Deal-Maker Trump macht hü und hott – statt Tomahawks gibts Tohuwabohu
Hat Trump in der Ukraine überhaupt schon etwas erreicht?

Ein Putin-Anruf, ein Schrei-Duell – und schon steht Donald Trumps Ukraine-Politik Kopf. Aus Waffenhilfe wird Rückzug, aus Härte Nachgiebigkeit. Sein angebliches «Powerplay» entpuppt sich als Show ohne Wirkung. Eine Analyse.
Publiziert: 14:27 Uhr
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Aktualisiert: 15:18 Uhr
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Erst Diplomatie, dann Drama: Trump und Selenski sind am Freitag im Weissen Haus heftig aneinandergeraten.
Foto: IMAGO/Bestimage

Darum gehts

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Wieder einmal fliegen in Washington nicht nur die Worte, sondern fast die Fetzen: Donald Trump (79) und Wolodimir Selenski (47) sollen sich im Oval Office angeschrien haben. Der US-Präsident fluchte, der Ukrainer blieb stur – und am Ende war die Stimmung im Eimer. Vier Tage zuvor hatte Trump noch von Tomahawk-Lieferungen gesprochen. Jetzt will er plötzlich, dass die Ukraine Land abtritt. Ein diplomatischer Rückwärtssalto, wie ihn nur Trump beherrscht.

Was ist da passiert? Wie konnte der US-Präsident in wenigen Tagen vom Kriegsfalken zum Friedensrichter – und wieder zurück – werden? Und vor allem: Was hat sein Powerplay eigentlich gebracht? Wir erklären in fünf Schritten, warum Trumps Ukraine-Verhandlungen nicht vorwärtskommen. 

1

Von den Tomahawks zum Territorial-Deal

Noch letzte Woche wollte Trump zeigen, dass er Druck auf Putin macht. Er drohte, der Ukraine die erwünschten Marschflugkörper zu liefern, falls Moskau nicht einlenke. Dann kam ein zweieinhalbstündiges Telefonat mit Putin vergangene Woche – und der Wind drehte. Angeblich versprach der Kremlchef neue Handelsdeals und einen baldigen Gipfel in Budapest. Schon am nächsten Tag klang Trump wieder wie Putins Pressesprecher: Statt Waffenlieferungen sprach er davon, «das Töten zu stoppen» und die Front «auf der aktuellen Linie einzufrieren». Selenski, der auf eine Zusage für Tomahawks gehofft hatte, ging leer aus. Zudem kommt eine Gebietsabgabe für den ukrainischen Präsidenten nicht infrage.

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Mit grossen Erwartungen reiste Selenski nach Washington. Er hoffte auf Zusagen für Marschflugkörper – und erlebte stattdessen eine diplomatische Bruchlandung.
Foto: IMAGO/Bestimage
2

Wenn Putin ruft, wankt die Linie

Laut dem Institute for the Study of War nutzte Putin sein jüngstes Telefonat mit Trump, um alte Forderungen zu erneuern: Die Ukraine müsse das gesamte Gebiet Donezk abtreten, um den Krieg zu beenden. Im Gegenzug habe Russland angeboten, Teile der besetzten Regionen Saporischschja und Cherson aufzugeben. Ein scheinbares Entgegenkommen, das in Wahrheit nur Moskaus strategische Position stärken würde – Russland könnte seine Offensive später aus einer günstigeren Ausgangslage wieder aufnehmen. Trotzdem übernahm Trump prompt Putins Formulierungen, sprach von einem «Deal auf der aktuellen Linie» und verkaufte die Idee als Schritt in Richtung Frieden.

3

Diplomatie als Realityshow

Trumps Aussenpolitik funktioniert wie eine seiner TV-Shows: Jeder Gipfel ist eine Bühne, jeder Anruf ein dramatischer Moment. Nach dem Gaza-Deal glaubte er, den nächsten «Gänsehaut-Moment» liefern zu können – diesmal mit Putin und Selenski in den Hauptrollen. Doch während Trump Schlagzeilen sammelt, sammeln die Russen Geländegewinne. Der US-Präsident spricht über «Deals» und «grosse Durchbrüche», ohne dass sich an den Frontlinien etwas bewegt. Für ihn zählt der Moment, nicht das Ergebnis. Druckmittel, Diplomatie, Verlässlichkeit – alles zweitrangig gegenüber der Schlagzeile, dass er der Friedensmacher sei. In Wahrheit aber gleicht Trumps Verhandlungsstil einem Bühnenstück ohne befriedigenden Schluss: viel Drama, kein Abschluss.

4

Europas Nerven liegen blank

«Vier Tage zuvor sprachen wir über Tomahawks, jetzt über Landabtritte», zitierte «Politico» einen europäischen Diplomaten. Entsprechend alarmiert reagierten Verbündete wie Polens Premier Donald Tusk, der auf X schrieb: «Kein Druck auf Selenski – Druck auf Russland!» Doch Trump sieht sich lieber als neutraler Makler, der beide Seiten «gewinnen lässt». Nur: Neutralität hilft dem Angreifer. Und während die USA zaudern, steigen in Europa die Sorgen vor einem weiteren Kriegswinter ohne klare US-Linie.

5

Fazit: Powerplay ohne Wirkung

Trumps «Powerplay» im Ukrainekrieg hat in Wahrheit nichts bewegt – ausser den Präsidenten selbst wieder in Szene gesetzt. Putin steht stärker da, weil er Zeit gewinnt. Selenski steht schwächer da, weil er keine Waffen und keine klare Unterstützung bekommt. Und Trump? Er steht da, wo er am liebsten ist: im Mittelpunkt einer selbstgeschaffenen Show. Seine Ukraine-Diplomatie gleicht einem Kreisverkehr – laut, hektisch, aber ohne Richtung. Weder Putin noch Selenski haben sich auch nur einen Millimeter bewegt. Nur Trumps Ego ist womöglich wieder ein Stück gewachsen.

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