Darum gehts
«Der Moment, den wir gefürchtet haben, ist gekommen.» Diese Worte stammen von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom (57). Er bezieht sich auf die öffentliche Androhung von Donald Trump (78), ihn inhaftieren zu lassen. Die Drohkulisse hat der US-Präsident in den vergangenen Tagen installiert: 4000 Soldaten der Nationalgarde und 700 Marineinfanteristen hat Trump nach Los Angeles entsandt, um die teilweise gewaltsamen Proteste gegen seinen Migrationskurs einzudämmen. Newsom hat den US-Präsidenten deswegen bereits verklagt. Und in der Nacht auf Mittwoch nun Trump gar als «Diktator» beschimpft.
Und was machen die Kalifornier jeweils, wenn sie wütend auf die Bundesregierung in Washington sind? Genau: Sie träumen laut vom «Calexit» – also von der Abspaltung Kaliforniens von den USA. Laut der aktuellsten Umfrage vom Januar 2025 sagen sechs von zehn Kalifornier, dass es ihnen bei einer friedlichen Abspaltung besser gehen würde. Der Traum der kalifornischen Unabhängigkeit lebt also – und wird auch jetzt wieder fleissig in den sozialen Medien diskutiert.
Ironischerweise wirft Trump Newsom vor, den «Golden State» kaputt gewirtschaftet zu haben. Der US-Präsident höchstpersönlich möchte Kalifornien «Great Again» machen. Fakt ist indes: Kalifornien ist die wirtschaftliche Lokomotive Amerikas.
So wirtschaftlich mächtig ist Kalifornien
Die Daten sind eindrücklich: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2024 bei über 4,1 Billionen US-Dollar – Kalifornien trug somit 14 Prozent zur Gesamtwirtschaftsleistung der USA bei. Kein anderer US-Staat kommt annähernd an diese Zahlen heran. Zum Vergleich: Texas liegt bei 2,7 Billionen, New York bei etwa 2,3 Billionen Dollar. Und der Hafen von Los Angeles ist das amerikanische Tor zur Welt und wickelt rund 40 Prozent aller US-Importe ab.
Wäre der «Golden State» ein eigenständiges Land, stünde er weltweit gar auf Platz vier der grössten Volkswirtschaften – direkt hinter Deutschland, aber noch vor Ländern wie Japan, Indien oder Grossbritannien. Und nicht zu vergessen: Das Silicon Valley, Hollywood, die grössten Universitäten und Forschungseinrichtungen – sie alle sitzen in Kalifornien.
Die Schweiz im «Golden State»
Auch die Schweiz ist hier tief verwurzelt – wirtschaftlich, technologisch und gesellschaftlich. Keine andere US-Region zieht so viele Schweizer Unternehmen an. Rund 12 Prozent aller Angestellten von Schweizer Firmen in den USA arbeiten hier. Und das von Pharma und Medizintechnik über Maschinenbau bis hin zu Digitalisierung und Konsumgütern. Giganten wie Roche, Nestlé, Logitech oder Sika betreiben in Kalifornien bedeutende Standorte, Forschungslabore oder regionale Zentralen.
Schätzungen zufolge fliesst ein substanzieller Teil der mehr als 300 Milliarden Dollar, die Schweizer Unternehmen insgesamt in den USA investiert haben, nach Kalifornien. Laut der kalifornischen Handelskammer war die Schweiz im Jahr 2023 gar der sechstgrösste ausländische Investor im Bundesstaat – mit über 54’000 geschaffenen Arbeitsplätzen. Und mit über 92’000 Schweizerinnen und Schweizern ist Kalifornien die grösste rot-weisse Expat-Community in den USA.
Was bräuchte es für einen Calexit?
Kaliforniens Calexit-Gelüste fügen sich übrigens in ein bekanntes Muster ein: Egal ob in Katalonien (Spanien), Bayern (Deutschland), Norditalien oder Québec (Kanada) – wer der Wirtschaftsmotor des Landes ist, spielt gerne einmal mit dem Unabhängigkeitsgedanken.
Doch mit einer simplen Volksabstimmung kann Gavin Newsom keine Unabhängigkeit erklären. Denn die US-Verfassung sieht keine Möglichkeit für Einzelstaaten vor, legal aus den Vereinigten Staaten von Amerika auszutreten. Der einzige Weg wäre eine Verfassungsänderung. Dafür bräuchte es die Zustimmung von zwei Dritteln des US-Kongresses. Dass die Abgesandten aller anderen Bundesstaaten ausgerechnet die amerikanische Wirtschaftslokomotive in die Unabhängigkeit entlassen würden, ist aber quasi ausgeschlossen.