Darum gehts
- AKW Saporischschja ohne Strom, Gefahr einer nuklearen Katastrophe wächst
- Dieselgeneratoren versorgen das AKW, Treibstoff reicht für zehn Tage
- Letzte Hochspannungsleitung seit 23. September ausser Betrieb
Der ukrainische Präsident ist alarmiert. Wolodimir Selenski (47) hat diese Woche vor der Gefahr einer nuklearen Katastrophe im von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine gewarnt.
Die Lage sei kritisch. Denn: Seit vergangener Woche ist die grösste Nuklearanlage Europas völlig vom Netz abgeschnitten. Die Anlage wird derzeit nur dank Dieselmotoren mit Strom versorgt.
Und das kann nicht ewig so weiter gehen. Der Treibstoff reicht nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA noch für etwa zehn Tage. Auch das AKW Tschernobyl macht Probleme. Wie schlimm steht es um die Sicherheit Europas? Was passiert, wenn das AKW Saporischschja keinen Strom mehr hat? Eine Übersicht.
Was ist passiert?
Am AKW Saporischschja ist seit dem 23. September die letzte Hochspannungsleitung ausser Betrieb. Es gab schon mal Ausfälle, aber noch nicht über eine solche lange Zeit. Wie genau es dazu kommen konnte, ist unklar.
Die Hochspannungsleitung verband das AKW mit dem von Kiew kontrollierten Teil des ukrainischen Stromnetzes. Sie sei dem Augenschein nach nicht durch Beschuss unterbrochen worden, teilte die Umweltorganisation Greenpeace in Kiew mit. Sie berief sich dabei auf die Analyse von Satellitenfotos durch Sicherheitsexperten. Greenpeace warf der Moskauer Seite vor, die Leitung sabotiert zu haben als Teil des Planes, Saporischschja an das russische Netz anzuschliessen und die Reaktoren wieder hochzufahren. Beweise dafür gibt es nicht.
Selenski machte Russland für die Lage vor Ort verantwortlich. Die russischen Truppen störten mit ihrem ständigen Beschuss Versuche, die Stromleitungen zum AKW zu reparieren, sagte er. Für den Ausfall der regulären Stromversorgung macht Russland seinerseits ukrainischen Beschuss verantwortlich.
Wie gefährlich ist die Situation aktuell?
Solange die Generatoren die abgeschalteten Reaktoren versorgen, besteht keine unmittelbare Gefahr, sagte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi. «Aber es ist eindeutig kein Dauerzustand mit Blick auf die nukleare Sicherheit.» Er sei mit Russland wie der Ukraine in Kontakt, um die Stromversorgung wiederherzustellen.
Was passiert, wenn das AKW Saporischschja keinen Strom mehr hat?
Sobald der Diesel ausgeht, ist das AKW Saporischschja ohne Strom. Ein grosses Problem. Denn: Die Brennelemente in einem AKW müssen regelmässig gekühlt werden, sonst droht im schlimmsten Fall eine Kernschmelze. Eine nukleare Katastrophe könnte die Folge sein.
Wie kann die Kühlung weiterhin gewährleistet werden?
Es ist möglich, die Leistung des AKW zu drosseln. Dabei wird nur noch so viel Energie erzeugt, dass das AKW sich selbst instand hält und damit auch die Kühlung gewährleistet ist. Im September 2022 wurde das schon einmal beim AKW Saporischschja gemacht. Eine gute Lösung, allerdings nur auf Zeit. «Ein dauerhafter Betrieb nur mit Eigenbedarfserzeugung ist in den Anlagen sowjetischer Bauart nicht vorgesehen», schreibt die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) auf ihre Website. Auf Dauer schadet der Eigenbetrieb der Anlage.
Aber so könnte man Zeit gewinnen, um die Stromversorgung wiederherzustellen.
Was ist beim AKW Tschernobyl los?
Auch beim AKW Tschernobyl fiel der Strom aus. Schuld soll nach Angaben der Ukraine ein russischer Luftangriff gewesen sein. Aber warum ist das ein Problem, schliesslich ist das AKW endgültig stillgelegt?
In Tschernobyl ereignete sich im Jahr 1986 das schwerste Unglück in der Geschichte der Atomkraft. Die Reste des vierten Reaktorblocks sind seit 2019 mit einer 100 Meter hohen Schutzhülle ummantelt. Zum Betrieb dieser Anlage, unter anderem der Lüftung, ist Strom notwendig. Im Februar 2025 beschädigte eine russische Drohne den doppelwandigen Sarkophag. Laut Messungen wurden bisher keine erhöhten Werte festgestellt. Welche Gefahr von einem beschädigten Reaktorblock ausgehen würde, ist nicht klar absehbar – schliesslich gab es diesen Fall bisher nicht.