
  • Frankreichs Staatsverschuldung stieg unter Le Maire um umgerechnet 745 Milliarden Franken
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Richard Werly

Bruno Le Maire (56) hat die französische Regierung gesprengt. Denn der überraschende Rücktritt von Premierminister Sébastien Lecornu (39) am Montag ist grösstenteils ihm zuzuschreiben. Seine Rückkehr in die Regierung als Verteidigungsminister löste eine Rebellion der Rechten, seines ursprünglichen politischen Lagers, aus. Die Rechte betrachtet ihn schon länger als Verräter.

Während seiner Zeit als Gastprofessor an der Universität Lausanne im Forschungszentrum «Enterprise for Society» zwischen September 2024 und Frühjahr 2025 hatte Le Maire oft Gelegenheit, über die politischen Sitten in der Schweiz zu diskutieren. Der ehemalige französische Finanzminister (2017–2024) hätte in der Westschweiz lernen können, was ein Abschied aus dem politischen Leben in der Schweiz bedeutet. 

Wenn in Bern ein Bundesrat aus dem Amt scheidet, ist das endgültig. Seine Zukunft liegt dann in der Privatwirtschaft, im Bildungswesen oder bei philanthropischen Organisationen. Das hatte auch Bruno Le Maire versprochen, als er schwor, aus dem politischen Leben auszusteigen.

Am Sonntag überlegte er es sich jedoch anders und nahm den Vorschlag seines ehemaligen Kollegen Sébastien Lecornu an, sein Nachfolger als französischer Verteidigungsminister zu werden. Dadurch wurde Frankreich in ein politisches Chaos gestürzt. Die Partei «Les Républicains» («Die Republikaner») drohte, die Regierung zu verlassen. Der Premierminister entschied sich daraufhin, vorzeitig zurückzutreten.

Le Maire trieb als Minister die Verschuldung nach oben

Warum aber sprengte Bruno Le Maire die neue französische Regierung, die nach 26 Tagen erfolgloser politischer Konsultationen endlich vom neuen Premierminister bekannt gegeben worden war?

Der erste Grund ist die direkte Verantwortung von Bruno Le Maire für den rasanten Anstieg der französischen Schulden zwischen 2017 und 2024. Sieben Jahre an der Spitze des Finanzministeriums, in denen die Staatsverschuldung um fast 800 Milliarden Euro (745 Milliarden Franken) anstieg und bis 2025 die Rekordsumme von 3345 Milliarden Euro erreichte. Am 2. Januar 2025 erklärte er sich vor dem Finanzausschuss der Nationalversammlung und behauptete, er sei 2024 von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (47) nicht angehört worden, als er einen überarbeiteten Haushalt forderte.

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Lecornu verdankt Le Maire viel

Le Maires Erklärung war nicht überzeugend. Er verteidigte während der Corona-Pandemie vor allem das «Koste es, was es wolle», das heisst die Bereitstellung von fast 200 Milliarden Euro (186 Milliarden Franken) an staatlichen Beihilfen, davon 145 Milliarden Euro (135 Milliarden Franken) als Darlehen an Unternehmen. Dieser Ruf als verschwenderischer Minister hatte auch bei seinem Amtsantritt an der Universität Lausanne für Kontroversen gesorgt.

Der zweite Grund ist die offensichtliche Vetternwirtschaft, die Sébastien Lecornu dazu veranlasste, Bruno Le Maire als seinen Nachfolger an der Spitze der Streitkräfte zu platzieren. Lecornu lernte sein politisches Handwerk an der Seite von Bruno Le Maire im Département Eure. Er hat ihm viel zu verdanken.

Regierung der «Rückkehrer»

Die beiden Männer waren zusammen mit Justizminister Gérald Darmanin (42) die ersten, die 2017 die traditionelle Rechte verliessen und sich dem Macron-Lager anschlossen. Kurzum, der Vorwurf der Regierung der «Rückkehrer» oder der «letzten Wächter des Macronismus» kommt nicht von irgendwo. Der Eindruck, dass Emmanuel Macron in erster Linie das Ende seiner Amtszeit bis Mai 2027 sichern will, ist beunruhigend, in einem Land, in dem laut jüngsten Umfragen nur noch 17 Prozent der Franzosen Vertrauen in das Staatsoberhaupt haben.

Kurz vor Rücktritt hatte Lecornu noch grosse Pläne
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Neue Methode der Machtteilung:Kurz vor Rücktritt hatte Lecornu noch grosse Pläne

Der dritte Grund ist die politische Inkonsequenz der Wahl von Bruno Le Maire. Hätte er sich während seiner Vorlesungen an der Universität Lausanne intensiv mit der Schweizer Politik befasst, hätte er gelernt, dass eine Regierung die parlamentarische Landschaft repräsentieren muss. Das Vertrauen der Schweizer Wähler beruht auf dieser Repräsentativität, die den Bundesrat zu einer aufgezwungenen Koalitionsregierung macht, die zu ständigen Kompromissen gezwungen ist. Premierminister Sébastien Lecornu hat jedoch eine gegenteilige Wahl getroffen.

Lecornu provozierte Linke und Rechte

Es gelang ihm nicht, einen «Koalitionsvertrag» zwischen den verschiedenen Parteien zu schmieden. Offenbar hat er Bruno Le Maire im letzten Moment ernannt, ohne die traditionelle Rechte und ihren Anführer, den Innenminister Bruno Retailleau (64), zu informieren. Auch die Linke war empört, da sie absolut nicht überzeugt vom neuen Finanzminister Roland Lescure (58) war, der immerhin aus den Reihen der Sozialistischen Partei kam. Die Rechtspopulisten vom Rassemblement National sprachen zudem offen von einem Misstrauensvotum.

Kurz gesagt: ein Weg in die Krise, der sich am Montagmorgen in eine politische Niederlage verwandelte, da Frankreich rote Zahlen schreibt und die Ratingagentur Fitch das Finanzrating des Landes am 12. September um eine Stufe herabgestuft hat. Angesichts des entstandenen Chaos dürfte Bruno Le Maire es bereits bereuen, die friedlichen Ufer des Genfersees verlassen zu haben.

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