Darum gehts
Die Ukraine-Verhandlungen um Trumps 28-Punkte-Friedensplan verkommen zum Chaos. Die USA feiern angebliche Durchbrüche, Europa warnt vor gefährlichen Lücken, und die Ukraine versucht verzweifelt, ihre roten Linien zu verteidigen. Und Putin? Steht an der Seitenlinie und lacht sich ins Fäustchen. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum Friedensplan-«Puff».
Was ist nach den Genfer Gesprächen konkret neu?
US-Aussenminister Marco Rubio (54) erklärte den Sonntag zum «produktivsten Tag» des gesamten Verhandlungsprozesses. Gemeinsam mit Andrij Jermak (54), dem Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, stellte er einen überarbeiteten Entwurf vor, der die Souveränität der Ukraine ausdrücklich garantieren soll. Diese Klarstellung ist eine Reaktion auf die heftige Kritik am ursprünglichen 28-Punkte-Papier, dessen russlandfreundliche Passagen für Empörung sorgten. Dennoch bleibt vieles unklar. Zahlreiche Punkte wurden zwar sprachlich abgeschwächt, aber inhaltlich nicht neu definiert.
Wie reagiert die Ukraine auf die Entwicklungen?
Präsident Wolodimir Selenski (47) gibt sich betont kooperativ. Er weiss genau, wie abhängig sein Land von der Unterstützung der Vereinigten Staaten ist, insbesondere nachdem US-Präsident Donald Trump (79) ihn erneut als undankbar bezeichnete. Gleichzeitig macht Kiew intern deutlich, dass eine erzwungene Abtretung von Territorium oder eine Schwächung der ukrainischen Streitkräfte niemals akzeptabel wäre.
Wer bestimmt eigentlich die Linie in Washington?
In den USA tobt ein offener Richtungsstreit. Trump drängt auf einen raschen Durchbruch und hält an seiner Vorstellung fest, den Frieden möglichst bald als eigenen Erfolg präsentieren zu können – idealerweise noch vor Thanksgiving. Gleichzeitig äussern sich prominente Senatoren wie Lindsey Graham (70) und Mitch McConnell (83) ungewöhnlich scharf: Sie halten den Entwurf entweder für naiv oder sogar für ein Dokument, das eher aus Moskau als aus Washington stammen könnte. Diese widersprüchlichen Signale schwächen die amerikanische Verhandlungsposition erheblich.
Wie positioniert sich Europa?
Europa tritt überraschend geschlossen auf. Bundeskanzler Friedrich Merz (70), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (47) und Polens Präsident Donald Tusk (68) drängen gemeinsam auf substanzielle Anpassungen des US-Entwurfs. Der europäische Gegenentwurf, der parallel in Genf präsentiert wurde, legt grossen Wert darauf, die ukrainische Sicherheit realistisch zu garantieren. So soll etwa die Armee der Ukraine nicht auf 600’000 Soldaten begrenzt, sondern bei 800’000 festgelegt werden. Zudem lehnt Europa jede Form der Anerkennung russischer Gebietsgewinne ab. Hinter den Kulissen ist der Ton noch deutlicher: Man will verhindern, dass die Ukraine in einen «faulen Deal» gedrängt wird.
Welche Streitpunkte bleiben noch ungelöst?
Trotz der diplomatischen Erleichterung bleiben die grössten Konfliktlinien bestehen. Die Frage, ob die aktuelle Frontlinie als Basis für künftige Verhandlungen dienen soll, ist höchst umstritten – für die Ukraine wäre dies faktisch die Anerkennung des derzeitigen Status quo, von dem Russland profitiert. Auch der Umgang mit russischen Kriegsverbrechen bleibt offen, da insbesondere die USA eine allgemeine Amnestie nicht vollständig ausgeschlossen haben.
Warum profitiert vor allem Russland?
Die Uneinigkeit zwischen den USA und Europa erlaubt es Kremlchef Wladimir Putin (73), eigene Maximalforderungen beizubehalten und gleichzeitig militärischen Druck zu erhöhen. Der schwere Drohnenangriff auf Charkiw, der am Sonntag mindestens vier Menschen das Leben kostete, zeigt, wie Russland die Verhandlungen begleitet: mit Gewalt, um die Verhandlungsposition der Ukraine zu schwächen. Ein eingefrorener Konflikt entlang der aktuellen Frontlinie wäre für den Kreml ein strategischer Idealzustand.
Wie geht es diese Woche weiter?
Weitere Gespräche sind geplant. Die von Trump ursprünglich gesetzte Deadline – bewusst auf die Tage vor Thanksgiving gelegt, um im Idealfall als «Friedenspräsident» in die nationale Feiertagsberichterstattung einzuziehen – wirkt inzwischen deutlich aufgeweicht. Entscheidend wird nun, ob die USA, die Ukraine und Europa eine gemeinsame Linie finden, die mehr ist als kosmetische Einigung. Gelingt das nicht, kann Russland weiterhin von der westlichen Unklarheit profitieren und seine militärischen wie politischen Hebel ungestört einsetzen.