Einmal mehr – Trump wechselt seinen Ukraine-Kurs
Statt «Kumpel» Putin steht jetzt wieder die Nato in seiner Gunst

Erst wollte Donald Trump mit Wladimir Putin Frieden schliessen – nun sucht er plötzlich wieder die Nähe zur Nato. Nach dem geplatzten Treffen mit dem Kremlchef steht fest: Der US-Präsident hat sich verkalkuliert. Nun braucht er das Bündnis, das er jahrelang verspottete.
Publiziert: 17:16 Uhr
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Aktualisiert: 17:25 Uhr
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Trumps Nato-Wende: Warum der US-Präsident plötzlich wieder auf den Westen und nicht auf Putin setzt.
Foto: Keystone

Darum gehts

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Donald Trump (79) wollte Frieden schaffen – und hat sich verrannt. Noch vor wenigen Tagen tönte der US-Präsident, ein Treffen mit Wladimir Putin (73) stehe unmittelbar bevor. Budapest war fix, der Plan gross: den Ukraine-Krieg «in zwei Wochen» beenden. Jetzt ist alles abgeblasen. «Ich will keine vergeudete Sitzung», sagt Trump. Doch hinter dieser Absage steckt mehr als Frust.

Trump hat erkannt, dass Putin ihn vorführt – und dass er ohne die Nato politisch nackt dasteht. Für Europa ist das ein gutes Zeichen, doch wie lange es hält, weiss niemand.

Vom Friedensbringer zum Getäuschten

Trumps Kalkül war simpel: Was im Nahen Osten funktionierte, müsse auch in Osteuropa klappen. Nach seinem Erfolg bei der Waffenruhe in Gaza wollte er nun den grossen Wurf in der Ukraine landen. Ein Anruf bei Putin, ein Handschlag – und der «Dealmaker» würde sich als Friedensstifter feiern lassen können.

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Donald Trump präsentiert sich gerne als Dealmaker, der Konflikte im Alleingang lösen kann – doch im Ukraine-Krieg stösst seine Strategie an ihre Grenzen.
Foto: imago/MediaPunch

Doch Moskau spielte sein eigenes Spiel. Während Trump von «Verständigung» sprach, pochte der Kreml auf seine alten Maximalforderungen: Kontrolle über den Donbass, keine Ukraine in der Nato, keine Sicherheitsgarantien für Kiew. Kein Kompromiss, sondern Unterwerfung.

Als US-Aussenminister Marco Rubio (54) nach einem ernüchternden Telefonat mit seinem russischen Pendant Sergei Lawrow meldete, Russland rücke keinen Millimeter von seinen Forderungen ab, zog Trump die Reissleine. Der Gipfel war vom Tisch – und mit ihm Trumps Traum vom schnellen Frieden.

«Ich will keine Zeit verschwenden»
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Trump zu Budapest-Treffen:«Ich will keine Zeit verschwenden»

Die Lehre aus Kiew

Für die Ukraine war die Episode ein bitteres Déjà-vu. Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski (47) erkannte rasch, wie Moskau Trumps Schwanken ausnutzte. «Sobald das Thema der Langstreckenraketen für uns in weitere Ferne rückte, war Russland plötzlich wieder deutlich weniger an Diplomatie interessiert», kommentierte er später.

Diese Beobachtung legt offen, wie eng Putins Verhandlungsbereitschaft an die westliche Entschlossenheit gekoppelt ist. Sobald Trump zögert, wittert Putin seine Chance. Trumps Rückzug ist deshalb mehr als eine Laune. Er markiert den Moment, in dem der US-Präsident gezwungen war, der Realität ins Auge zu sehen: Ohne Druckmittel – militärisch oder politisch – bleibt jedes Gespräch mit Putin eine Bühne für den Kreml.

Die Absage als Signal

Trumps Rückzieher ist also kein Zufall, sondern ein Wendepunkt. Zum ersten Mal seit Monaten sucht er wieder Nähe zur Nato – jenem Bündnis, das er jahrelang verspottet und als «überholt» bezeichnet hatte. Kurzzeitig drohte er sogar mit einem Austritt der USA, falls die europäischen Partner ihre Verteidigungsausgaben nicht erhöhten.

Dass er am Mittwoch Nato-Generalsekretär Mark Rutte (58) empfängt, ist deshalb mehr als ein diplomatisches Pflichtprogramm. Es ist ein symbolischer Kurswechsel – oder zumindest der Versuch, einen solchen zu inszenieren.

Über den genauen Inhalt des Treffens schweigt das Weisse Haus. Offiziell geht es um «aktuelle sicherheitspolitische Fragen». Hinter den Kulissen dürfte es vor allem um eines gehen: um Trumps künftige Haltung zur Allianz – und um die Frage, ob die USA ihre Unterstützung für die Ukraine wieder verstärken.

Wenn Putin den Takt verliert

Für den Kreml kommt dieser Kurswechsel ungelegen. Moskau hatte gehofft, Trumps Eitelkeit ausnutzen zu können, um die westliche Einheit zu untergraben. Nun steht Russland als Blockierer da. Kremlsprecher Dmitri Peskow (58) spricht von «Missverständnissen», Aussenamtssprecherin Maria Sacharowa (49) von einem «Informationszirkus». Doch die Nervosität ist spürbar: Plötzlich diktiert nicht Putin das Tempo, sondern wieder Trump.

Zwischen Kalkül und Kehrtwende

Trumps plötzliche Nato-Nähe ist aber kein Gesinnungswandel, sondern Realpolitik. Der Präsident hat begriffen, dass er ohne die Allianz keinen Einfluss hat – weder auf Moskau noch auf Kiew. Doch wie lange sein neues Bekenntnis hält, bleibt offen. Heute nutzt er die Nato, um Stärke zu zeigen; morgen könnte er sie wieder infrage stellen.

Für Europa ist sein Schwenk dennoch ein wichtiges Signal und eine Atempause. Der gefährliche Alleingang der USA Richtung Moskau ist vorerst gestoppt. Und solange Trump im Bündnis mitspielt, bleibt der Westen handlungsfähig.

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