Darum gehts
- Tourismus in Afghanistan steigt trotz Taliban-Herrschaft. Influencer vermarkten das Land
- Taliban nutzen Trend, um Bild von Sicherheit und Kultur zu vermitteln
- 2023 reisten 8000 ausländische Touristen ein, 2024 bereits 7000 in sechs Monaten
Ein Video zeigt drei Menschen mit schwarzen Säcken über dem Kopf, umringt von bärtigen, bewaffneten Männern. Einer der Taliban spricht drohend in die Kamera: «America, we have one message for you.» Dann wird der Sack eines «Gefangenen» herabgerissen – darunter ein junger westlicher Tourist, der strahlend «Welcome to Afghanistan» sagt. Die Szene, inszeniert von einem Reisenden namens Jake, verbreitet sich rasant im Netz.
Er ist nicht der einzige, der das Land derzeit als exotisches Abenteuerziel vermarktet. Reise-Influencer zeigen spektakuläre Landschaften, alte Moscheen, bunte Basare – doch kaum etwas vom Schicksal der Frauen, die unter der radikalen Herrschaft massiv eingeschränkt sind.
Taliban nutzen Social-Media-Trend aus
Seit der Rückkehr der Taliban im August 2021 steigt die Zahl der Besucher wieder deutlich. Laut dem afghanischen Informations- und Kulturministerium reisten 2023 rund 8000 ausländische Touristen ein, dieses Jahr sollen es bereits 7000 in den ersten sechs Monaten gewesen sein – viele aus westlichen Ländern. Die Taliban nutzen diesen Trend gezielt, um ein Bild von Sicherheit und kulturellem Reichtum zu vermitteln.
Dazu gehört auch die Vermarktung des vorislamischen Erbes: Die einst zerstörten Buddha-Statuen von Bamian oder historische jüdische Stätten wie die Synagoge von Herat stehen wieder auf touristischen Programmen. Doch Mitarbeiter von Museen berichten anonym, dass Ausstellungen über Afghanistans vielfältige Geschichte teils eingeschränkt wurden.
«Sie zeigen nur das Schöne»
Offizielle Reisewarnungen bleiben dennoch deutlich. Das deutsche Auswärtige Amt rät weiterhin strikt von jeder Reise in das Land ab. Auch Touristin Anna Pelova aus Bulgarien bestätigt: Afghanistan sei «kein Land für Anfänger». Die Begegnungen und die Geschichte beeindruckten sie – doch die Lage der Frauen belaste sie schwer.
Viele Afghaninnen kämpfen trotzdem um Freiräume. Einige arbeiten sogar als Reiseleiterinnen, darunter die Britin Zoe Stephens oder die ehemalige Studentin Nilofar Rahimi aus Kabul. Sie wollen Auslandsgästen nicht nur Kultur vermitteln, sondern auch zeigen, dass afghanische Frauen trotz aller Verbote nach Selbstbestimmung streben. Reisen in andere Provinzen bleiben für sie riskant – ohne männlichen Begleiter sind sie kaum erlaubt.
Rahimi kritisiert besonders jene Influencer, die das Land als idyllisches Abenteuerziel inszenieren. «Sie haben gesehen, wie es uns hier geht. Und trotzdem zeigen sie nur das Schöne», sagt sie. Für viele ist das der Kern der Diskussion: Kann man Ferien bei den Taliban machen – und darf man dabei die Realität ausblenden?