Putins Drohnen sind günstig, Abwehr dagegen ist teuer
So soll Europas «Drohnenwall» funktionieren

Der «Drohnenwall» soll Europas Antwort auf Putins Billigdrohnen werden – ein unsichtbarer Schutzschirm aus Sensoren, Störsendern und Hightech-Kanonen. Doch Europa steht vor gewaltigen Hürden.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Wie kann sich Europa vor russischen Drohnenangriffen schützen?
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Darum gehts

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Europas neue Mauer ist unsichtbar. Kein Beton, kein Stacheldraht, keine Wachtürme – sondern ein digitaler Schutzschild aus Radaren, Störsendern und Hightech-Kanonen. Beim EU-Gipfel am Mittwoch in Kopenhagen stand der sogenannte «Drohnenwall» ganz oben auf der Agenda.

Billige russische Drohnen schwirren seit Wochen über Europas Grenzen, dringen in Lufträume ein. Die Bedrohung ist real, die Antwort soll es ebenso werden. Doch wie baut man eine Verteidigung gegen Waffen, die nur ein paar Tausend Euro kosten – ohne jedes Mal ein millionenteures Abfangsystem in die Gang zu bringen? Genau hier beginnt die technologische Gratwanderung, die Europa jetzt meistern muss. Wir erklären, was bisher bekannt ist.

Augen und Ohren am Himmel

Beim Drohnenwall handelt es sich um ein engmaschiges, mehrschichtiges Abwehrnetz. Es beginnt mit dem «Sehen»: Radarsysteme, optische Kameras, akustische Sensoren und KI-gestützte Überwachungssoftware sollen selbst das leiseste Summen in der Luft erkennen. Die Ukraine hat dafür mit Projekten wie «Zvook» vorgemacht, wie Drohnen über ihr charakteristisches Motorengeräusch geortet werden können. Nur wer frühzeitig entdeckt, kann reagieren – das ist die Grundlage jedes wirksamen Schutzes.

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Im September stürzte diese russische Drohne in Polen ab – ein Beispiel dafür, wie nah an der EU-Grenze der Krieg tobt.
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Nach der Aufklärung kommt der «Soft Kill»: Mobile Störsender bringen Drohnen vom Kurs ab oder zwingen sie zur Landung. Ein vergleichsweise günstiger Ansatz, der aber nur funktioniert, solange die Angreifer nicht mit hochentwickelten Frequenzwechseln arbeiten. Schon heute tüfteln russische Entwickler laut «Kyiv Independent» an Systemen, die genau das leisten. Und damit den «Soft Kill» wieder an Grenzen bringen würden, wie Militärbeobachter Waldemar Geiger auf «hartpunkt.de» schreibt.

Kanonen gegen Schwärme

Bleibt also der «Hard Kill»: physische Zerstörung. Europas Hoffnungsträger ist hier der «Oerlikon Skyranger», der am Schweizer Standort der Firma Rheinmetall entwickelt wurde, wie die deutsche «Welt» schreibt: Ein hochmobiles Flugabwehrsystem, das auf gepanzerten Fahrzeugen installiert wird. Herzstück ist eine 35-Millimeter-Revolverkanone mit sogenannter Airburst-Munition. Die Projektile explodieren kurz vor dem Ziel in Dutzende Splitter und können so selbst Schwärme kleiner Drohnen zerschneiden. Reichweite: bis zu vier Kilometer.

Für mittlere Distanzen stehen Lenkflugkörper-Systeme wie IRIS-T aus Deutschland oder NASAMS aus Norwegen bereit. Der IRIS-T ist eigentlich eine Luft-Luft-Rakete, wurde aber zu einem bodengestützten System weiterentwickelt. Seine Stärken: Präzision und hohe Trefferwahrscheinlichkeit gegen schnelle Ziele. NASAMS dagegen sind von Grund auf flexibel einsetzbar und schon in mehreren Nato-Ländern Standard.

Für die grossen Bedrohungen wird Europa wohl auf SAMP/T und die Patriot-Systeme setzen. Das französisch-italienische SAMP/T ist ein High-End-System, das feindliche Flugkörper in über 100 Kilometern Entfernung abfangen kann. Das amerikanische Patriot-System, längst in der Ukraine im Einsatz, deckt ein ähnliches Spektrum ab. Ihr Problem ist die Kosteneffizienz. Nato-Generalsekretär Mark Rutte (58) warnte jüngst: «Wir können nicht Millionen für Raketen ausgeben, um Drohnen zu zerstören, die nur ein paar Tausend kosten».

Laser als Zukunftsmusik

Parallel arbeiten mehrere Staaten an Laserwaffen. Ihre Logik ist bestechend: keine Munition, theoretisch unbegrenzte Schüsse, punktgenaue Präzision. Der Haken: Nebel, Regen oder Staub schwächen die Strahlen massiv. In der Praxis können die Systeme bislang nur bei klarer Sicht eingesetzt werden – keine kriegsreife Allwetter-Lösung.

Ein weiteres Zukunftsfeld sind Interceptor-Drohnen. Dabei handelt es sich um kleine, schnelle Flugkörper, die feindliche Drohnen direkt angreifen: durch Rammen, mit Schusswaffen oder kleinen Sprengsätzen. In der Ukraine kommen solche Systeme bereits zum Einsatz, oft für nur wenige Tausend Euro pro Stück. Sie benötigen jedoch geschulte Piloten oder hochentwickelte Autopiloten, was ihre Einsatzfähigkeit limitiert.

Das teure Dilemma

Doch so verlockend die Vision klingt, so gross sind die Hürden. Militäranalysten wie Geiger warnen: Eine flächendeckende Abwehr bleibt extrem teuer. Es reicht eben nicht, ein paar mobile Systeme aufzustellen. Von der Patrone bis zum Patriot muss alles miteinander vernetzt werden – ein gigantisches Software- und Logistikprojekt, das Europa bisher nicht kennt.

Unterschiedliche Hersteller, unterschiedliche Schnittstellen, unterschiedliche Doktrinen: All das muss zusammengeführt werden. Europa steht hier vor einer riesigen Aufgabe. Ohne intelligente Steuerung droht das System zum teuren Flickenteppich zu werden.

Videos zeigen Angriffe von Geran-3-Drohnen
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Einsätze in der Ukraine:Videos zeigen Angriffe von Geran-3-Drohnen
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