Darum gehts
Marion Ammann sitzt am Esstisch in ihrem Haus in Dornach im Kanton Solothurn. Und versucht, das Erlebte der letzten Tage in Worte zu fassen. Letzte Woche ersteigerte die international bekannte Opernsängerin im Gemeindehaus in Scuol für knapp zwei Millionen Franken Wohnhaus und Jagdhütte des Baukartell-Whistleblowers Adam Quadroni – und überraschte damit die ganze Schweiz.
Marion Ammann, was haben Sie seither erlebt? Wie sieht Ihr E-Mail-Postfach aus?
Es ist unglaublich. Ich werde überschwemmt von positiven Nachrichten. So viele fremde Menschen, die sich bei mir bedanken. Es ist schön, zu erleben, dass die Schweiz auch so sein kann.
Waren Sie eigentlich sicher, dass Sie die Versteigerung gewinnen würden?
Nein, überhaupt nicht. Ich war sehr nervös, zitterte und war den Tränen nahe. Das ist gar nicht meine Art. Als Opernsängerin bin ich eigentlich einiges gewohnt. Ich hatte Angst, dass etwas nicht klappt. Es konnte vieles schiefgehen. Ich wusste ja nicht, zu welchem Preis die Häuser versteigert werden.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Wie viel Geld hatten Sie zur Verfügung?
Das möchte ich nicht sagen. Nur so viel: Ich hatte eigentlich gar kein Geld dafür. Ich musste Hypotheken auf mein Haus hier in Dornach aufnehmen und auch auf meine Ferienwohnung in Graubünden. Dazu erhielt ich von rund zehn Personen zinslose Darlehen. Sie möchten aber anonym bleiben. Die meisten sind aus dem Unterland, zwei aus Graubünden – aus dem Prättigau und dem Albulatal.
Sie mussten also pokern?
Ja, darum war ich so nervös.
Was hätten Sie gemacht, wenn Sie nicht mehr hätten mitbieten können?
Wenn ich gemerkt hätte, dass es eng wird, wäre ich wohl aufgestanden und hätte geschrien: «Hört bitte auf! Ihr wisst doch genau, was auf dem Spiel steht.»
Was stand auf dem Spiel?
Es war klar für mich, dass Adam Quadroni es nicht verkraftet hätte, wenn man ihm auch das Letzte noch genommen hätte: sein Haus, das er selbst gebaut hat. Ich konnte nicht anders, als ihm zu helfen.
Sie konnten nicht anders?
Ich erlebte mit 17 Jahren eine familiäre Tragödie. Darum war es mir ein Anliegen, eine solche zu verhindern. Was die Bündner Justiz Adam Quadroni angetan hat, ist ein Skandal. Niemand darf so behandelt werden.
Mein herzliches Beileid.
Das ist lange her. Aber es prägt ein Leben.
Wie sind Sie überhaupt mit dem Baukartell-Skandal und Quadroni in Kontakt gekommen?
Ich habe im Beobachter davon erfahren. Quadroni war dann 2018 auch für den Prix Courage nominiert, was noch einmal ein riesiges Echo ausgelöst hat. Vielen Dank für diese wichtige Arbeit, die der Beobachter damit leistet. Ich habe damals meinen Anwalt angerufen, weil ich diese Geschichte einfach nicht glauben konnte und wollte.
Und, was hat er Ihnen gesagt?
Ich habe ihn gefragt, ob wir eigentlich in einer Bananenrepublik lebten. Das hat er zu meinem Erstaunen bejaht. Ohne zu scherzen. Da hat es bei mir klick gemacht. Es war das erste Mal, dass mir bewusst wurde, dass ich naiv war. In der Schweiz sind nicht alle vor dem Recht gleich.
Und dann haben Sie sich bei Herrn Quadroni gemeldet?
Nein. Ich habe ihn erst 2020 nach einem privaten Konzert im Engadin kennengelernt. Der Veranstalter hatte mich gefragt, ob er Quadroni einladen dürfe.
Wie war diese erste Begegnung?
Ich erlebte einen absolut integren, zurückhaltenden, feinfühligen Menschen. Das hat mich noch einmal beeindruckt. Nicht nur hat er sich mit seinem Whistleblowing mit den Mächtigen in diesem engen Tal angelegt. Bis heute erinnere ich mich an keinen einzigen Satz, in dem er nicht die Wahrheit gesagt hat. Darum hat er einen grossen Teil der schweizerischen Öffentlichkeit auch immer hinter sich.
Sie scheinen sehr viel von ihm zu halten.
Vor allem halte ich sehr viel von seinen Vorstellungen von Gerechtigkeit. Das ist es, glaube ich, was mich an seiner Geschichte so fasziniert. Als ich 14 Jahre alt war, sagte mir ein Berufsberater, ich sei ein klarer Fall: Ich solle Jura studieren. Darum habe ich seit meiner Jugend auch den Beobachter abonniert. Zudem vertrete ich als Anthroposophin das Weltbild, dass wir hier auf der Erde Gast sind, um gewisse Aufgaben zu erfüllen.
Ich habe es überprüft. Sie sind tatsächlich seit 45 Jahren Beobachter-Abonnentin. Wie geht es nun weiter, kann Adam Quadroni definitiv im Haus bleiben?
Ja, das ist völlig klar. Ich werde auch keine Schlüssel haben. Die Jagdhütte habe ich noch nie von innen gesehen. Wir müssen nur noch schauen, wie wir es juristisch genau regeln.
Adam Quadroni ist nun über die Hälfte seiner Schulden los. Rund 1,6 Millionen Franken sind noch übrig. Wie geht es damit weiter?
Dass er endlich ohne Schulden leben kann, hat oberste Priorität. Es ist beschämend, dass der Kanton Graubünden ihm bis heute keine Entschädigung zahlt. Er hat durch Adam Quadroni viele Millionen an Steuergeldern gespart.
Der Kanton sagt, dafür fehle eine rechtliche Grundlage.
Grundlagen kann man schaffen. Es fehlt leider eindeutig der politische Wille. Doch Whistleblower müssen endlich besser geschützt werden. Es kann nicht sein, dass jemand Missstände aufdeckt und dann alles verliert. Erst recht skandalös ist es, dass auch der Kanton zum Ruin von Adam Quadroni beigetragen hat. Das kann man diversen unabhängigen Untersuchungsberichten entnehmen.
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Ich bin Kulturschaffende. Als Opernsängerin hat mich gefreut, dass der Kanton Graubünden in Kulturfragen einen Richtungswechsel gewagt und dem lange geächteten Liedermacher Walter Lietha den diesjährigen Bündner Kulturpreis verliehen hat. Das stimmt mich optimistisch. Ich werte das auch im Fall von Adam Quadroni als gutes Signal.