Darum gehts
- Meloni spricht vor Parlament über EU-Probleme und Ukraine-Krieg
- Kritik an EU-Entscheidungsfähigkeit und demografischem Winter in Europa
- Parlament billigt italienische Position, lehnt fünf Oppositionsanträge ab
Die Ukraine braucht dringend neue Finanzhilfen. Beim EU-Gipfel in Brüssel steht am Donnerstag eine heikle Frage im Mittelpunkt: Sollen eingefrorene russische Vermögen zur Unterstützung Kiews genutzt werden? Während der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (70) dafür wirbt, mahnt Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48) zur Vorsicht – und pocht auf rechtliche Absicherung.
Die Staats- und Regierungschefs der EU debattieren über die künftige Finanzierung der Ukraine. Konkret geht es um die Nutzung eingefrorener russischer Staatsvermögen. Dies, um ein EU-Darlehen von bis zu 90 Milliarden Euro für Kiew zu ermöglichen. Für das Darlehen werden Garantien der EU-Staaten bereitgestellt. Rechtlich bleibt dabei bestehen, dass Russland einen Anspruch auf Rückzahlung hätte – allerdings erst, nachdem Reparationszahlungen geleistet wurden.
Das Geld soll nicht aus EU-Steuermitteln stammen. Die Hilfen sollen per Mehrheitsentscheidung beschlossen werden.
Nach Einschätzung mehrerer Staats- und Regierungschefs der EU könnte der Ukraine ab dem Frühjahr 2026 das Geld komplett ausgehen. Für die kommenden zwei Jahre werden rund 140 Milliarden Euro an finanzieller und militärischer Unterstützung benötigt – überwiegend aus Europa. Die USA haben mehrfach klargemacht, dass sie den Alten Kontinent in der Rolle sehen, einen Grossteil für die Unterstützung der Ukraine zu übernehmen.
Eine Entscheidung soll laut EU-Kommissionspräsidentin definitiv gefunden werden. «Wir werden den Europäischen Rat nicht verlassen, ohne eine Lösung für die Finanzierung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre gefunden zu haben», sagte Präsidentin Ursula von der Leyen vor Beginn der Beratungen. Damit drohen die EU-Spitzen mit einem Endlosgipfel.
Es geht um viel bei der heutigen Zusammenkunft. Einerseits droht der Ukraine das Geld endgültig auszugehen. Mit einem Darlehen könnte man das Land – zumindest eine Zeit lang – stabilisieren. Weiter ist vor allem die Signalwirkung entscheidend. Es wird im Rest der Welt genaustens beobachtet, ob sich die EU zu einer gemeinsamen Position durchringen kann.
Es gibt einige Befürworter der Massnahmen, darunter Deutschland. «Es reicht nicht, dass wir mit weiteren Sanktionen die Einnahmequellen der russischen Kriegsmaschinerie austrocknen», so Bundeskanzler Merz. Es müssten jetzt Schritte folgen, die nachhaltig seien. «Es reicht nicht, dass wir unser ganzes politisches Gewicht in die Waagschale der Friedensverhandlungen werfen», betonte der 70-Jährige weiter. Der polnische Regierungschef Donald Tusk fügte an: «Die Wahl ist einfach: Geld heute oder Blut morgen.»
Andere Länder (vor allem Belgien, Italien, Malta und Bulgarien) fürchten hingegen rechtliche und finanzielle Risiken. Insbesondere Belgien, wo beim Finanzinstitut Euroclear der Grossteil der russischen Vermögen liegt, warnt vor Klagen und möglichen Vergeltungsmassnahmen Russlands. Zu Beginn des Gipfels am Donnerstag hat das Land jedoch Verhandlungsbereitschaft signalisiert.
Vielleicht sei es nicht unmöglich, dass Belgien bei der gemeinsamen Übernahme von Rechtsrisiken ein klein wenig flexibel sein könne, sagte der Regierungschef Bart De Wever bei einer Sitzung der belgischen Abgeordnetenkammer unmittelbar vor Beginn des Gipfels. Für das Finanzunternehmen Euroclear sei allerdings «keinerlei Flexibilität möglich», so De Wever vor den Abgeordneten. «Wir fordern insbesondere Liquiditätsgarantien für Euroclear, wenn die Gegenpartei die Herausgabe ihrer Vermögenswerte verlangen kann. Euroclear muss in der Lage sein, diese freizugeben.»
Meloni hat am Mittwoch vor ihrem Parlament eine Rede gehalten, die weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen sorgt. Dabei sprach Meloni auch die neue US-Sicherheitsstrategie an, die in Europa eine Welle der Besorgnis auslöste.
Meloni bezeichnete die Entscheidungsfähigkeit als Hauptproblem der EU. «Ich persönlich glaube, dass es sinnlos ist, mit Pfeilen auf einen imaginären Feind zu schiessen, denn der wahre Feind, den es zu bekämpfen gilt, ist unsere Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, und die Ideologie des Niedergangs, die die Europäische Union in den letzten Jahren aktiv verfolgt hat», wird Meloni von italienischen Medien zitiert.
Russland würde einen kostspieligen Stellungskrieg führen. «Das erfordert, den wirtschaftlichen Druck auf Moskau aufrechtzuerhalten.» Diese Massnahmen müssten aber die Gesetze respektieren.
Neben dem Streit um eingefrorene russische Vermögenswerte stehen beim EU-Gipfel weitere wichtige Themen auf der Agenda. Die Staats- und Regierungschefs beraten über die Lage in der Ukraine, den Nahen Osten sowie über Fragen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zudem geht es um die künftige Migrationspolitik der EU und mögliche Reformen des Migrationsmanagements.